Weltjugendtag: Papst feiert Abschluss-Messe mit 1,5 Millionen Menschen
Mit zwei Gottesdiensten mit Papst Franziskus und rund 1,5 Millionen Teilnehmenden ist am Wochenende auch für die Gruppe aus dem Bistum Essen der Weltjugendtag in Lissabon zu Ende gegangen. Seit Montag waren die 57 jungen Leute aus dem Ruhrbistum in der portugiesischen Hauptstadt, um gemeinsam mit den Teilnehmenden aus aller Welt ihren Glauben zu feiern, zu beten zu singen, zu diskutieren und dabei auch Lissabon aus nächster Nähe zu erleben. Das Wochenende mit zwei Gottesdiensten mit dem Papst samt Übernachtung unter freiem Himmel ist traditionell der Höhe- und Schlusspunkt der Weltjugendtage, den die Teilnehmenden der 37. Auflage des katholischen Großevents am Ufer des Tejo erleben durften, der bei Lissabon in den Atlantik fließt.
Auch wenn sie hunderte Meter von der Bühne entfernt gewesen seien „war es ein einzigartiges Event, vor Ort mit dabei zu sein“, bilanziert der Essener Messdiener Julian Spee am Sonntag, als die Gruppe müde und erschöpft vom Gottesdienst-Gelände zurück in ihr Quartier zog. Immerhin hätten sie über Großbildleinwände das Allermeiste mitbekommen und Papst Franziskus sogar ganz aus der Nähe gesehen: „Wir hatten Glück, dass direkt vor unserem Lagerplatz eine Wendestelle war, an der das Papamobil drehen musste“, sagt Julian.
Kurze, einfache Botschaften von Papst Franziskus
Für Papst Franziskus war der Weltjugendtag in Lissabon nicht nur der erste nach der Corona-Pandemie, sondern auch die erste Reise nach seiner schweren Darm-OP. Beobachtern zufolge gelang es ihm auf dem Weltjugendtag vor allem mit kurzen, einfachen Botschaften, die jungen Menschen zu erreichen. „Gott liebt uns, wie wir sind“ oder „Hinfallen ist nicht schlimm - man darf bloß nicht liegenbleiben“, rief er den Teilnehmenden zum Beispiel am Samstagabend beim Vigil-Gottesdienst zu. Am Sonntag bei der Abschlussmesse wiederholte er immer wieder: „Fürchtet euch nicht!“ Ein weiterer Satz, den er während des mehrtägigen Riesenereignisses mehrere Male wiederholte, war: „Die Kirche hat Platz für alle. Alle, alle, alle!“
Mehrfach wich Papst Franziskus bei seinen zahlreichen Terminen auf dem Weltjugendtag stark von seinen Rede- und Predigtmanuskripten ab und kürzte deutlich – ihre Wirkung verfehlten seine Worte dennoch nicht: „Gibt es Dinge in meinem Leben, die mich zum Weinen bringen?", fragte Franziskus zum Beispiel überraschend die Jugendlichen am Freitagabend beim großen Weltjugendtags-Kreuzweg. Vielen kamen in diesem Moment die Tränen. So machte der Papst mit nur wenigen Worten die 14 Stationen vom Leiden und Sterben Jesu auch für Menschen begreifbar, die bislang wenig Erfahrung mit der Glaubenspraxis des Kreuzwegs haben.
„Tolles Miteinander der Pilgergruppen aus aller Welt“
Für den Essener Messdiener Julian war der Weltjugendtag „definitiv ein Abenteuer“. Nachhaltig beeindruckt habe ihn „das tolle Miteinander der Pilgergruppen aus aller Welt“. Egal ob bei den Mammut-Gottesdiensten am Wochenende oder beim gemeinsamen Warten an der Essensausgabe: Überall habe es Gelegenheiten gegeben, sich auszutauschen oder zusammen zu spielen.
Seit Mittwoch war auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in Lissabon mit dabei. Gemeinsam mit der Gruppe aus dem Ruhrbistum sowie mit Soldatinnen und Soldaten – Overbeck ist auch der deutsche Militärbischof – feierte er Gottesdienste, sprach in Katechesen mit den jungen Gläubigen über Glaubensthemen und lud die Gruppe zu einem gemeinsamen Essen ein. Im Interview spricht Overbeck über die große Nachdenklichkeit, die er beim Weltjugendtag bei vielen jungen Menschen erlebt hat, aber auch über die große Glaubensfreude:
Sie sind in Lissabon viel mit Jugendlichen ins Gespräch gekommen. Welche Themen brennen den jungen Menschen unter den Nägeln?
Bischof Franz-Josef Overbeck: Die heutige Generation ist sehr nachdenklich. Deshalb stellt sie viele existenzielle Fragen. Sie fragt nach Frieden, nach sozialer Gerechtigkeit und nach Gleichberechtigung. Gerade für die, die aus unserem eigenen Kulturkreis kommen, hat die Frage nach Geschlechtergerechtigkeit eine große Bedeutung. Diese Frage betrifft auch den Glauben und die Glaubwürdigkeit unserer Botschaft. Darüber hinaus gibt es aktuell viele Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Neben Klimagerechtigkeit gehören die Armut in vielen Ländern, Hunger, eine gerechte Verteilung von Wasser und die Frage, wie wir wieder Frieden erreichen und halten können, zu den wichtigen Themen der jungen Leute. Das alles müssen wir angehen.
Aufarbeitung, Negativschlagzeilen und sinkende Mitgliederzahlen: Die katholische Kirche ist im Umbruch. Was sagen Sie den jungen Menschen, die aus dem Herzen heraus glauben, aber mit dem Verhalten der Institution Kirche hadern?
Overbeck: Jeder Mensch, der glaubt, gestaltet sein Leben in Verbindung mit Gott. Das bedeutet, dass jeder einen Platz in der Kirche hat. Das ist mir wichtig. Das gilt sowohl für die katholische Kirche als auch für die Ökumene. Gleichzeitig bedeutet es, dass Gläubige hier alle Fragen des Lebens stellen dürfen und angenommen sind. Unser Auftrag ist nicht zu verurteilen, sondern Leben zu ermöglichen.
Nächster Weltjugendtag 2027 in Korea
Der nächste Weltjugendtag findet dann 2027 in Südkoreas Hauptstadt Seoul statt, wie der Papst am Sonntag mitteilte. Damit wird zum zweiten Mal eine asiatische Stadt Gastgeberin. In Südkorea verzeichnet die katholische Kirche seit 20 Jahren ein stetes Wachstum. Im Süden der geteilten Halbinsel stieg die Zahl der Katholiken bis Ende 2021 nach Vatikan-Angaben auf etwa 5,86 Millionen. Von den derzeit rund 52 Millionen Einwohnern Südkoreas ist also jeder neunte katholisch.
Im Herbst reisen Sie nach Rom, um gemeinsam mit einer kleinen deutschen Delegation an der Vollversammlung der Bischofssynode teilzunehmen - zum Thema „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“. Welche Anliegen junger Menschen nehmen Sie aus Lissabon mit nach Rom?
Overbeck: Ich nehme die Frage nach Gerechtigkeit mit, sowohl in sozialer Hinsicht als auch mit Blick auf die Geschlechter. Darüber haben wir in Lissabon viel gesprochen. Auch nehme ich die Frage mit, was wir als lebendig geteilten Glauben von allen Katholikinnen und Katholiken auf der Welt identifizieren können. Wir müssen uns darüber klar werden, was das für die Ökumene bedeuten soll. Der Glaube ist etwas sehr Persönliches für das Herz des Menschen und seine Existenz. Er bietet zudem eine gute Möglichkeit, Menschen zusammenzuführen - wegen der Gerechtigkeit, die für alle gilt; wegen des Evangeliums, das für alle einen Sinn haben kann. Das anzunehmen, ist ein großes Geschenk. Wir müssen daran arbeiten, genau das wieder mehr zu vermitteln.
Was nehmen Sie persönlich vom Weltjugendtag in Lissabon mit?
Overbeck: Neben den Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus meinem Bistum habe ich als Militärbischof hier in Lissabon viel mit Soldatinnen und Soldaten gesprochen. Auch bei ihnen habe ich viel Nachdenklichkeit angesichts ihrer besonderen Verantwortung erlebt. Dieses Ringen um Verantwortung und damit auch um die Ernsthaftigkeit des Glaubens hat mich beim Weltjugendtag ebenso beeindruckt wie die große Fröhlichkeit, mit der die Hunderttausenden hier ihren Glauben gefeiert haben. All diese Eindrücke nehme ich dankbar mit.