von Thomas Rünker

Neuer Schüleraustausch stiftet deutsch-israelische Freundschaften

Die Bischöfliche Sekundarschule am Stoppenberg in Essen hat eine Partnerschaft mit der ORT-Singalovski-Schule in Essens Partnerstadt Tel Aviv geschlossen. Jetzt war eine erste Gruppe aus Israel in Essen zu Gast: Start für einen neuen Schüleraustausch zwischen der Ruhr- und der Mittelmeer-Metropole.

Beim Siebenarmigen Leuchter machen die Jugendlichen große Augen: „Ah, eine Chanukkia?“, fragt eine Schülerin. „Nein, das sind nur sieben Kerzen, das ist eine Menora!“, sagt eine andere. Gut 3000 Kilometer von zuhause entfernt entdecken die Jugendlichen der ORT-Singalovski-Schule aus Tel Aviv plötzlich Bekanntes. Was genau eine katholische Kathedrale ist, in der sie gerade sitzen, dürfte den meisten Teenagern noch unklar sein – aber dass hier reiche und mächtige Frauen vor 1000 Jahren eine Nachbildung des antiken Jerusalemer Tempelleuchters aufstellen ließen, wie sie heute auch in vielen jüdischen Familien zur Grundausstattung gehört, das beeindruckt.

Dass Menschen in Tel Aviv und in Essen nicht nur über solche historischen Spuren miteinander verbunden sind, sondern auch durch ganz alltägliches Miteinander, dafür steht ein neuer Schüleraustausch der Bischöflichen Sekundarschule am Stoppenberg mit der ORT Singalovski-Schule in Tel Aviv. Begleitet von den beiden Lehrerinnen Yolanda Meidan und May Essel waren jetzt zehn Schülerinnen und Schüler aus der israelischen Metropole in Familien der Sekundarschule zu Gast. Zusammen mit den deutschen Jugendlichen – die im Herbst zum Gegenbesuch nach Tel Aviv fliegen – haben die Israelis das Ruhrgebiet kennengelernt: Sehenswürdigkeiten wie die Alte Synagoge, die Zeche Zollverein oder eben den Essener Dom, aber auch den Teenager-Alltag bei gemeinsamen Schulprojekten oder beim Shopping im Oberhausener Centro.

„Wir waren alle ziemlich aufgeregt, aber jetzt ist es super toll“, sagt Mila, die zusammen mit Lee-Ann Gastgeberin für Emili ist. Bei ihr sei das nicht anders gewesen, sagt das Mädchen aus Tel Aviv. Vor allem die Frage, ob das Schul-Englisch der Acht- und Neuntklässlerinnen für den Alltagsgebrauch zwischen gemeinsamen Mahlzeiten, Ausflügen und Schulprogramm reicht, hat die drei vorab ziemlich umgetrieben. Immerhin waren sie sich beim ersten Treffen an der Sekundarschule aber nicht völlig unbekannt: Dank Social-Media- und Chat-Kontakten kennen sich alle Teilnehmenden des Schüleraustauschs schon seit einigen Wochen. So wusste Emili, die daheim in Tel Aviv einen Hund hat, dass sie sich auch bei ihren beiden deutschen Gast-Schwestern auf Haustiere freuen kann. Ein erstes, aber sicher nicht das letzte gemeinsame Thema der drei Jugendlichen.

Diskussionen über koscheres Essen

Auch Itamar und Fabian haben anfängliche Sorgen über Sprach-Probleme überwunden. Jetzt plaudern sie am Mittagessen-Tisch in der Kantine des Essener Rathauses munter vor sich hin. „Viele von uns essen zuhause koscher“, sagt Itamar. Aber niemand erwarte, dass die deutschen Familien nun ebenfalls koscher kochen. „Vegetarisches Essen ist völlig in Ordnung.“ Itamar war schon vor der Reise nach Essen außerhalb Israels unterwegs und hat in Italien und auf Zypern Urlaub gemacht. War es zuhause ein Thema, dass der Schüleraustausch nun ausgerechnet nach Deutschland geht? „Nein, alle bei mir zuhause fanden das gut. Ich selbst mag Deutschland“, betont der Teenager. „Ich finde es toll, was Deutschland nach dem Krieg gemacht hat“, sagt er mit Blick auf die vielen Aussöhnungs-Bemühungen der Bundesrepublik mit Israel.

Ein siebenarmiger Leuchter in einer christlichen Kirche?

Der Siebenarmige Leuchter im Essener Dom – der älteste und einer der größten in einer christlichen Kirche – steht anschaulich für eine Verbindung zwischen dem christlichen und dem jüdischen Glauben. Schließlich ist das 2. Buch Mose, in dem der siebenarmige Leuchter im antiken Jerusalemer Tempel beschrieben wird, sowohl Teil der jüdischen Thora als auch der christlichen Bibel.

Vor allem wegen seiner Größe erinnert der Leuchter im Dom manche Menschen an die jüdischen Chanukka-Leuchter, die – allerdings mit acht oder neun Kerzen ausgestattet – deutlich größer sind als die siebenarmigen Menora-Leuchter für den Hausgebrauch und zudem oft auf öffentlichen Plätzen stehen.

Die liegen auch der Essener Bürgermeisterin Julia Jacob am Herzen, die die Gruppe in der repräsentativen 22. Etage des Rathauses empfängt – schließlich ist Tel Aviv eine der Partnerstädte der Ruhrgebietsmetropole. Jacob erzählt von ihren eigenen Reisen nach Israel und wünscht den Jugendlichen, dass sich aus dem Austausch gute Kontakte entwickeln und vielleicht sogar Freundschaften entstehen. Das ist auch für den Sonderpädagogik-Lehrer Raphael Dornebusch ein zentrales Anliegen, der die neue Partnerschaft an der Sekundarschule organisiert: „Aus schulischer Sicht wollen wir Begegnungen zwischen deutschen und israelischen Jugendlichen fördern, einen interkulturellen Austausch ermöglichen, eine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und der Freundschaft zwischen den beiden Nationen schaffen und so zur Demokratiebildung der Jugendlichen beitragen.“

Wenn dann im Oktober die 14 Jugendlichen der Sekundarschule nach Tel Aviv reisen – finanziell unterstützt unter anderem von der Jugendstiftung des Bistums Essen – sollen sie dort erfahren und erleben, wie sich der Staat Israel entwickelt hat, der gerade sein 75-jähriges Bestehen feiert. Außerdem stehen die christlichen Ursprünge auf dem Programm sowie die Frage, wie die Menschen in Israel den Holocaust verarbeitet haben. Doch bis der Flieger zum Gegenbesuch abhebt, dürften noch zahlreiche Chat- und andere digitalen Nachrichten übers Mittelmeer fliegen. Lehrer Dornebusch berichtet jedenfalls von einem tränenreichen Abschied bei der Abreise der israelischen Gruppe. Aller Sprach- und kultureller Hürden zum Trotz scheint das Kontakte-Knüpfen in Essen also schon mal funktioniert zu haben.

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