Erfurter Katholikentag endet mit Aufruf zu einem friedvollen Zusammenleben
Abschluss des 103. Katholikentags mit festlichem Freiluft-Gottesdienst am Erfurter Dom
Katholikentags-Chefin betont gesellschaftspolitischen Anspruch und Aufruf zum Frieden
Umfangreiches spirituelles Angebot begeistert Tausende in Erfurt
Vor der eindrucksvollen Kulisse des Erfurter Doms haben am Sonntag, 2. Juni 2024, rund 12.000 Menschen mit einem festlichen Freiluft-Gottesdienst den Abschluss des 103. Deutschen Katholikentags gefeiert. Seit Mittwochabend hatten in der thüringischen Landeshauptstadt insgesamt rund 23.000 Katholikentags-Teilnehmende miteinander diskutiert, gebetet, gesungen und ihren Glauben gefeiert.
Katholikentags-Chefin Irme Stetter-Karp markierte in ihrem Abschluss-Statement den gesellschaftspolitischen Anspruch der christlichen Großtreffen. Sie rief dazu auf, die Würde aller Menschen und den öffentlichen Raum gegen Angriffe zu verteidigen. Die Botschaft des Erfurter Katholikentags laute: „Wir wollen miteinander leben – nicht gegeneinander! Wir wollen den Frieden suchen – und dem Hass widerstehen. Wir wollen unsere Demokratie mit Leben füllen und als Kirche ein Haus sein, das unsere Suche nach dem Mehr stillt“, betonte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), das die 1848 gestarteten Glaubensfeste in Deutschland organisiert.
In Krisen „den entspannten langen Atem des Vertrauens auf Gott mit einbringen“
Zuvor hatte der Limburger Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, in einem Predigtgespräch mit der Mainzer Theologin Juliane Eckstein die Gläubigen dazu ermuntert, sich durch Krisen nicht entmutigen zu lassen. „Gehören nicht Krise und Verlust, Sehnsucht und Verheißung von Anfang an ganz wesentlich zur Kirche dazu? Glaube gibt es nur im Modus der Zerbrechlichkeit.“ Dennoch gebe es gute Gründe für den Glauben, fügte er auf den breiten Stufen zwischen dem Erfurter Dom und der benachbarten Severikirche hinzu. „Wir werden den Krisen, die unser Zusammenleben und die Zukunft unserer Erde bedrohen, eher etwas entgegenhalten können, wenn wir den entspannten langen Atem des Vertrauens auf Gott mit einbringen.“
Erfurter Katholikentag markiert Wendepunkt
Viele Teilnehmende sahen im Erfurter Katholikentag einen Wendepunkt in der Katholikentags-Geschichte: Die Gäste-Zahl markierte einen Tiefpunkt, analog zur kleiner werdenden Zahl der Christinnen und Christen und der kleinen christlichen Minderheit am Austragungsort Erfurt. Mit Blick darauf hatten die Veranstalter das Programm konsequent angepasst und nach viel Kritik an einem zu üppig geratenen Katholikentag in Stuttgart 2022 diesmal „nur“ noch 500 statt 1500 Einzelveranstaltungen geplant. Zugleich blieb jedoch das vielfältige Format des christlichen Großtreffens bestehen, das neben gesellschafts- und kirchenpolitischen Diskussionen viel Kultur, Spiritualität sowie Katholikinnen und Katholiken die Möglichkeit geboten hat, sich als Teil einer nach wie vor großen Gruppe zu erleben.
Das größte katholische Lagerfeuer in Deutschland
So hat der Erfurter Katholikentag gezeigt, dass diese Veranstaltung immer noch das größte katholische Lagerfeuer in Deutschland ist. Kein anderes Format bietet Platz für so eine breite Palette unterschiedlicher katholischer Gruppierungen, anschaulich zu sehen etwa auf der Kirchenmeile, wo der Stand des Bistums Essen umgeben war von den verschiedensten anderen Bistümern, katholischen Hilfswerken, Verbänden und Organisationen.
Zudem ziehen nur wenige andere Formate in Deutschland so viele bundespolitische Spitzenpolitiker an, und das wohl nicht nur wegen des Superwahljahrs in Ostdeutschland: Von Bundespräsident Steinmeier und Kanzler Scholz über diverse Bundesministerinnen und -minister bis zu Thüringens Landesvater Bodo Ramelow (Linke). Zweifelsohne nutzen sie den Katholikentag als Bühne. Was aber auch bedeutet: Diese Bühne hat für sie noch Relevanz. Wohl auch deshalb murrte die AfD lautstark über ihre erneute Nicht-Einladung. CDU-Chef Friedrich Merz saß zwar auf keinem Podium, hielt aber auf dem Katholikentagsempfang der Adenauer-Stiftung eine programmatische Rede zur Friedenspolitik.
Özdemir nennt Katholikentags-Debattenkultur vorbildhaft für die Gesellschaft
Mit dem Leitwort „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ war der Katholikentag am Puls der Zeit. Zugleich überzeugte er viele mit einer guten Debattenkultur, die Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) vorbildlich für die Gesellschaft nannte. Beim Katholikentag bekomme man einen Eindruck davon, „wie die Gesellschaft sein könnte, wenn sich alle mit Respekt begegnen, zuhören und ausreden lassen“. Und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) antwortete auf die Frage, wann sie denn den letzten „Mensch des Friedens“ gesehen hat, mit einem Blick auf ihr Publikum: „Na heute, hier, Sie alle.“ In der Tat verlief das fünftägige Großevent abgesehen von ein paar Störern der Letzten Generation beim Podium mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ohne nennenswerte Zwischenfälle. Man sei sich einig in dem Ziel, die Schöpfung zu bewahren, nicht aber in den Mitteln, das Ziel zu erreichen, kommentierte ZdK-Generalsekretär Marc Frings diese kurze Programmunterbrechung.
Manche kritisieren, der Katholikentag sei zu politisch. Aber ohne die Politprominenz würde er wohl deutlich weniger wahrgenommen. Hinzu kommt, was der Magdeburger Bischof Gerhard Feige so formulierte: „Wenn es grundsätzlich und konkret um die Würde und Freiheit eines jeden Menschen geht, die Achtung der Menschenrechte und das Gemeinwohl, den Frieden und die Bewahrung der Schöpfung, können und dürfen wir als Kirchen nicht schweigen."
Umfangreiches und gut besuchtes spirituelles Angebot
Was den Katholikentag aber auch ausmacht, ist das umfangreiche spirituelle Angebot, das sehr stark angenommen wird. Tausende hielten minutenlang still inne vor der imposanten Kulisse des erleuchteten Dombergs, als zum Abendsegen die mächtige Gloriosa-Glocke mit warmen, tiefen Schlägen läutete. „Volle Hütte“ bei Gebeten, Meditationen und stimmungsvollen Gottesdiensten oder das Schild „Dom überfüllt“ waren für viele eine positive Kontrasterfahrung zum Kirchenalltag daheim.
Frage nach dem nächsten Ökumenischen Kirchentag
Entsprechend beschreiben viele Teilnehmende den Katholikentag als „Seelentankstelle“. Er ist zugleich ein Treffen zur Selbstvergewisserung: Das Christentum hat weiter eine Strahlkraft, nach innen wie nach außen. „Lagerfeuer“ heißt auch, dass man trotz unterschiedlicher Positionen zusammenrückt und damit der polarisierten Gesellschaft ein Vorbild gibt. Und Lagerfeuer heißt, dass es keine langen Wege gibt – Erfurt war für das neue Format des Katholikentags auch deshalb wegweisend. Keine verloren wirkenden Mega-Podien in sterilen Messehallen, stattdessen ein buntes Fest mitten in der Stadt mit der Zeltstadt der Kirchenmeile als Herzstück – und viel ökumenisches Miteinander: Das Wort vom „ökumenischen Katholikentag“ bei der Eröffnung hat Stetter-Karp am Sonntag auch zum Abschluss noch einmal stark gemacht. Wohl auch, um den häufigen Fragen nach einem nächsten Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) zu begegnen: Den letzten ÖKT in Präsenz gab es vor 14 Jahren in München. Das ZdK wolle eine nächste Ökumene-Veranstaltung, diese habe jedoch einen viel längeren Vorlauf als ein Katholikentag, weil man sich mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag – einer eigenständigen Organisation innerhalb der evangelischen Kirche – verständigen müsse.
Vorerst endete der terminliche Ausblick nach dem Abschlussgottesdienst in Erfurt daher beim 104. Katholikentag 2026 in Würzburg (13. bis 17. Mai). Zuvor steht vom 30. April bis 4. Mai 2025 in Hannover der nächste Evangelische Kirchentag an.