von Thomas Rünker

Sternsingerinnen aus Bochum-Wattenscheid besuchen Bundeskanzler Olaf Scholz

Als Vertreterinnen des Bistums Essen fahren vier Sternsingerinnen am Donnerstag, 5. Januar nach Berlin zum Empfang im Kanzleramt. Nach der coronabedingt kleinen Ausgabe im vergangenen Januar werden bei Scholz dann erstmals Sternsingergruppen aus ganz Deutschland zu Gast sein.

Wo soll bloß der Stern hin? „Fürs Bahnhofs-Schließfach ist der zu groß“, sagt Tale. Und die Sicherheitsleute im Bundeskanzleramt werden sich bestimmt bedanken, wenn die Jugendlichen aus Bochum-Wattenscheid ihren kunstvollen Holz-Stern mit dem langen Stil dort schon einen Tag vor dem großen Auftritt deponieren möchten. Zusammen mit mit Mariella (12), Lilly (15) und Thea (12) bildet die 13-jährige Tale die Sternsingerinnen-Gruppe, die am 5. Januar beim Empfang des Bundeskanzlers das Ruhrbistum vertritt. Und bevor sie da mit Krone, Stern und nagelneuen Gewändern den Segen fürs neue Jahr in die Regierungszentrale bringen und für Kinder-Hilfsprojekte werben, wollen sich die vier Mädchen mit ihren beiden Begleiterinnen am Vortag noch die Hauptstadt anschauen – notfalls auch mit dem Stern unterm Arm.

Aufgeregt? „Ja, schon“, sagt Tale. Wann treffe man schließlich schon mal den Bundeskanzler? Und trotz professioneller Vorbereitung durch das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ wisse man doch noch nicht so ganz genau, wie das werden wird mit 108 Sternsingerinnen und Sternsingern aus ganz Deutschland, jeder Menge Foto- und Kamerateams der Hauptstadtpresse, den Chefs von Kindermissionswerk und Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) – und eben dem Kanzler, sagen die vier Mädchen und ihre beiden Betreuerinnen aus der Wattenscheider Pfarrei St. Gertrud von Brabant.

Großer Sternsingerempfang ist Premiere für Olaf Scholz

Eine Premiere wird der Sternsingerempfang im Kanzleramt allerdings nicht nur für die Wattenscheiderinnen, sondern auch für Olaf Scholz: Nach seinem Amtsantritt im Dezember 2021 konnte im vergangenen Januar coronabedingt nur eine einzige Sternsingergruppe ins Kanzleramt kommen. Nun wird der SPD-Politiker am kommenden Donnerstag erstmals mit vollem Haus den traditionell ersten offiziellen Besuchstermin des Jahres im Kanzleramt empfangen. Noch vor Präsidentinnen, Regierungschefs und echten Königinnen geben sich dort Kinder und Jugendliche aus allen deutschen Bistümern die Ehre, um von Weihnachten zu singen, den Neujahrssegen ins Haus zu bringen und in diesem Jahr vor allem für den weltweiten Schutz von Kindern vor Gewalt zu werben.

Auch wenn den ersten konfessionslosen Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik womöglich der Inhalt der Weihnachtslieder nicht all zu sehr berührt – die weltgrößte Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder, für die die Sternsingerinnen und Sternsinger stehen, dürfte gut zu seinem politischen Programm passen. Schließlich hat Scholz zuletzt immer wieder das „Unterhaken“ und das sich füreinander Engagieren empfohlen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt gerade in Krisenzeiten zu stärken.

Die Aktion Dreiköniggsingen

An der Aktion Dreikönigssingen nehmen üblicherweise mehr als 300.000 Sternsingerinnen und Sternsinger in ganz Deutschland teil. Auch in den 40 Pfarreien des Bistums Essen machen mehrere tausend Kinder und Jugendliche mit. Jeweils um das Dreikönigsfest am 6. Januar ziehen sie als Heilige Drei Könige verkleidet von Haus zu Haus, bringen den Neujahrssegen und sammeln Spenden für notleidende Kinder in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa.

Während es 2021 und 2022 wegen der Corona-Pandemie vielerorts digitale Formate gab, soll 2023 die Begegnung an der Haustür wieder im Vordergrund stehen. Auf Wunsch bringen die Sternsingerinnen und Sternsinger mit Kreide oder als Aufkleber den Segenswunsch "20+C+M+B*23" an den Haustüren an. Die Abkürzung steht für "Christus mansionem benedicat" (Christus segne dieses Haus). Zugleich weisen die Buchstaben auf die allgemein verbreiteten Namen der drei Weisen aus dem Morgenland hin, die sich nach biblischem Bericht an einem neu aufgegangenen Stern orientierten und so nach Bethlehem zum neugeborenen Jesuskind kamen. Der Tradition nach hießen sie Caspar, Melchior und Balthasar.

Seit 2015 ist das Sternsingen Unesco-Kulturerbe. Die bundesweite Aktion gilt als die weltweit größte Hilfsinitiative von Kindern für Kinder in Not. Träger sind seit dem Start der Aktion im Jahr 1959 das in Aachen ansässige Kindermissionswerk "Die Sternsinger" und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Seit dem Start haben Sternsingerinnen und Sternsinger rund 1,27 Milliarden Euro für mehr als 77.400 Projekte zu Bildung und Gesundheit gesammelt. Zuletzt kamen 2022 rund 38,6 Millionen Euro zusammen.

Sternsingerinnen müssen drei neuer Lieder lernen

Doch bis sie in der kommenden Woche zum traditionellen Gruppenfoto neben Olaf Scholz stehen, müssen Tale, Lilly, Mariella und Thea noch ein wenig üben: „Drei Lieder müssen wir auswendig lernen“, berichtet Tale. „Und die gehören bislang nicht zu unserem Repertoire“, ergänzt Lilly. Aber dank vorab verschickter Musik-Dateien auf ihren Handys sind die vier zuversichtlich, bei der gemeinsamen Generalprobe mit allen Sternsingergruppe am Vorabend des Kanzlerempfangs den richtigen Ton zu treffen. „Notfalls üben wir noch ein bisschen im Zug“, sagt Katja Kanthack mit einem Schmunzeln. Sie wird die Gruppe zusammen mit Andrea Huber nach Berlin begleiten. Im Gepäck haben sie dann auch die nagelneuen samtigen Gewänder der St.-Gertrud-Pfarrei. Die hat ein Gemeindemitglied – eine ausgebildete Schneidermeisterin – in den vergangenen Monaten ehrenamtlich für die Wattenscheider Sternsingerinnen und Sternsinger geschneidert. „Die Kinder sind größer geworden, da waren die alten Gewänder zu klein“, sagt Kanthack. Natürlich gab’s die Gewänder nicht nur für den Kanzler-Besuch – aber nun ist die Sternsingerinnengruppe für den Termin in Berlin besonders gut ausgestattet.

Wattenscheider Gemeinde ist schon zum zweiten Mal in Berlin dabei

Dass gerade die Wattenscheiderinnen das Ruhrbistum dort vertreten, verdanken sie – neben einer Portion Glück – Gemeindereferentin Renate Aßheuer, die in St. Gertrud die Sternsingeraktion organisiert. „In den Materialien des Sternsingerwerks gibt es jedes Jahr ein Rätsel. Das habe ich im Herbst ausgefüllt und abgeschickt – und dann sind wir ausgelost worden“, berichtet sie. Aßheuer scheint dabeim ein glückliches Händchen zu haben: 2004 – damals noch unter Kanzler Gerhard Schröder – hatte das Sternsingerwerk schon einmal ihre Gemeinde als Vertretung des Ruhrbistums ausgewählt. Damals hatte Aßheuer die Wattenscheider Gruppe selbst begleitet, nun hat sie diese Aufgabe an die beiden Sternsingerinnen-Mütter Kanthack und Huber abgegeben. So kann sich Aßheuer in der kommenden Woche um die Wattenscheider Sternsingeraktion kümmern. „Wir sind am Donnerstag, Freitag und Samstag jeweils einen halben Tag unterwegs.“ Nach dem Besuch beim Bundeskanzler können die vier Mädchen also gleich in ihrer Heimatgemeinde mit dem Sternsingen weitermachen: Mit drei neuen Liedern im Repertoire – und ihrem weitgereisten Stern.

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