von Thomas Rünker

Wie in katholischen KiTas Glauben gelebt wird

In einer besonderen Fortbildung lernen Erzieherinnen und Erzieher des KiTa-Zweckverbands im Bistum Essen, wie man mit Kindern über Glaubensthemen spricht. Das ist gerade dann hilfreich, wenn es um existenzielle Fragen geht – etwa um Krieg und Frieden. Ein Besuch in der KiTa St. Franziskus in Bochum-Riemke.

In Israel ist Krieg. In der Ukraine auch. Und in Bochum-Riemke? Da sitzen die Kinder der KiTa St. Franziskus im Altarraum der Kirche in einem Kreis auf dem Boden und schauen auf Puppen und auf bunte Tücher. „Da sind ganz viele Menschen!“, ruft ein Junge, als Erzieherin Dorothee Albers fragt, was die Kinder vor sich sehen. „Und ein Esel“, ergänzt ein Mädchen. „Und ein Haus!“ Den Esel und das mit einem Holzbogen samt Palme angedeutete Haus kennen die Kinder schon aus den Bibel-Geschichten, die Albers häufig mit den Kindern spielt. Auch heute möchte sie „von dem Land erzählen, in dem die Stadt Jerusalem liegt“, sagt Albers. Doch heute geht es nicht um die Zeiten, in denen Jesus oder Abraham gelebt haben, sondern um die Gegenwart. Und dann lenkt die Erzieherin den Blick der Kinder auf die Puppen. Es dauert einen Moment, dann sagt ein Kind: „Die gucken sich gar nicht an!“ Albers hat die Puppen so auf die Tücher gesetzt, dass sich alle den Rücken zuwenden. „Das ist doch doof“, melden sich die Kinder zu Wort. „Da kann man doch gar nicht miteinander reden!“ So erklärt die KiTa-Leiterin den Drei- bis Sechsjährigen, wie Krieg entsteht.

„Gott hat uns die Welt geschenkt – da müssen wir uns doch nicht darüber streiten“

„Mir ist wichtig: Was passiert in der Welt, was nehmen die Kinder wahr? Das nehmen wir auf und machen es zum Thema“, beschreibt Albers ihre Arbeit. Das macht die Erzieherin nicht nur, weil St. Franziskus eine katholische KiTa ist, sondern auch, weil sie eine von mittlerweile rund 180 Erzieherinnen und Erziehern im KiTa-Zweckverband des Bistums Essen ist, die in einer besonderen Fortbildung zu Religionsbeauftragten qualifiziert worden sind. Mit Kindern über Gott und Glaubensthemen zu sprechen – und das Ganze mit dem Leben im Hier und Jetzt zu verbinden, ist da das große Thema. So wie im Sitzkreis in der Kirche: „Wer hat die Welt gemacht?“, fragt Albers. „Gott!“, rufen die Kinder wie aus einem Mund. „Genau“, sagt Albers, „Gott hat uns die Welt geschenkt – da müssen wir uns doch nicht darüber streiten.“ Und dann geht’s noch mal konkret um Israel und Palästina, und dass die Menschen dort „ganz viele verschiedene Dinge glauben“, wie Albers es erklärt. Dass man auch um Glaubens-Fragen nicht streiten muss, das kennen die Kinder: „In der KiTa glauben wir doch auch verschiedene Sachen.“

Die wenigsten Familien sind katholisch

Von den 40 Familien in der zweigruppigen KiTa im Bochumer Norden sind die wenigsten katholisch. „15 sind christlich, die anderen sind überwiegend muslimisch“, beschreibt die Leiterin das religiöse Miteinander. Albers ist froh, dass auch diese Realität in der Fortbildung thematisiert wurde. Im KiTa-Alltag spielten die unterschiedlichen Glaubens-Hintergründe indes kaum eine Rolle. Klar ist: Vor dem Essen wird gebetet. „Dabei zwinge ich niemanden, ein Kreuzzeichen zu machen.“ Manche muslimischen Kinder hielten sich zum Beispiel die Hände vors Gesicht. Und den gegenseitigen Respekt, während des Gebets zumindest still abzuwarten, bevor man nach dem Essen greift, den bringen die KiTa-Erzieherinnen allen Kindern bei. „Wenn wir beten, beten wir vor allem zu Gott“, erklärt Albers. Das funktioniert für christliche wie muslimische Kinder gleichermaßen und klammert theologische Grundsatzfragen über die Dreifaltigkeit mit Jesus und dem Heiligen Geist aus. Beim regelmäßigen – freiwilligen – Besuch der Kirche gleich neben der KiTa seien im Übrigen besonders viele muslimische Kinder mit dabei, berichtet Albers.

Die sind jetzt auch dabei, wenn die Kinder im Sitzkreis im Altarraum aufstehen und zur Seitenkapelle gehen. Nach zwei Liedern darf nun jedes Kind vor der Marienfigur eine Kerze entzünden, für alle Menschen, die unter dem Krieg in Israel und Palästina leiden – „und für die Ukraine“, wie ein Junge ruft, der mit seiner Mutter aus dem überfallenen Land nach Bochum geflüchtet ist und nun ebenfalls in die KiTa St. Franziskus geht. Kaum müssen Albers und ihre Kolleginnen die Kinder bei den Kerzen unterstützen, ganz vorsichtig, ganz andächtig sind die meisten, wenn ihr Licht vor der Marienfigur erstrahlt.

Viertägige Qualifikation zu Religionsbeauftragten

In einer viertägigen – freiwilligen – Fortbildung können sich alle pädagogischen Mitarbeitenden des KiTa-Zweckverbands zu Religionsbeauftragten qualifizieren lassen. Angesichts der Veränderungen in der Gesellschaft und in der Kirche bekomme diese Weiterbildung eine immer größere Rolle, sagt Religionspädagogin Nicole Back, die gemeinsam mit Katarina Topalovic die Kurse leitet. „Deshalb wird diese Qualifizierung auch langfristig fester Bestandteil unseres Fortbildungsprogramms sein. Als katholischer Träger ist es uns ein Anliegen, unser katholisches Profil zu stärken und im KiTa-Alltag zu vermitteln und praktisch zu leben“. Seit 2015 wurden bereits rund 180 Mitarbeitende des KiTa-Zweckverbands für religionspädagogische Angebote in der KiTa qualifiziert. „Die ausgebildeten Religionsbeauftragten leisten eine qualifizierte religionspädagogische Arbeit. Sie gehen auf die Lebenswirklichkeit der Kinder ein und bringen ihnen Werte, Rituale und das christliche Leben nahe“, so Back.

Hier sind Kirchen-Routiniers am Werk

Keine Frage, hier sind Kirchen-Routiniers am Werk. Auch, weil Albers einen Schlüssel zur Kirche, viel Vertrauen der Verantwortlichen und einen so engen Draht zu Küstern und Seelsorge-Team hat, dass sie weiß, wann gerade keine Messfeier oder Beerdigung stattfindet, sind Kinder und Erzieherinnen regelmäßig im Gotteshaus. Den meisten Kindern gefällt es dort. Manchen sogar so gut, dass sie ihren Geburtstag lieber dort feiern möchten als an einem Lieblingsort in der KiTa. Daneben gebe es aber auch in der KiTa „Religiöse Runden“ mit Geschichten, Liedern und Gebeten, berichtet Albers. Egal ob Kirche oder KiTa. Wenn’s „religiös“ wird, ist die Kerze wichtig. „Ist die Kerze an, ist Gott da“, beschreibt sie die Symbolik. Symbole, Methoden, die passenden Bücher und jede Menge weiteres religionspädagogisches Rüstzeug habe sie aus der Fortbildung des KiTa-Zweckverbands mitgenommen. Und ganz viel Sicherheit. „Natürlich könnt ihr die Kinder segnen!“, habe ein Referent den Kursteilnehmenden versichert, die diese Aufgabe bislang nur beim Pastor sahen.

Gerade angesichts immer weniger hauptberuflicher Seelsorgerinnen und Seelsorger würden die katholischen KiTas zu immer wichtigeren Glaubensorten, beschreibt KiTa-Chefin Albers ihre Wahrnehmung und ihre Motivation für das große Engagement bei diesem Thema. Das ist zudem nicht nur auf den KiTa-Alltag beschränkt: Regelmäßig feiert die KiTa auch gemeinsam mit der Gemeinde Sonntagsgottesdienste. Natürlich käme da nur ein kleiner Teil der KiTa-Familien, sagt Albers – und doch stärkten die gemeinsamen Gottesdienste die Verbindung zwischen Gemeinde und KiTa, betont sie. Erst recht, wenn die Kinder dann Mama, Papa, Oma und Opa stolz zeigen können, wo sie am Marienaltar eine Kerze angezündet haben – damit sich die Menschen nicht mehr so viel streiten.

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