Pilgerweg-Extratour im Sauerland eröffnet
Kräftig weht die Sommerluft durch die glänzenden Speichen des Windrads am Geländer, sie reflektieren die Sonnenstrahlen, die auf die Dachterrasse der Phänomenta scheinen. Von hier oben können Pilger schon einen ersten Blick auf die Vielseitigkeit der Extratour werfen: Ganz nah der Asphalt zwischen den Lüdenscheider Wohn- und Geschäftshäusern, weiter hinten erhebt sich das Grün der Wälder und kleinen Berge des Sauerlands.
Die ersten Schritte auf der neuen Route des Pilgerwegs gehen die Bürgermeister Andreas Hollstein und Dieter Dzewas, Kämmerer Stefan Kemper, Landrat Thomas Gemke, Phänomenta-Geschäftsführer Torsten Schulze, Pfarrer Ulrich Schmalenbach aus Altena sowie Domkapitular Michael Dörnemann und Projektleiter Karl-Heinz Leibold gemeinsam.
Eine Reiseroute für den Heimaturlaub
Fünf Strecken verbinden den Essener Dom mit Meinerzhagen, Duisburg, Oberhausen, Gelsenkirchen oder dem Essener Süden – mit der Extratour im Sauerland ist nun ein rund 17 Kilometer langer Abstecher hinzugekommen. „Auch für uns ist es immer wieder eine Herausforderung, zu schauen, wie wir die Menschen erreichen, die unsere Angebote gerne nutzen, sich aber eben nicht an die Institution Kirche binden wollen“, sagt Michael Dörnemann, Domkapitular und Pastoraldezernent im Bistum Essen. „Gerade in diesem Sommer, in dem viele Menschen wegen der Corona-Krise nicht weit verreisen können oder wollen, ist es doch eine gute Möglichkeit, hier auf dem Pilgerweg unterwegs sein zu können – auch um neue Kraft und Zuversicht zu tanken.“
Ein kurzer Gang über den Friedhof, dann führt der Pilgerweg durch die schmalen Straßen der Wohnsiedlungen. Auch Brigitta Gottmann hat sich der Gruppe angeschlossen. Sie pilgert gerne in ihrer Freizeit, um die Gedanken kreisen zu lassen, einfach mal rauszukommen. „Ich bin ganz ehrlich: Hier war ich auch noch nicht“, sagt die 81-Jährige, die seit über 65 Jahren in Lüdenscheid wohnt. „So steil hätte ich mir den Anfang nicht vorgestellt, obwohl ich die Gegend hier ja kenne.“ Dann ist der erste Anstieg geschafft, der Untergrund wechselt zum ersten Mal von Asphalt zu weichem Waldboden. Am Lenneteich geht es ein kurzes Stück durch die grünen Ecken der Innenstadt.
„Das bereichert die Wanderregion hier sehr“
Kurz darauf schlängelt sich der Weg ein zweites Mal durch eine ruhige Wohnsiedlung, doch dann ist der Blick auf die Sauerländer Felder und Berge frei. Das für diese Tour extra entworfene weiße Schild mit der magentafarbenen Schrift zeigt auf Bäumen oder Pfählen immer wieder den richtigen Weg an. Für Landrat Thomas Gemke ist die neue Tour eine weitere wichtige Verbindung zwischen Ruhrgebiet und Sauerland. „Ich finde es sehr gut, dass das Bistum die Initiative ergriffen hat, diesen Abzweig zu machen. Das bereichert die Wanderregion hier sehr“, sagt Gemke, der auch Präsident des Sauerländischen Gebirgsvereins (SGV) ist.
Auf halber Strecke kommt der Wandergruppe eine Mutter mit ihrem Sohn entgegen. Ein kurzer Gruß, dann ruft sie: „Wir laufen den Drahthandelsweg!“ Über den Pilgerzeichen des Bistums ist das weitere Wegschild deutlich zu erkennen: Genau parallel verlaufen diese beiden Wanderwege, am Wegrand erklären runde Infotafeln die Industriegeschichte der Region. Dort, wo um 1800 mit Pferdekarren Draht aus Lüdenscheid und Altena transportiert und anschließend in den Osten, europäische Nachbarländer oder nach Amerika exportiert wurde, erklingt heute ein gleichmäßiges Rauschen der Autos und Lkw unterhalb des Wegs: Die Sauerlandlinie A45 – der moderne Handelsweg der Region.
Über Wurzeln, Moos, Steine und kleine Bachläufe
Doch nicht nur Händler waren auf dieser Route unterwegs, auch Gläubige machten sich damals oft auf den Weg. „Früher kamen die katholischen Christen aus Lüdenscheid über den Berg nach Altena zum Gottesdienst“, weiß Stefan Kemper, Vorsitzender des Katholikenrats Altena-Lüdenscheid. In Zukunft soll es auf der Hälfte der Strecke auch einen spirituellen Pausenpunkt geben, sagt er. Wie genau der aussieht, stehe aber noch nicht fest. Nur so viel: Etwas mit der Symbolik des Wassers soll es sein.
Nach der Autobahnbrücke geht es für die Pilger dann richtig ins Grüne. Zwischen dichten Bäumen und Sträuchern führt der Weg über Wurzeln, Moos und Steine, mal steil bergab, über kleine Bachläufe wieder bergauf. Einige Kurven später geht der Blick wieder in die Weite: Die Fuelbecketalsperre in Altena ist nach rund sieben Kilometern erreicht. Brigitta Gottmann schaut von oben auf das Wasser. „Früher waren hier ganz viele Schildkröten, die man nah betrachten konnte“, weiß sie von dem Teil des Pilgerwegs, den sie wieder sehr gut kennt. Auf weiteren zehn Kilometern führt der Weg die Pilger von hier aus bis in die Innenstadt von Altena. Auf der Strecke können sie zum Beispiel das Lennetal, die St. Matthäus-Kirche, das Alteaner Drahtmuseum oder die Burg Altena entdecken. Dort ist auch die älteste ständige Jugendherberge der Welt – heute allerdings als Museum. Übernachten können Pilger aber im modernen Gebäude im Burghof.