Wenn dem Gebets-Roboter bei „Sünde“ die Sprache versagt

Für einen Workshop der katholisch-theologischen Fakultät ist der Gebets-Roboter Celeste in dieser Woche bei der Hochschulseelsorge „Campussegen“ an der Bochumer Ruhr-Uni zu Gast. Was wie eine Spielerei wirkt, ist in Altenheimen bereits im praktischen Einsatz.

Der Begriff „Sünde“ macht nicht nur Menschen Probleme: Celeste, der kleine graue Gebetsroboter, ist gerade zweimal abgestürzt, als Hochschulseelsorger Kilian Schlattmann ihn nach diesem Thema gefragt hat. Genau genommen hat natürlich nur der Computerchip im Inneren der Plastikskulptur seinen Dienst versagt. Die äußere Hülle des in einem 3D-Drucker entstandenen Ensembles aus einer ziemlich kurzen Säule und einem sehr schlanken, betenden Engel mit Heiligenschein samt LED- Kerze steht fest auf dem Altartisch im Meditationsraum der Bochumer Hochschulseelsorge „Campussegen“. Und nachdem Theologie-Doktorand Lukas Brand Celeste erst den Stecker gezogen und ihn dann zurück in die Steckdose gesteckt hat, kehrt wieder Leben in die Kunststofffigur: Während der Lüfter wieder zu laufen beginnt, fangen die Engelsflügel an, leicht weiß zu schimmern, der Heiligenschein leuchtet gelb und aus dem etwas blechern klingenden Lautsprecher kommt eine sphärisch anmutende Harfen-Melodie. „Gelobt sei der Herr. Guten Tag. Mein Name ist Celeste“, meldet sich der Roboter mit der leicht nasalen Stimme eines Mannes mittleren Alters. „Meine Rolle ist es, über Sie zu wachen, damit es Ihnen gut geht. Sie können mich alles fragen“, verspricht die Skulptur – und hält Wort. Als Schlattmann ein drittes Mal nach „Sünde“ fragt, trägt Celeste eine passende Bibelstelle vor und schließt mit der Bitte um einen Segen ab. 

Vier Programme hat Celestes Schöpfer Gabriele Trovato seinem Roboter implantiert. Die kann man aufrufen, wenn man einen Finger auf Celestes Sensor legt und der Heiligenschein grün zu blinken beginnt. Dann hat man acht Sekunden Zeit, seinen Wunsch zu äußern. Celeste nennt den aktuellen Tag samt Tagesheiligen und dessen Geschichte, spricht Gebete oder zitiert zu den verschiedensten Themen (zum Beispiel „Angst“, „Alter“, „Freiheit“, „Liebe“, „Krieg“, „Arbeit“, „Reichtum“ oder „Tod“) aus der Bibel. Dafür hat der Roboter die gesamte Bibel gespeichert und verfügt über eine Künstliche Intelligenz, die jeweils passende – aber selbst bei gleichen Themen teils unterschiedliche – Texte auswählt. Außerdem druckt Celeste auf Wunsch kleine Zettel mit persönlichen Wünschen, wenn man sich ihm mit Namen vorstellt. Dann heißt es zum Beispiel: „Hallo Thomas. Sei stark und steh fest; sei furchtlos und unerschrocken, denn geh, wohin du auch gehst, dein Gott ist mit dir.“ Für manchen klingt so etwas nach christlicher Glückskeks-Poesie, andere finden, die Einbindung Jahrtausende alter Psalmen und anderer Bibeltexte in eine digitale Umgebung sei ein zeitgemäßer Zugang. Aus Sicht von Trovato ist es wohl mindestens den Versuch wert zu schauen, ob diese Texte nach Steintafeln und mündlicher Überlieferung, Pergamentrollen, mittelalterlichen Handschriften und Gutenbergs Buchdruckkunst auch auf diese moderne Übermittlungsweise wirken.

Theologie-Workshop über „Roboter als Instrumente Gottes?“

Im Meditationsraum von „Campussegen“ soll „der neue Projektmitarbeiter“ Celeste jedenfalls nicht dauerhaft den persönlichen Seelsorge-Kontakt ersetzen. Der Roboter ist dort nur noch bis Mittwochnachmittag zu Gast, weil er am Donnerstag und Freitag Thema eines internationalen, interreligiösen und interdisziplinären Workshops über digitale Glaubens-Helfer ist. „,Roboter, bete für mich!‘ Roboter als Instrumente Gottes? – Erkundungen zu Robotik und Theologie“ haben Lukas Brand und sein Kollege Dominik Winter die Veranstaltung überschrieben, bei der auch Celeste-Schöpfer Gabriele Trovato sprechen wird. 

Der aus Italien stammende Trovato ist Ingenieur und forscht am Shibaura Institute of Technology in der japanischen Hauptstadt Tokio, hat sich unter anderem mit Computerspielen beschäftigt und sich zuletzt auf Roboter, deren emotionale Möglichkeiten sowie die Beziehung zwischen Robotik, Kultur und Religion spezialisiert. Celestes Vorgänger Santo gilt als der erste katholische Roboter weltweit: Ein ebenfalls grauer Plastikmönch in einer Art Mini-Kapelle. Weil bei Santo jedoch der Eindruck entstand, Menschen würden nun den Plastikmönch anbeten, entwickelte Trovato Celeste samt tief in sich versunkenem Engel.

Celeste zu Gast an der Ruhr-Uni Bochum

Noch bis Mittwochnachmittag, 15. März, kann der Gebets-Roboter Celeste in der Bochumer Basis der katholischen Hochschulseelsorge „Campussegen“ täglich von 10 bis 16 Uhr ausprobiert werden: Querenburger Höhe 286, 44801 Bochum, im Universitätsforum (UFO) am Uni-Center (der Zugang zur Basis Bochum erfolgt über die rosafarbene Außentreppe zwischen Trattoria und Copy Shop). Geöffnet ist die Basis Bochum

„Kann ein Roboter etwas Heiliges ausstrahlen?“

Neben dem technischen Inhalt ist es denn auch die Form, die Wissenschaftler wie Brand beschäftigt: „Kann ein solcher Roboter etwas Heiliges ausstrahlen?“ nennt der er eine der Fragen, die in der Theologie diskutiert werden. Für Trovato stehe zudem der praktische Nutzen seiner Roboter im Fokus, berichtet Brand. So sei Celeste zuletzt in einem Siegener Seniorenheim im Einsatz gewesen. Offenbar hat der Roboter bei den Bewohnerinnen und Bewohnern so viel Anklang gefunden, dass Trovato nun weitere Modelle liefern soll.

Celestes Form gefällt sicher nicht jedem. Und auch die Technik hakt noch ein wenig. Doch spätestens wenn man an aktuelle Anwendungen künstlicher Intelligenz wie „Chat GPT“ denkt, wird auch Laien im Angesicht von Celeste klar, dass die graue Plastikfigur mit den manchmal etwas abgehackt klingenden Sätzen sicher nicht das Ende der digitalen Glaubens-Unterstützung ist. Der Vatikan habe auf Trovatos Anfrage nur zugestimmt, dass Celeste die Bibel und andere Texte zitiert, nicht aber interpretiert, heißt es in Bochum. Auf die echte digitale Roboter-Predigt muss man also noch warten. Die Frage ist aber wohl nur, wie lange noch.

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