Perspektiven

Wenn dieser Finanzbericht erscheint, dürfte in Deutschland das zweite Rezessionsjahr in Folge zu Ende gehen. Einen Rückgang der Wirtschaftsleistung über einen so langen Zeitraum gab es zuletzt vor mehr als 20 Jahren. Und auch für 2025 erwarten die Konjunkturforscher nur eine geringfügige und langsame Erholung sowie ein Wirtschaftswachstum im Zehntel-Prozent-Bereich. Dies hat spürbare Auswirkungen: Unternehmen können nicht oder weniger investieren, einige gehen womöglich sogar insolvent und auch bei großen Konzernen in Deutschland und im Ruhrgebiet ist von Werksschließungen und Arbeitsplatzabbau in großem Stil die Rede.
Diese wirtschaftlichen Entwicklungen wirken sich auch direkt auf die Finanzen der katholischen Kirche im Bistum Essen aus. In einem Bistum, das mehr als andere von den Einnahmen aus der Kirchensteuer abhängig ist, macht es sich sofort bemerkbar, wenn sich die Einkommenssteuer – als Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer – bei einer größeren Gruppe von Kirchenmitgliedern verändert. Selbst wenn es nicht zu einem gravierenden Anstieg der Arbeitslosigkeit kommt, sind schon ausbleibende Tarifsteigerungen spürbar – aufgrund dadurch fehlender Erhöhungen bei den Kirchensteuereinnahmen bei gleichzeitigen Kostensteigerungen.
Ändert man diesen Blickwinkel jedoch ein wenig, könnte man auch sagen: Die aktuelle Wirtschaftskrise macht zunehmend die tatsächliche Situation der Kirchenfinanzen deutlich. Denn bis zum Einbruch durch die Corona-Pandemie sorgte ein regelmäßiges Wirtschaftswachstum mehrere Jahre lang für eine gute Beschäftigungslage und steigende Löhne. Das ließ die Einkommenssteuer- und damit die Kirchensteuerzahlungen steigen, obwohl die Zahl der Kirchenmitglieder schon seit Jahren schrumpft. Langsam, aber sicher wird diese Tatsache nun auch in den Kirchenfinanzen immer sichtbarer.
Nach dem u.a. durch den Verkauf der früheren Tagungs- und Exerzitieneinrichtung Kardinal-Hengsbach-Haus sowie durch unerwartete Kirchensteuernachzahlungen positiven Jahresergebnis von 2022 (53 Mio. Euro) und dem vor allem durch ein gutes Finanzergebnis erneut unerwartet hohen Überschuss von 63 Mio. Euro von 2023 erwartet das Bistum für das Verwaltungsergebnis im Jahr 2024 nur noch einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Berücksichtigt sind dabei bereits die Sparmaßnahmen, die das Finanz-ressort im Bistum Essen im Bischöflichen Generalvikariat und den daran angeschlossenen Einrichtungen im Rahmen des mittlerweile fest eingeführten Budgetprozesses umsetzt. Flankiert wird diese Ausgabenkontrolle von einer andauernden Debatte über die Effizienz und den zielgerichteten Einsatz der kirchlichen Finanzmittel: Wie gut unterstützt diese Ausgabe die Umsetzung des kirchlichen Auftrags in dieser Zeit und an diesem Ort? – Unser Ziel ist, dass Fragen wie diese vor jeder kirchlichen Investition stehen. Denn sie führen in einer sich an die verändernden gesellschaftlichen und kirchlichen Verhältnisse anpassenden Kirche gerade im Ruhrgebiet und im Märkischen Sauerland immer wieder zu neuen Antworten.
Insbesondere die ertragreichen vergangenen Jahre geben dem Bistum Essen kurz- und mittelfristig einen gewissen finanziellen Spielraum, um den mit Blick auf diese Ziele erforderlichen Umbau der Kirche im Bistum Essen auch mit den nötigen Mitteln zu begleiten. Zugleich sollen diese inhaltlich begründeten Ausgaben langfristig auch die finanzielle Situation der Kirche stärken. Wenn also der große Bistumsprozess „Christlich leben. Mittendrin.“ möglichst viele christliche Organisationen und Einrichtungen in einer Stadt oder einem Landkreis miteinander vernetzt und zugleich die Verwaltung professionalisiert, dann kann dies unsere zu erwartenden strukturellen Defizite auf Dauer zumindest reduzieren.

Deshalb gilt es bei den anstehenden Umbauten, die Generalvikar Klaus Pfeffer in seinem Vorwort beschreibt, neben den pastoralen Gründen auch aus wirtschaftlicher Sicht nun besonnen, aber zügig zu planen, zu entscheiden und die nötigen Schritte umzusetzen. Denn die finanzielle Situation des Bistums wird sich strukturell weiter verschlechtern. Ganz unabhängig von der eingangs dargestellten konjunkturellen Situation bedingen zwei Aspekte eine absehbar anhaltende und deutliche Reduzierung der Kirchensteuereinnahmen: Zum einen wirken die jährlichen Kirchenaustritte nicht nur akut im Jahr des Austritts, sondern verringern auch langfristig die Zahl der steuerzahlenden Kirchenmitglieder, weil vor allem junge Jahrgänge die Kirche verlassen (siehe obenstehende Grafik).
Zum anderen verändert sich die Struktur der Kirchenmitglieder durch demografische Faktoren: So wie überall in unserer Gesellschaft gehen auch in der katholischen Kirche die „Baby-Boomer“, also die Angehörigen der geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit, in diesen Jahren in den Ruhestand, ohne dass ihnen ähnlich große Jahrgänge folgen. Die Kirche spürt dies nicht nur, wie andere Verwaltungen und Wirtschaftsunternehmen, durch den damit verbundenen Fachkräftemangel. Ebenso gravierend ist für das Bistum Essen die Tatsache, dass eine große Gruppe tendenziell gut bis sehr gut verdienender Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheidet – und damit auch deutlich weniger Einkommens- und Kirchensteuer gezahlt wird als zuvor. Dies verdeutlicht die folgende Grafik.
Diese Entwicklung zeichnet sich bereits seit vielen Jahren ab, wurde aber in der gesamten deutschen Kirche bislang in ihrer Dramatik noch nicht hinreichend ernst genommen. Wie so oft gilt auch hier: Erst wenn tatsächlich Realität wird, was lange Zeit noch nicht so recht spürbar war, erkennen Menschen, dass Veränderungen akzeptiert werden müssen, die eigentlich niemand möchte. Jetzt zeigt sich, dass die kirchlich sozialisierten und immer noch mit der Kirche verbundenen „Baby-Boomer“ als Kirchensteuerzahlende ausscheiden und eine Generation nachfolgt, die diese Kirchenbindung nicht mehr hat. Die finanziellen Auswirkungen – und nicht nur die – werden darum in den kommenden Jahren immer schneller gravierende Folgen haben. So bleibt auf allen Ebenen der katholischen Kirche an Rhein, Ruhr und Lenne die maßvolle Finanzierung neuer, zukunfts-fähiger Angebote und Strukturen ebenso das wirtschaftliche Gebot der Stunde wie eine sorgfältige Ausgabenkontrolle und die kreative Suche nach neuen Einnahmequellen. Nur so wird „Christlich leben. Mittendrin.“ im Bistum Essen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten möglich sein und bleiben.

Ansprechperson
Leitung Ressort Finanzen & IT
Dr. Mechthild Lütke Kleimann
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