Rund 800 Gläubige beten mit Bischof Overbeck den Karfreitagskreuzweg auf der Halde Haniel
800 Gläubige folgen Bischof Overbeck beim Karfreitagskreuzweg auf die Halde Haniel
Bischof Overbeck predigt über die Suche nach Wahrheit
Künstlerisch gestaltete Kreuzwegstationen verbinden das Leiden Christi mit der Tradition des Bergbaus
Wer am Freitagmorgen eine der wohl ungewöhnlichsten Kar- und Ostertradtionen des Ruhrgebiets begleiten wollte, musste vor allem auf wetterfeste Kleidung setzen. Trotz kräftiger Regenschauer folgten rund 800 Menschen Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, beim 30. Karfreitagskreuzweg auf die Halde Haniel. Begleitet von Mitgliedern der Bottroper Ehrengarde Prosper-Haniel, der eucharistischen Ehrengarde St. Johannes aus Bottrop-Boy, verschiedenen KAB-Gruppen und Seelsorgerinnen und Seelsorgern der Oberhausener und Bottroper Pfarreien zogen Gläubige aus den verschiedensten Ruhrgebietsstädten von der ehemaligen Schachtanlage Franz Haniel betend und singend hinauf auf eine der höchsten Halden im Revier. Unterwegs passierten sie die 15 Kreuzwegstationen, die in einzigartiger Weise die Geschichte des Leidens und Sterbens Jesu mit der Arbeitswelt des Steinkohlenbergbaus und sozialen Fragen des Ruhrgebiets verbinden.
„Der Kreuzweg auf der Halde Haniel bietet an Karfreitag einen wichtigen Ankerpunkt für die Menschen in der Region“, sagte Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung. „Die große Beteiligung macht auch heute wieder deutlich: Die Verbindung der ehemaligen Bergleute mit ihrem Bergwerk und ihrer Halde ist ungebrochen. Diese Tradition führen wir als RAG-Stiftung gerne weiter.“ Gemeinsam mit den beiden katholischen Stadtdekanaten Bottrop und Oberhausen, dem Bistum Essen und der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) im Bistum Essen ist die RAG-Stiftung im Verein Karfreitagskreuzweg auf der Halde e. V. verbunden, der sich seit 2018 für den Erhalt des Kreuzwegs auf der Halde und der besonderen Karfreitagstradition im Ruhrgebiet einsetzt.
Die Fragen aller Fragen ist heute aktueller denn je
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„Was ist Wahrheit?“, zitierte Bischof Overbeck in seiner Predigt bei der Andacht auf dem Haldenplateau am Ende des Kreuzwegs Pontius Pilatus, der im Bericht des Evangelisten Johannes im Prozess gegen Jesus diese Frage stellt – ohne auf eine echte Antwort zu warten. Es sei „die Frage aller Fragen“, die heute aktueller sei denn je. „Die Zeiten, in denen wir leben, drängen danach, mehr nach der Wahrheit zu suchen und zugleich auszuhalten, dass sie sich im paradoxen Sinne oft nicht nur einsinnig und eindeutig beantworten lässt.“ Oftmals werde die Frage nach der Wahrheit daher bewusst verschwiegen, so der Bischof. Beispielhaft verwies er auf die Themen Energie, Gerechtigkeit, Armut und Not und auf „die vielen ethischen Fragen bei den ungeheuren Entwicklungen von Medizin und Pflege im Blick auf das Lebensende und den Lebensanfang! Überall gibt es eine einzige Frage, auf die sich alles zuspitzt, nämlich die Wahrheitsfrage, die mit der Frage nach der Würde des Menschen zu tun hat“, betonte der Bischof.
Jesu Wahrheit könne indes „nicht an den Maßstäben dieser Welt allein gemessen werden“. Sie bediene sich nicht der Mittel weltlicher Herrschaft, „insbesondere nicht der Gewalt, wie Jesus sehr ausdrücklich sagt“, hob der Bischof hervor. Echte Wahrheit sei „Licht, Leben, Freiheit, Geist, Herrlichkeit und Gnade“, sagte Overbeck und fragte die Gläubigen: „Können wir damit umgehen, dass das unser Leben bestimmt? Dass es um schöpferische Kraft und Macht geht, mit der wir als Christinnen und Christen unseren Beitrag zur Gestaltung der Welt leisten und gleichzeitig auch zur beständigen Innovation des Lebens beitragen im Heute und Morgen, damit nicht alles im Staub von Gestern versinkt?“
Der Kreuzweg auf der Halde Haniel
Die 15 Kreuzwegstationen, die von der verstorbenen Künstlerin und Ordensfrau Tisa von der Schulenburg (Schwester Paula), dem Oberhausener Künstler Adolf Radecki sowie Auszubildenden und ihren Ausbildern des Bergwerks Prosper-Haniel geschaffen wurden, gelten als einzigartig in ihrer Art und Präsentation. Jede Station besteht aus einer Kupfertafel mit einer Darstellung der Leidensgeschichte Christi und einem Element aus der Arbeitswelt des Bergbaus. Ergänzt werden sie durch Schrifttafeln mit Aussagen bekannter Persönlichkeiten der Kirche.
Es sei Jesus Christus selbst, „der uns durch diese seine Wahrheit zur Freiheit befreit und uns zugleich befähigt, Menschen zu sein, die sich von Unrecht berühren lassen und deswegen auch Kräfte mobilisieren, Widerstand gegen unmenschliche Praktiken und Ideologien zu leisten“. Dies gehe bis zur „positiven kreativen Fähigkeit von Zorn, wie wir ihn auch von Jesus bei der Tempelaustreibung kennen“. Dies sei niemals gegen die Toleranz gerichtet, sondern helfe, „dass wir um unserer Freiheit willen genau für diese Wahrheit Zeugnis geben. Im Einsatz für eine robuste Demokratie, genauso wie für die Rechte und Werte, die uns alle Menschen achten lassen und nicht das Heil darin sehen, Menschen auszuschließen, wegzuschicken und ihnen nicht das zu gewähren, was für ein menschenwürdiges Leben notwendig ist.“ Letztlich gehe es um Solidarität, so Bischof Overbeck: „Uns den Nächsten zuzuwenden, vom Leid anderer Mensch nicht die Augen zu verschließen, sondern uns mit ihnen zu solidarisieren, für ihre Rechte einzutreten und schließlich darin immer wieder Menschen der Hoffnung zu sein.“