Juniorprofessor Bock freut sich über großes Interesse an Bistumsgeschichte

Antrittsvorlesung des jungen Wissenschaftlers, der an der Ruhr-Uni Bochum unter anderem die Geschichte des Ruhrbistums erforschen wird.

Florian Bock ist Juniorprofessor auf einem neu geschaffenen Lehrstuhl für Kirchengeschichte an der Ruhr-Uni Bochum

Bock erforscht unter anderem die Geschichte des 1958 gegründeten Bistums Essen

Seine Stelle wird zur zwei Dritteln vom Bistum Essen finanziert

Hätte es noch eines Beweises für das große Interesse an der Geschichte des Ruhrbistums bedurft, der neue Bochumer Juniorprofessor Florian Bock hätte am Mittwochnachmittag gar nicht erst sprechen müssen. Wegen des großen Interesses musste seine Antrittsvorlesung vom feinen, aber eher kleinen Beckmanns Hof der Ruhr-Uni in den schnöden, aber deutlich größeren Hörsaal der katholisch-theologischen Fakultät verlegt werden.

Dort betont zunächst Dekan Thomas Söding, wie froh die Fakultät über den jüngsten Spross in ihren Reihen ist. „Wir haben Bock“, macht sich Söding einen Spruch zu eigen, der seit dessen Amtsantritt im Herbst auf dem Flur der Kirchengeschichte prangt. Bocks zusätzlich eingerichtete Juniorprofessur sei „ein Glücksfall“ für die Fakultät, „aber auch das Ergebnis strategischer Planung“ der Bochumer Kirchengeschichte um Wilhelm Damberg. Bei Bocks Juniorprofessur arbeiten die Fakultät und das Ruhrbistum eng zusammen: Zwei Drittel der Kosten übernimmt die Diözese, ein Drittel die Fakultät. Dahinter stehe vor allem ein inhaltliches Interesse, betont Söding: „Wir haben in der Fakultät nicht nur keine Berührungsängste gegenüber den dynamischen Prozessen, die sich im Bistum Essen abspielen, sondern ein großes Interesse an einer kritischen Analyse!“ Aktuell gibt es zwischen der Diözese und der Fakultät zum Beispiel eine Zusammenarbeit bei verschiedenen Themen des Zukunftsbilds, aber auch mit Blick auf die Pfarreientwicklungen und andere Prozesse.

„Für das Bistum ist es wichtig, eine starke Fakultät an der Seite zu haben“

Auch Michael Dörnemann, Leiter des Pastoraldezernats im Ruhrbistum, die Bedeutung der neuen Verbundenheit hervor. „Für das Bistum ist es wichtig, eine starke Fakultät an der Seite zu haben“, betont Dörnemann und ergänzt mit Blick auf Bocks historische Forschungen: „Auch wenn sich Geschichte nicht wiederholt, können wir doch aus ihr lernen.“

So sieht auch Florian Bock seine Arbeit, wenn er sich für seine Forschung keine „Kirchengeschichte der großen Männer“ vorgenommen hat, sondern eher auf die „Strukturen von unten“ schauen möchte, wie er bei seinem Start im vergangenen Herbst angekündigt hat. So führt auch in seiner Antrittsvorlesung über „Das ,Ruhrbistum‘ und seine alten und neuen Narrationen“ kein Weg am Gründungsbischof Franz Hengsbach vorbei – vor allem stellt Bock aber weniger namhafte Köpfe in den Fokus: Den Gladbecker Pfarrer Johannes van Acken, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Heilig-Kreuz wirkte, Paul Fey, den ersten Bildungsreferenten der Betriebsseelsorge im jungen Ruhrbistum – und Weihbischof Julius Angerhausen, der sich ab den 1960er Jahren intensiv um die „Ausländerseelsorge“ für die Gastarbeiter gekümmert habe.

Bezug zu den 20 Zukunftsbild-Projekten

Der Kirchengeschichte müsse es weniger um konkrete pastorale Projekte gehen, „die lassen sich meist eh nicht wiederholen“, sagt Bock. Ziel müsse sein, „die dahinterliegenden Haltungen offenzulegen“. So sei van Acken, Fey und Angerhausen gemeinsam, dass sie jeweils „im Heute“ und in ihren urbanen Räumen ein katholisches Profil entwickelt hätten. Ihre Tätigkeiten seien Beispiele für Solidarität und Integration – und sie hätten sich als zivilgesellschaftliche Akteure verstanden, die als Christen den Kontakt zu anderen gesellschaftlichen Partnern gesucht hätten. Katholische Charakterzüge gewissermaßen, die Bock auch Jahrzehnte später noch im Bistum Essen findet: „Auch in den 20 Zukunftsbild-Projekten schwingen überall Integration und Inklusion mit.“

Während in diesen, eher individuell geprägten Beispielen der Transfer in die Gegenwart gelingt, zeigt Bock auch Brüche auf, gerade wenn es um die großen Mythen und Geschichten des Ruhrbistums geht. Hengsbach, der seinen legendären Kohle-Ring übrigens schon als Weihbischof in Paderborn getragen habe, habe ein gutes Gespür dafür gehabt, sich als Ruhr- und Arbeiterbischof zu inszenieren, sagt Bock und verweist auf die Dissertation von Franziskus Siepmann („eine Benchmark für die Erforschung der Kirchengeschichte“). Eine Ruhrgebiets-Identität, wie sie viele Menschen zwischen Ruhr und Lippe heute leben, habe es jedoch bis mindestens in die 1970er Jahre noch gar nicht gegeben. „Man war kein Ruhrie, stattdessen kam man aus Essen, Duisburg oder Oberhausen – eher noch aus Steele, Meiderich oder Sterkrade“, so Bock nach dem Historiker Ulrich Herbert. Heute könne man „sich des Eindrucks nicht erwehren, als habe das Ruhrbistum schon deutlich vor der Schaffung des Ruhrgebiets an der Identität eines Ruhrgebiets mitgearbeitet“. Später habe das Bistum zwar Arbeitslosigkeit und Strukturwandel nicht aufhalten können „aber es konnte ein Refugium schaffen, das unbequeme Wahrheiten erträglich macht“, zitiert Bock den Bistums-Archivar Severin Gawlitta. Ein Refugium, das viele Katholiken an Rhein, Ruhr und Lenne indes später nicht verlassen wollten. Dies hätten unter anderem die Diskussionen gezeigt, die 2013 der Interview-Satz von Bischof Overbeck „Ich bin nicht mehr der Bischof der Bergarbeiter“ ausgelöst hätten.

Über langweilige Themen oder gar einen Mangel an Arbeit dürfte sich Florian Bock in seiner auf insgesamt sechs Jahren angelegten Juniorprofessur somit kaum beklagen dürfen. Ganz im Gegenteil: Unter anderem zwei Forschungsarbeiten zu Weihbischof Angerhausen sind an seinem Lehrstuhl bereits in Arbeit.

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