von Thomas Rünker

Gesellschaft kann vom christlich-jüdischen Dialog Gesprächsbereitschaft lernen

Bischof Franz-Josef Overbeck und Weihbischof Wilhelm Zimmermann treffen Vertreter der jüdischen Gemeinden im Bistum Essen zu einem Austausch im Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. In den „historischen Zeiten“ von heute werde das gute Miteinander zwischen Juden und Christen schon fast als normal wahrgenommen, so Gastredner Rabbiner Jehoschua Ahrens im Interview.

Bei einem Empfang für die jüdischen Gemeinden im Bistum Essen haben Bischof Franz-Josef Overbeck und Weihbischof Wilhelm Zimmermann die christliche Solidarität mit den jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn betont, gerade angesichts antisemitischer Aggressionen in jüngster Zeit. „Es ist beschämend und zugleich ungeheuerlich, dass nach der Shoah immer noch Menschen jüdischen Glaubens angegriffen werden“, sagte Overbeck bei dem Treffen anlässlich des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ am Donnerstagabend in Essen. „Ich kann Ihnen versichern, dass die Christinnen und Christen im Bistum Essen an Ihrer Seite stehen, denn für Antisemitismus und Antijudaismus ist bei uns im Ruhrgebiet grundsätzlich kein Platz.“ Gemeinsam betonten Overbeck und Zimmermann – Bischofsvikar für den interreligiösen Dialog im Bistum Essen – die guten Entwicklungen der vergangenen Jahre im Dialog zwischen Juden und Christen, auch dank der vielen lokalen Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit.

Mit diesem Dialog und den Beziehungen in den vergangenen Jahrhunderten hat sich der Gastredner des Bistums-Empfangs, der Darmstädter Rabbiner Jehoschua Ahrens, intensiv beschäftigt. Im Interview betont er die „historischen Zeiten“ heute, in denen das gute Miteinander zwischen Juden und Christen schon fast als normal wahrgenommen werde. Vom Dialog zwischen den beiden Religionsgemeinschaften könne die Gesellschaft lernen, sagt Ahrens, und verweist unter anderem auf die Gesprächsbereitschaft – gerade in den aktuellen Auseinandersetzungen rund um die Corona-Pandemie: „Wir hören dem anderen zu, auch wenn wir nicht seine Überzeugung teilen.“

Interview mit Rabbiner Jehoschua Ahrens

Herr Rabbiner Ahrens, auch im 1700. Jahre jüdischen Lebens in Deutschland sind antisemitische Angriffe und Ausschreitungen fast an der Tagesordnung. Ist Ihnen da überhaupt zum Feiern zumute?

Mit dem Jubiläumsjahr wird deutlich, dass wir auf eine lange Geschichte der Beziehungen zwischen Deutschen und Juden, bzw. der christlichen Mehrheit und der jüdischen Minderheit in Deutschland blicken, die aber meist im besten Fall von einem Nebeneinander und ansonsten von Ausgrenzung, Diskriminierung, Verfolgung und – im schlimmsten Fall – auch von Vernichtung bestimmt war. Das vergessen wir oft. Richtig ist aber auch, dass Juden seit langem in Deutschland präsent waren und sind und immer zur deutschen Geschichte, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft beigetragen haben. Das ist sicherlich ein Grund zum Feiern.

Sie haben sich mit dem Dialog zwischen Juden und Christen in diesen 1700 Jahren beschäftigt. Zumindest diese Beziehung erscheint heute hierzulande besser denn je, oder?

Heute leben wir tatsächlich in historischen Zeiten, was das Verhältnis von Christen und Juden betrifft, das ist uns oft gar nicht bewusst. Wir nehmen unser gutes Miteinander – zum Glück – schon fast als normal wahr, aber das wäre alles vor nicht allzu langer Zeit noch völlig undenkbar gewesen.

1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

Das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ basiert auf einem Gesetz des römischen Kaisers Konstantin. Er erlaubte am 11. Dezember 321 den Stadträten im heutigen Köln, auch Juden in den Rat zu berufen. Das Gesetz gilt als das älteste Zeugnis jüdischen Lebens im heutigen Deutschland. 1700 Jahre später diskutieren Juden und Christen gemeinsam über die Vergangenheit und Gegenwart des Zusammenlebens in Deutschland. Weitere Informationen: https://2021jlid.de/

Um Dialog und Verständigung ringt auch unsere Gesellschaft, gerade jetzt, in der Corona-Pandemie. Kann die Gesellschaft hier womöglich von den Religionsgemeinschaften lernen?

Selbstverständlich! Gerade in der Pandemie hat sich doch gezeigt, wie wichtig Nächstenliebe und Solidarität sind. Werte, für die Judentum, Christentum und Islam stehen. Das wichtigste jedoch, was die Gesellschaft vom interreligiösen Dialog lernen könnte, ist sicherlich die Gesprächsbereitschaft. Wir hören dem anderen zu, auch wenn wir nicht seine Überzeugung teilen, wir gehen respektvoll miteinander um, wir akzeptieren andere Lebensentwürfe und schauen über den Tellerrand, aus der Bubble hinaus.

Ansprache von Bischof Franz-Josef Overbeck

Persönlicher Referent — Referent für den Interreligiösen Dialog

Dr. Detlef Schneider-Stengel

Zwölfling 16
45127 Essen

Pressestelle Bistum Essen

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