von Ulrich Lota und Thomas Rünker

Das Bistum Essen trauert um Weihbischof Dr. h. c. Franz Grave

Der emeritierte Essener Weihbischof und langjährige Vorsitzende des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat ist am Samstag, 19. Februar, im Alter von 89 Jahren gestorben. Bischof Franz-Josef Overbeck würdigte ihn als „wahren Hirten für unsere Region“ und „ein Markenzeichen für unser Bistum“.

Er war ein Zeitgenosse des Ruhrbistums: Ein Jahr nach Gründung der Diözese wurde der gebürtige Essener Franz Grave im Februar 1959 im Essener Dom zum Priester geweiht. Ein Kind des Ruhrgebiets, Sohn einer Handwerkerfamilie im Essener Stadtteil Frohnhausen, das den Strukturwandel der Region von der ersten Zechenkrise bis zum Ende des Bergbaus miterlebt und mitgestaltet hat. Am Samstag, 19. Februar, ist der emeritierte Weihbischof des Bistums Essen und langjährige Vorsitzende des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat nun im Alter von 89 Jahren gestorben – um 15 Uhr verkündete das Läuten der Totenglocke am Essener Dom die Todesnachricht. „Weihbischof Grave ist den Weg eines echten Hirten für unsere Region gegangen, kantig und mit einem wahren Herzen für das Ruhrgebiet, für Kohle und Stahl, für die Arbeit, für die kleinen Leute und auch die großen, würdigte Bischof Franz-Josef Overbeck den Verstorbenen. „Er ist einer, der zu einem Markenzeichen für unser Bistum geworden ist.“

Geprägt als Kaplan im Arbeiterstadtteil Duisburg-Beek

Es seien vor allem die Jahre in Duisburg-Beek gewesen, die ihn als jungen Kaplan geprägt hätten, sagte der 1932 geborene Grave einmal rückblickend über die Zeit Anfang der 1960er Jahre in der damaligen Arbeiterpfarrei St. Laurentius zwischen den großen Stahlwerken der Hafenstadt. Seitdem waren ihm die Sorgen und Nöte der Menschen im Ruhrgebiet ebenso vertraut wie die schon damals spürbaren Strukturprobleme seiner von der Schwerindustrie geprägten Heimat. Die Verkündigung des Evangeliums war für Grave daher stets untrennbar mit dem Auftrag verbunden, die Welt aus christlicher Verantwortung zu gestalten.

Schon als Diözesanpräses der Kolpingfamilien im Bistum Essen (1966 bis 1971) und der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (1979 bis 1982) ging es ihm stets darum, die katholische Soziallehre im Alltag umzusetzen. „Was können wir konkret für die Menschen tun?“, fragte er immer wieder. „Folgenlose theoretische Diskussionen mochte Weihbischof Grave ebenso wenig wie überflüssige Sitzungen“, erinnert sich Bischof Overbeck, „auch wenn wir wissen, dass er durchaus und nachhaltig sein Wort zu machen verstand“.

Großes Engagement für die Ehrenamtlichen

Der erste Ruhrbischof Franz Hengsbach übertrug dem jungen Priester 1970 die Leitung des Seelsorgeamtes im Bischöflichen Generalvikariat. Von Anfang an machte Grave deutlich, dass die hauptamtliche Seelsorge und der ehrenamtliche Dienst engagierter Laien keine Gegensätze sind. Gemeinsam mit dem Diözesanrat der katholischen Frauen und Männer im Bistum Essen, deren Geistlicher Assistent Grave über zwei Jahrzehnte war, brachte er zahlreiche Initiativen auf den Weg. So zum Beispiel die bundesweit beachteten Aktionen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Hilfen für benachteiligte Jugendliche.

Mit dem Namen des Weihbischofs eng verbunden bleibt auch der vom Ruhrbistum herausgegebene Essener Adventskalender, der seit dem Start Mitte der 1970er Jahre bis heute in jedem Advent nicht nur Familien im Bistum Essen erfreut, sondern mit Auflagen von bis zu 200.000 Stück bundesweit zu den erfolgreichsten Druckerzeugnissen der Katholischen Kirche gehört. Auch weitere Aktionen in der Familienpastoral sowie die Initiative zum Schutz des Sonntags tragen Graves Handschrift.

Die „Option für die Armen“ darf keine Worthülse bleiben

Am 3. Mai 1988 empfing Franz Grave im Essener Dom die Bischofsweihe, nachdem ihn Papst Johannes Paul II. zum Titularbischof von Tingaria/Mauretanien und Weihbischof in Essen ernannt hatte. Vier Jahre später, nach dem Tod von Kardinal Franz Hengsbach, wählte die Deutsche Bischofskonferenz Grave zu dessen Nachfolger als Vorsitzenden der Bischöflichen Aktion Adveniat, dem Hilfswerk der katholischen Kirche für Lateinamerika.

Seitdem hatte er die Sorgen und Probleme der ärmsten Länder der Welt noch stärker im Blick. Nie versäumte er es, von der Verantwortung in der Einen Welt zu sprechen und mahnte immer wieder an, dass die „Option für die Armen“ keine Worthülse bleiben dürfe. „Unermüdlich ist er auch bis ins hohe Alter in den Anliegen Adveniats tätig gewesen. Er hat einen Teil seines Herzens an Lateinamerika verloren“, beschreibt es Overbeck, der heute den Vorsitz der Bischöflichen Aktion Adveniat innehat. Papst Johannes Paul II. berief Grave am 1999 in die Päpstliche Kommission für Lateinamerika. Zwei Jahre später, 2001, verlieh ihm die katholische Universität „Nuestra Senora Reina de la Paz“ in Tegucigalpa/Honduras die Ehrendoktorwürde im Fachbereich „Pastoraltheologie“.

Totenvesper, Requiem und Beisetzung

Am kommenden Samstag, 26. Februar, feiert Bischof Franz-Josef Overbeck um 10 Uhr im Essener Dom das Requiem für den verstorbenen Weihbischof Grave. Anschließend erfolgt die Beisetzung auf dem Kapitelsfriedhof. Am Freitagabend, 25. Februar, wird um 18.30 Uhr im Dom die Totenvesper für Franz Grave gebetet.

Über weitere Gebetszeiten und Gottesdienste für den verstorbenen Weihbischof informiert das Bistum Essen in den kommenden Tagen auf www.bistum-essen.de 

Gespräche vor Werkstoren und in Chefetagen

1993 ernannte Ruhrbischof Hubert Luthe Grave zum Bischofsvikar für weltkirchliche und gesellschaftliche Aufgaben. Grave wusste, dass die Kirche im Konzert der Meinungen nur gehört wird, wenn ihre Aussagen fundiert sind. Umso stärker suchte er das Gespräch mit den Verantwortlichen in Unternehmen, Gewerkschaften, Verbänden und der Politik. Er besuchte Chefetagen, stand aber auch an Heiligabend bei den Stahlarbeitern in Duisburg am Werkstor oder solidarisierte sich mit den Nokia-Beschäftigten beim Protest gegen die Schließung der Bochumer Handy-Fabrik. „Die Kirchen wollen nicht Politik machen, aber Politik möglich machen“, sagte er immer wieder. Gleiches galt aus seiner Sicht für den Strukturwandel im Ruhrgebiet – ein Thema, das ihn zeitlebens begleitet hat, unter anderem bei zahlreichen Veranstaltungen in der Mülheimer Bistumsakademie „Die Wolfsburg“.

„Der Mensch muss im Mittelpunkt des Wirtschaftsprozesses stehen“

Vor diesem Hintergrund war das 1997 von der evangelischen und katholischen Kirche veröffentlichte gemeinsame Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland, das Grave maßgeblich mitformuliert hatte, für den Weihbischof eine „Herzenssache“. „Für Franz Grave gehörte es zur originären Aufgabe der Kirche, immer wieder daran zu erinnern, dass der Mensch im Wirtschaftsprozess Vorrang haben muss“, betont Ruhrbischof Overbeck. Die Kirche könne und wolle nicht den Sachverstand der Sozialpartner ersetzen, war Graves Überzeugung, „sie kann aber geschützte Räume zur Verfügung stellen, in denen ein offener, redlicher Meinungsaustausch zwischen den unterschiedlichen Interessenvertretern gepflegt werden kann.“

Kondolenzbuch

Im digitalen Kondolenzbuch können Sie in Gedenken an der verstorbenen Weihbischof ihre Gedanken niederschreiben.

Zum Kondolenzbuch

Auch nach seinem altersbedingten Rücktritt am 27. Juni 2008 hat der begeisterte Bergwanderer und Fußball-Fan die seelsorglichen und sozialen Probleme nicht aus dem Blick verloren – sowohl im Ruhrgebiet als auch bei den Adveniat-Partnern in Lateinamerika. Mit großem Engagement arbeitete er als „Pastor im Ruhestand“ in der Mülheimer Pfarrei St. Mariä Geburt mit, feierte mit den Gläubigen die heilige Messe, begleitete trauernde Angehörige und unterstützte das Seelsorge-Team. Graves Meinung und sein Rat waren auch als Senior im Ruhrbistum gefragt: „Bis ins hohe Alter war Weihbischof Grave unermüdlich fleißig und furchtlos, kirchlich und weltlich, aufmerksam und energisch“, sagt Bischof Overbeck. Regelmäßig habe Grave mit ihm und den anderen Bischöfen im Austausch gestanden, bis die altersbedingten Beschwerden ihm zunehmend die Kraft raubten. „Nun ist eine wichtige Stimme des Ruhrbistums und des Ruhrgebiets für immer verstummt“.

Bilder aus dem Leben von Weihbischof Franz Grave

Externer Inhalt

Dieser Inhalt von

youtube.com

wird aus Datenschutzgründen erst nach expliziter Zustimmung angezeigt.

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen