von Thomas Rünker

Krieg und Terror stoppen Schüleraustausch der Sekundarschule mit Israel

Nach einem ersten Besuch aus Tel Aviv im Mai wollten Schülerinnen und Schüler der Bischöflichen Sekundarschule am Stoppenberg gemeinsam mit Lehrkräften eigentlich gleich nach den Herbstferien zum Gegenbesuch nach Israel aufbrechen. Nach dem Terrorangriff der Hamas wurde die Reise abgesagt. Nun stehen die Jugendlichen vom Stoppenberg via Social Media mit ihren Leuten in Israel in Kontakt.

Am Donnerstag hätten sie zurückkommen sollen, voll mit Erinnerungen und Bildern aus Tel Aviv und Jerusalem, von der Natur, der Partnerschule und der Gedenkstätte Yad Vashem, von der Zeit in israelischen Gastfamilien – und bestimmt auch von Partys. Doch neun Tage vor dem geplanten Abflug der Gruppe der Bischöflichen Sekundarschule am Stoppenberg hat die Hamas Israel überfallen. Nun beschießt die Terrororganisation das Land mit Raketen – während Israel den Gaza-Streifen bombardiert und mit Panzern angreift. Klar, dass die Reise der 13 Jugendlichen und ihrer Lehrkräfte angesichts dieser Ereignisse abgesagt wurde. Jetzt sind sie auf elektronischen Wegen in einem engen Austausch mit den Leuten aus Israel, die erst im Mai zum Auftaktbesuch der neuen Schulpartnerschaft in Essen zu Besuch waren.

Zwei Wochenenden und eine Ferienwoche voller Telefonate, Chats und E-Mails lagen für Lehrer Raphael Dornebusch zwischen den ersten Berichten über den Hamas-Angriff und dem Wiedersehen mit seinen Schülerinnen und Schülern nach den Herbstferien – nicht mit gepackten Koffern auf dem Weg zum Flughafen, sondern im Klassenzimmer in Essen-Stoppenberg. Mittlerweile war klar, dass die lange vorbereitete Reise nicht nur kurzfristig verschoben, sondern vorerst ganz abgesagt werden muss – und dank der zwischenzeitlich ausgesprochenen Reisewarnung der Bundesregierung zumindest auch storniert werden kann. Als sich die Austauschgruppe gleich nach Schulbeginn traf „waren alle ein bisschen mitgenommen, aber insgesamt doch froh, dass wir jetzt nicht in Israel sind“, beschreibt Dornebusch die Stimmung. Als sie nach dem recht sachlichen Austausch dann ins „Com-Gebäude“ – Meditationsraum und Kapelle der Schule – gegangenen sind, seien „aber auch Tränen geflossen“. Schließlich bekämen die Jugendlichen über digitale Medien direkt mit, wie die Situation und Stimmung bei den Gleichaltrigen in Tel Aviv ist, mit denen sie vor fünf Monaten in Essen zusammen waren. Gemeinsam mit der Schulseelsorge hätten die Jugendlichen Kerzen im Gedenken an die Opfer von Krieg und Terror entzündet und kleine Steine abgelegt, so wie es jüdische Gläubige auf Friedhöfen tun.

„Viele kennen Menschen, die umgebracht oder verschleppt wurden.“

Die Rückmeldungen aus der israelischen Gruppe seien sehr unterschiedlich, sagt Dornebusch. Gottlob sei niemandem persönlich etwas passiert, alle seien gesund. „Aber praktisch alle in der Schule kennen Menschen, die umgebracht, verletzt oder als Geiseln verschleppt wurden.“ Auch durch Geschwister, die nun als Soldaten eingezogen wurden, sei der Krieg selbst für die Jugendlichen im relativ sicheren Tel Aviv sehr präsent. Und manche Rückmeldung sei aus Essener Perspektive durchaus verwirrend: Während die Gruppe vom Stoppenberg froh war, ihre Reise stornieren zu können und andere Deutsche Israel dringend verlassen wollten, waren einige israelische Jugendliche im Auslands-Urlaub vom Terror der Hamas überrascht worden – und wollten nun möglichst schnell wieder nach Hause.

Auch er selbst habe durch die Kolleginnen von der ORT-Singalovski-Schule in Tel Aviv sehr persönliche Einblicke in den Konflikt erhalten, berichtet Dornebusch. Yolanda Meidan, eine der Lehrerinnen, die die Gruppe aus Tel Aviv in Essen begleitet hatte, berichtete ihm am Freitag von einem Raketeneinschlag in der Nachbarschaft der Schule. Mehrere Häuser von Familien der Schule seien durch Raketen-Teile beschädigt worden. „Glücklicherweise gibt es unter unseren Schülerinnen und Schülern bislang keine Verletzten“, schreibt Meidan. Der Unterricht finde derzeit nur digital statt, weil die Schule keinen Schutz vor Raketeneinschlägen biete. Gerade in den ersten Tagen nach dem Überfall der Hamas hätte bei den Unterrichtsstunden via „Zoom“ jedoch weniger der Lernstoff als Gespräche über die aktuelle Situation und die Gefühle der Kinder und Jugendlichen und ihrer Lehrkräfte im Vordergrund gestanden. Zwei Absolventen der Schule gehören zu den jungen Leuten, die auf dem Musik-Festival im Süden Israels ermordet worden sind – während Meidans Sohn und der Sohn von Schuldirektor Eitan vor den Terroristen fliehen konnten. Eine Sportlehrerin betrauert vier getötete Familienmitglieder – und der beste Freund des Sohns einer weiteren Lehrerin gehört zu den nach Gaza verschleppten Geiseln.

Schul-Partnerschaft läuft auf digitalem Wege weiter

Gerade angesichts dieser persönlichen Berichte bedeutet der abgesagte Besuch in Tel Aviv für die Essener Sekundarschule nun keinesfalls das Ende der gerade erst begonnenen Partnerschaft – ganz im Gegenteil. Neben dem privaten Austausch der Schülerinnen und Schüler und der Lehrkräfte will man sich nun auch als Schule an die Partnerschule in Israel wenden. Erste Fotos mit Schülerinnen und Schülern aus Essen und dem hebräischen Satz „wir denken an euch“ oder dem Wort „Frieden“ in verschiedensten Sprachen sollen in den nächsten Tagen als Zeichen der Verbundenheit per E-Mail an die ORT-Singalovski-Schule geschickt werden, kündigt Dornebusch an.

Gleichzeitig bleibt auch die Austauschgruppe am Stoppenberg untereinander in Kontakt. „Wir tauschen uns per Chat aus, informieren uns über Neuigkeiten und sehen uns hier in der Schule ja ohnehin fast täglich.“ Zudem stehen neben den Lehrerinnen und Lehrern auch die Schulseelsorgerinnen und -seelsorger weiter im COM-Gebäude für die Jugendlichen bereit. Auch wenn derzeit wenig für ein schnelles Ende der Kämpfe spricht bleibt am Stoppenberg die Hoffnung, möglichst bald zu einem Besuch nach Tel Aviv aufbrechen zu können.

Pressestelle Bistum Essen

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45127 Essen