Perspektiven

Es sind unsichere Zeiten, in denen die katholische Kirche im Bistum Essen derzeit unterwegs ist: die weiterhin belastende Corona-Situation, ein möglicher Wirtschaftsabschwung als Folge des Krieges in der Ukraine, die damit verbundenen, enorm gestiegenen Energiekosten sowie die Preissteigerungen und teilweise erheblichen Verzögerungen im Baubereich. Mit entsprechenden Unsicherheiten sind derzeit alle Prognosen behaftet, gerade in wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen. Umso vorsichtiger skizzieren die Finanzverantwortlichen im Bistum Essen die Entwicklung für die kommenden Jahre und planen – soweit es geht – finanzielle Puffer für alle absehbaren Risiken ein.
Auf dieser Basis sind die Fachleute nicht nur für das laufende Jahr 2022, sondern auch für 2023 vorsichtig optimistisch und erhoffen derzeit erneut positive Jahresergebnisse und damit eine weitere Stärkung der finanziellen Rücklagen für die Kirche im Bistum Essen. Wie mit Blick auf den Jahresüberschuss für das Berichtsjahr 2021 kann allerdings nur davor gewarnt werden, auf eine signifikante Entspannung der Bistumsfinanzen zu schließen. Nach den beschriebenen Sondereffekten in 2021 wird sich im laufenden Jahr u. a. die Veräußerung des Kardinal-Hengsbach-Hauses positiv – aber eben auch nur einmalig – auf die Haushaltssituation auswirken.
Verkaufen und investieren
Dabei steht gerade dieser Verkauf beispielhaft für die Entwicklung des Bistums Essen, die geprägt ist von durchaus schmerzhaften Abschieden am Ende teils jahrzehntelanger Traditionen. Diese Schritte sind für niemanden leicht. Dennoch treffen die Verantwortlichen auf der Bistumsebene wie auch in vielen Pfarreien nach reiflichem Abwägen der-art grundlegende Entscheidungen, um Ressourcen für eine Weiterentwicklung der Kirche an Rhein, Ruhr und Lenne freizumachen. Letztlich ist es eben der ausgesprochen knappe Finanzrahmen, der das Bistum Essen zwingt, sich schneller als manch andere Diözesen von Einrichtungen, Gebäuden oder Initiativen zu verabschieden, die vor allem wirtschaftlich nicht zu halten sind. Im Blick auf das Kardinal-Hengsbach-Haus ist der Abschied besonders schmerzhaft: 1962, vier Jahre nach der Bistumsgründung, war das Gebäude zunächst als Priesterseminar eingeweiht worden. Diese Aufgabe ging 1994 auf das – mittlerweile ebenfalls aufgegebene – Studienkolleg nahe der Bochumer Ruhr-Universität über. Fortan diente das Kardinal-Hengsbach-Haus vor allem als Tagungs- und Exerzitienhaus. Künftig übernehmen u. a. die Mülheimer Bistums-akademie „Die Wolfsburg“, aber auch andere Standorte die Angebote der Einrichtung im Essener Süden und entwickeln sie weiter. So konnte das Haus in Essen-Werden veräußert werden.
Wenige Kilometer weiter ruhrabwärts zeigt sich derweil, wie das Bistum investiert: Nach 40 Jahren muss die Kirche am Jugendhaus St. Altfrid baulich saniert werden. Zugleich wird dabei in den nächsten mindestens eineinhalb Jahren auch der Innenraum der beliebten Kapelle so neu gestaltet, dass er für heutige Jugendliche und junge Erwachsene ansprechend und einladend wirkt. Mit Blick auf die Jugendarbeit des Bistums schließt sich dieses Projekt beinahe nahtlos an den Umbau der Kirche St. Joseph am Duisburger Dellplatz an, die seit Sommer 2021 die aus Oberhausen dorthin umgezogene Jugendkirche Tabgha beherbergt.
Finanzmittel für solche und viele weitere innovative Projekte werden nicht nur durch Verkaufserlöse frei, sondern bei mittelfristig stagnierenden bzw. sinkenden Einnahmen vor allem durch eine sparsame Haushaltsführung. Hier machen sich bereits jetzt der im vergangenen Jahr für das Bischöfliche Generalvikariat gestartete Budgetprozess zusammen mit den intensivierten Controlling-Anstrengungen bemerk-bar. Unterstützt wird dies durch eine neue, bistumsweit einheitliche Buchungs-Software: Vor allem in Verbindung mit weiteren Digitalisierungsschritten in der Verwaltung macht sie das gewünschte verbesserte Controlling möglich und reduziert die Prozesskosten.
Kirchenaustritte und demografischer Wandel
Große Sorgen bereiten indes nicht nur dem Finanzressort, sondern allen Bereichen des Bistums Essen die zuletzt noch einmal deutlich gestiegenen Kirchenaustrittszahlen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass nach dem Negativrekord aus 2021 auch die Werte des laufenden Jahres keinen Anlass zur Entwarnung geben werden. Schaut man nur auf die Kirchensteuereinnahmen des Bistums, so mag dies auf den ersten Blick noch nicht beunruhigen. Hier werden die enormen Austrittszahlen der vergangenen Jahre bislang durch einen zuletzt hohen Beschäftigungsgrad, eine gute Lohnentwicklung und damit individuell hohe Kirchensteuerzahlungen vieler Kirchenmitglieder kompensiert. Doch selbst eine stabile Entwicklung der Kirchensteuereinnahmen auf Bistumsebene bedeutet angesichts der gravierenden Inflation real ein deutliches Minus. Eine Fortsetzung des eingeschlagenen Sparkurses mit reduzierten Finanzmitteln in vielen Bereichen der Kirche bleibt damit unumgänglich.
Das gilt umso mehr, als sich die Struktur der steuerzahlenden Kirchenmitglieder gleich in dreierlei Hinsicht zum Negativen verändert:
- Da in allererster Linie Menschen im erwerbsfähigen Alter aus der Kirche austreten, verschlechtert dies direkt die finanzielle Basis des Bistums Essen.
- Die meisten Kirchenaustritte erfolgen etwa zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr. Damit fehlen der Kirche nicht nur im Jahr des Kirchenaustritts Steuereinnahmen, sondern auch in den folgenden durchschnittlich 30 bis 40 Erwerbsjahren. Jeder aktuelle Austritt verändert also auch die künftige Gestalt der Kirche.
- Schon rein demografisch sind die nachwachsenden Jahrgänge, die heute am Anfang des Berufslebens stehen, zahlenmäßig deutlich kleiner als die Jahrgänge der „Babyboomer“, die in den kommenden Jahren in Rente gehen. Zudem umfassen sie prozentual weniger Kirchen-mitglieder – damit wird sich die finanzielle Basis der Kirche auch ohne Austritte in den kommenden Jahren und Jahrzehnten deutlich verkleinern.

Aktuelle Studien zeigen, dass zahlreiche Kirchenaustritte ein Ergebnis des immensen Vertrauensverlustes sind, den die Kirche durch die Missbrauchskrise erlitten hat. Das Bistum Essen engagiert sich mit den Verantwortlichen im Stabs-bereich Prävention und Intervention zusammen mit den zahlreichen Präventionsfachkräften in den Pfarreien und anderen kirchlichen Organisationen intensiv, um die Missbrauchsfälle aufzuarbeiten, die Unterstützung für Betroffene zu verbessern und die Präventionsarbeit zu professionalisieren. Zugleich wird es auch für das Ruhrbistum noch weiteren Optimierungsbedarf geben, weil im Zuge der Aufarbeitung bislang nicht beachtete Schwachstellen sichtbar werden. Nach wie vor aber bleibt für eine Stabilisierung der Mitgliederbasis – und damit auch der finanziellen Situation – im Bistum Essen die zentrale Erkenntnis aus der bistumseigenen Studie „Kirchenaustritt – oder nicht? Wie Kirche sich verändern muss“ von hoher Relevanz: Die meisten Menschen verlassen die Kirche, weil sie keine Beziehung mehr zu ihr haben. Hier haben es hauptberuflich wie ehrenamtlich engagierte Kirchenmitglieder vielfach selbst in der Hand, mit anderen Kirchenmitgliedern in Kontakt zu treten, die Verbindung halten und daran mitzuwirken, dass die katholische Kirche im eigenen Orts- oder Stadtteil eine attraktive, einladende Gemeinschaft ist.
Nur ein Bruchteil der Menschen, die die kirchliche Arbeit mit ihren Kirchensteuern finanzieren, besucht regelmäßig Gemeindegottesdienste oder nutzt andere Angebote in unseren Pfarreien. Dies stellt womöglich manche Angebote infrage. Es bedeutet aber auch, dass gerade dann, wenn die seit Jahren Steuern zahlenden Kirchenmitglieder doch einmal ein kirchliches Angebot nutzen – weil z. B. eine Taufe, Hochzeit oder Beerdigung ansteht –, schlicht die Qualität stimmen muss. Warum sonst sollten Christen, die bei einer solchen Gelegenheit schlechte Erfahrungen machen, weiter für diese Kirche bezahlen? Um das seelsorgliche Angebot gerade bei diesen „Kasualien“ genannten Gottesdiensten zu entscheidenden Lebensereignissen inhaltlich und personell zu verstärken, hat das Bistum Essen in den vergangenen Jahren das Trauteam ins Leben gerufen, das Brautpaare auf dem Weg zur kirchlichen Trauung unterstützt, nicht geweihte Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie zahlreiche Ehrenamtliche für die Leitung von Begräbnisfeiern qualifiziert und im laufenden Jahr die ersten nicht geweihten Frauen und Männer als außerordentliche Taufbeauftragte in ihre Ämter eingeführt. Drei wichtige Projekte im Bistum Essen, die nicht aus finanziellen Erwägungen begonnen wurden, sondern mit Blick auf die Bedürfnisse der Menschen – und die doch helfen können, die für die pastorale Arbeit wie für die kirchlichen Finanzen wichtige Mitgliederbasis zu stabilisieren.

Fazit
Soweit die Zukunft derzeit planbar ist, steht die kirchliche Arbeit im Bistum Essen auf einer soliden finanziellen Basis. Das Bistum ist trotz aller Belastungen handlungsfähig und hat – begrenzte – Möglichkeiten, seine Arbeit an die aktuellen Erfordernisse anzupassen. Dennoch bleibt das ein kontinuierlicher Auftrag für alle haupt- und ehrenamtlich Beschäftigten: nicht mehr bedarfsgerechte Angebote, Gebäude und Arbeitsfelder zu identifizieren, um sich von diesen zu trennen und so Finanz- und Personalressourcen freizumachen für Initiativen, die die Kirche in die Zukunft tragen.
Im gleichen Zuge gilt es vor dem Hintergrund der zahlreichen Kirchenaustritte künftig noch deutlicher als bislang, die Mitgliederbasis gezielt zu stärken. Dies wird indes nur gelingen, wenn die existenzielle Notwendigkeit, die Kirche entsprechend zu gestalten, von möglichst vielen ehrenamtlich und hauptberuflich Engagierten erkannt und aktiv mitgetragen wird.
Ansprechpartner
Leitung Ressort Finanzen & IT
Markus Modla
Zwölfling 16
45127 Essen
0201/2204-638
Abteilung: Rechnungswesen und Finanzen
Dipl.-Betriebswirt lic.hw Joachim Strötges
Zwölfling 16
45127 Essen
0201/2204-391