von Thomas Rünker

Zehn Jahre GleisX: Von der Jugendkirche zur jungen Kirche

Zehn Jahre nach ihrer Gründung ist GleisX in der Gelsenkirchener Innenstadt für viele junge Christinnen und Christen im Ruhrgebiet ein fester Anlaufpunkt geworden. Zugleich erfindet sie sich immer neu. Zusammen mit dem benachbarten Philipp-Neri-Zentrum hat sie am Samstag Geburtstag gefeiert.

Seit 10 Jahren gibt es GleisX in der Gelsenkirchener Neustadt

Aus der "Jugendkirche" wurde die "Kirche für junge Menschen"

Entstanden ist GleisX aus dem benachbarten Philipp-Neri-Zentrum für die katholische Jugendarbeit in Gelsenkirchemn

Die eine wird zehn, das andere 25 Jahre alt– macht in Summe 35 Jahre katholische Jugendarbeit in Gelsenkirchen. Die haben das Philipp-Neri-Zentrum (PNZ) und GleisX, die Kirche für junge Menschen, am Samstag, 26. August 2023, mit einem Fest in der Gelsenkirchener Neustadt feiert. Höhepunkt war die „Jubiläums-GleisZeit“, die gemeinsame Messe in der ungewöhnlichen Kirche mit Generalvikar Klaus Pfeffer.

Kirche mit Sofa-Ecke und „Theken-Kapelle“

GleisX ist anders. Auf den ersten Blick steht da ein prachtvolles neuromanisches Gotteshaus mitten im Nachkriegsumfeld der Gelsenkirchener Neustadt. Doch dann fallen die großen bunten Felder auf, die die Fenster über dem Eingang füllen. Wer durch die Tür geht, schaut anstelle von Kirchenbänken auf ein Oval aus hellen Stühlen. Man kann aber auch gleich links abbiegen in die „Theken-Kapelle“ und dann mit einem frischen Getränk aus dem Kühlschrank in der Sofa-Ecke im Seitenschiff Platz nehmen. „Ich suche nicht, ich finde!“, steht in geschwungenen grünen Leuchtbuchstaben in der Mitte der Kirche. Und gefunden worden sind hier in den vergangenen zehn Jahren wohl nicht nur unzählige Antworten auf Glaubensfragen und so manche neue Lebensperspektive – sondern immer wieder auch neue Ansätze für die Arbeit mit jungen Menschen, die in dieser Kirche im Fokus stehen.

Die Zeiten der „Jugendkirche“ GleisX seien jedenfalls vorbei, markiert Janina Kessler, die Leiterin des GleisX-Teams, eine Veränderung zu den Anfangsjahren. Ein bisschen ist die Kirche wohl mit der eigenen Zielgruppe gealtert – und hat dabei das eigene Profil geschärft zur „Kirche für junge Menschen“. Im Blick sind Erwachsene bis 35 Jahren – weil die 23-jährige Studentin nicht nur anders angesprochen werden möchte als der 16-jährige Schüler, sondern auch andere Fragen hat an Gott, die Welt und all die anderen Themen, die in GleisX eine Rolle spielen.

Auf dem „Fahrplan“ steht ein Stück Weggemeinschaft

Das Bild vom X als Kreuzung ist hier allgegenwärtig, abgeleitet vom Schienennetz des nahen Gelsenkirchener Hauptbahnhofs. „Wir fahren ein Stück mit dir“, heißt es auf der Homepage. Auf dem „Fahrplan“ steht der monatliche „GleisZeit“-Gottesdienst, der „Lautsprecher“-Chor oder das „GleisKlang“-Mitsing-Konzert. Meistens geht’s um eine kurze Weggemeinschaft – kein womöglich lebenslanges Miteinander, wie es früher mal das klassische christliche Gemeindebild vorsah. „Eigentlich sind wir ein Individualisten-Ort“, sagt Janina. Jeder der kommt, ist "hochwillkommen", darf aber nach Gottesdienst, Konzert oder Kinoabend auch wieder gehen, ohne gleich „Wann kommst du wieder?“, gefragt zu werden. Janina sagt „eigentlich“, weil sich das Gäste-Gefüge in den vergangenen Jahren ein wenig verändert hat. Für GleisX ist es neu, dass nun manche nach dem Gottesdienst noch auf ein Getränk beisammenbleiben. Diese zaghafte Form von Gemeinschaft „ist durch Corona gewachsen“, sagt Janina. Die, die in der Pandemie alles allein machen mussten – ohne Eltern, ohne Partner, ohne enge Freunde – trinken jetzt manchmal eine Cola nach dem „GleisZeit“-Gottesdienst. „Die wollen da nicht unbedingt neue Freunde finden“, erklärt Janina, „sondern einfach nur mal wieder über den Tellerrand des eigenen Lebens schauen“.

Dass Janina die Chefin im GleisX-Team ist, ist auch so ein „anders“-Ding, weil erst nach und nach immer mehr Frauen Leitungsaufgaben in der Kirche übernehmen. In GleisX haben sie da kein großes Thema draus gemacht, sondern es ziemlich pragmatisch geregelt: Als Christoph Werecki, der einzige Priester und bisherige Team-Leiter, wegen immer neuer Aufgaben immer weniger Zeit für die Seelsorge hatte, haben sie gemeinsam im Team eine neue Lösung gesucht. Nun leitet die Sozialpädagogin Janina das Team mit Christoph, dem Theologen Jakob Kamin und der Gemeindereferentin Conni Weßel, die als junge Mutter gerade eine Eltern-Auszeit nimmt. Diese vier Seelsorge-Profis sind wichtig für GleisX, „weil wir hier alles hauptamtlich steuern“, sagt Janina – noch ein Unterschied zur gewöhnlichen Kirchengemeinde. „Die Leute können hier einfach nur konsumieren.“ Und Jakob ergänzt: „Hier wir niemand festgehalten und bekommt gleich eine Aufgabe.“ Diesen Grundsatz gebe es in GleisX schon seit den Gründerzeiten vor zehn Jahren.

Generalvikar Pfeffer hat Jugendkirchen seinerzeit mit entwickelt

Klaus Pfeffer, der heutige Generalvikar des Bistums Essen, hat die Entwicklung der „Jugendkirchen“ seinerzeit als Jugendseelsorger für das Bistum mitgestaltet. „In Gelsenkirchen gab es damals ein großes Interesse, einen solchen Ort zu schaffen, der auch so etwas wie ein Zentrum für die Jugendpastoral werden sollte“, erinnert er sich heute. „So entstand das Philipp-Neri-Zentrum, aus dem dann GleisX hervorging, an dem heute ganz kreativ und lebendig Christsein und Kirche gelebt wird.“ Es mache ihn „auch ein wenig stolz, dass Ideen, die vor einigen Jahrzehnten geboren wurden, sich so nachhaltig weiterentwickelt haben“. Die Kirche der Zukunft lebe durch solche besonderen Orte, „an denen junge Menschen und Menschen mit einer jugendlichen Offenheit ihren Glauben leben - offen, mutig, kreativ und sehr weit“.

Angebote für Schulklassen, Firm- und Jugendgruppen

Wer mit seiner Schulklasse, Jugendgruppe oder in der Firmvorbereitung GleisX kennenlernen und sich dort rund zwei Stunden lang mit einem konkreten Thema beschäftigen möchte, ist herzlich eingeladen. Das kostenlose Angebot richtet sich an Gruppen ab der 10. Klasse (16 Jahre).

Wenn GleisX ein Vorgeschmack auf die Kirche der Zukunft ist, dann wohl vor allem auf eine Kirche im ständigen Wandel: Immer wieder gestalten das Team den Kirchenraum um, neue Farben und Formen stehen dann für neue Themen und Angebote. Als vor einem Jahr eine Zeitlang weniger Gäste zur „GleisZeit“-Messe kamen, wurde diese kurzerhand aus dem Stuhl-Oval in den kleinen Chorraum verlegt, um auch in kleiner Runde intensiv miteinander feiern zu können. Anstatt wöchentlicher Messen feiert die junge Gemeinde zudem mittlerweile an jedem ersten Sonntagabend eines Monats. Zwischendurch gibt es verschiedene andere spirituelle Angebote, wie den Picknick-Gottesdienst auf der Halde oder das „Kerr, watt schön!“-Heft, das die jungen Leute über den Sommer mit Text-Impulsen zu eigenen Entdeckungstouren im Ruhrgebiet eingeladen hat.

Wie bei der Bahn gilt das aktuelle Programm bis zum nächsten Fahrplanwechsel – und manchmal stehen auch größere Baustellen an. Im Herbst startet ein neuer Prozess „wo wir mal alles in die Luft werfen und schauen, was wir wieder auffangen“, beschreibt es Jakob. Welche Angebote sind noch zeitgemäß? Muss GleisX noch stärker im digitalen Raum präsent sein? Was findet künftig in der Kirche statt, was woanders? Nur indem sie immer mal wieder gedanklich alles auf den Kopf stellen, könnten sie am Puls der Zeit bleiben „und unserem Auftrag gerecht werden, ein Angebot für junge Menschen zu schaffen, das wirklich in deren Lebenswelt passt“, betont Janina.

Ansprechpartnerin in GleisX

Jugendreferentin

Janina Keßler

Stolzestr. 3a
45879 Gelsenkirchen

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen