Overbeck: „Viele Fragen des Synodalen Wegs werden auch weltkirchlich gestellt“
Auf Einladung von Papst Franziskus diskutieren seit Anfang Oktober rund 275 Bischöfe und knapp 100 weitere Kirchenmitglieder in Rom über die großen Zukunftsfragen der katholischen Weltkirche. Als Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz nimmt auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck an der insgesamt vier Wochen dauernden Weltsynode teil. Im Interview zieht er eine persönliche Halbzeitbilanz des Treffens.
Seit zwei Wochen tagt nun in Rom die Weltsynode. Wie fällt Ihre „Halbzeitbilanz“ aus?
Bischof Franz-Josef Overbeck: Die ersten beiden Wochen der Weltbischofssynode haben mir noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt, vor welchen Herausforderungen wir weltkirchlich stehen, wenn wir das Ideal synodaler Einmütigkeit ernst nehmen. Unter Berücksichtigung aller kulturellen Unterschiede gilt es, ein Konzept von Einheit zu erkunden und zu stärken, in dem das wirklich Verbindende im Zentrum steht: Wir glauben an den einen Gott, der selbst Mensch geworden ist. Denn darauf gründend birgt unser christlicher Glaube so viele spirituelle Schätze, gesellschaftliche Werte, moralische Orientierungen und vor allem die große Faszination des Glaubens an Gott.
Die Weltsynode
Mit der Weltsynode hat Papst Franziskus in der katholischen Kirche etwas Neues geschaffen. Erstmals werden bei einer Synode Nicht-Bischöfe und Nicht-Priester im großen Umfang ein Stimmrecht haben, darunter auch Frauen. Inhaltlich soll es vor allem um neue Wege der Mitwirkung der kirchlichen Basis bei wichtigen Entscheidungen in der katholischen Kirche gehen. Obwohl erstmals auch nicht geweihte Männer und Frauen ein Stimmrecht haben, handelt es sich kirchenrechtlich um eine Bischofssynode.
Außerdem sind unter den Themen die verpflichtende Ehelosigkeit von Priestern, eine mögliche Weihe von Frauen zu Diakoninnen und eine bessere Einbeziehung sexueller Minderheiten in der Kirche. Diese und weitere Themen haben sich in einem weltweiten Befragungs- und Beratungsprozess herauskristallisiert und sind in einem Arbeitsdokument, dem "Instrumentum laboris", als Fragestellungen formuliert. Bei zwei zentralen Treffen im Vatikan diskutieren entsandte sowie vom Papst benannte Mitglieder über diese Fragen.
Beide Versammlungen, die im Oktober 2023 und Oktober 2024 stattfinden, wollen über Vorschläge beraten und abstimmen. Ihre Ergebnisse legen sie dem Papst als Empfehlungen in einem Schlussdokument vor. Daraus kann er ein sogenanntes Nachsynodales Schreiben verfassen. Letztlich entscheidet somit Franziskus über mögliche Beschlüsse.
Weitere Informationen gibt es auf der Themen-Seite der Deutschen Bischofskonferenz
Auffallend ist bei dieser Synode die ungewöhnliche Sitzordnung. Offenbar hilft sie sehr, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Overbeck: Die neue Sitzordnung in Tischgruppen hat eine Kultur des vertrauensvollen Austauschs ermöglicht, bei der vor allem das Hören und Zuhören, die freie Meinungsäußerung und das gegenseitige Lernen voneinander im Fokus steht. Das ist stark geprägt von ignatianischer Spiritualität, von der Unterscheidung der Geister. Es geht darum, in der Vielstimmigkeit eigener Perspektiven, Tendenzen und Meinungen dem Echten Raum zu geben, was existentiell wirklich zutiefst bedeutsam ist und auch unser Handeln orientieren soll. Papst Franziskus ist es wichtig, dass wir, im Geiste dieser ignatianischen Unterscheidung, diesen „gemeinsamen Weg“ gehen. Nichts Anderes ist für ihn Synodalität.
Welche Themen standen dabei bislang im Mittelpunkt?
Overbeck: Ganz in diesem Sinne haben wir uns unter anderem in der vergangenen Woche darüber ausgetauscht, wie Gemeinschaft aussehen kann und muss, die Menschen echten Halt gibt. Die Frage war, wie wir als Kirche stärker zu einem Zeichen und Werkzeug der Vereinigung mit Gott und der Einheit der ganzen Menschen werden können. Jetzt beraten wir, wie wir Aufgaben im Dienst des Evangeliums besser miteinander teilen und dazu unterschiedliche Fähigkeiten des gesamten Gottesvolkes einbringen können. Hier stellt sich für mich in erster Linie auch die wichtige Frage nach Geschlechter- und Beteiligungsgerechtigkeit. Ich bin deshalb dankbar, Teil der Austauschgruppe sein zu können, in der es um mehr Möglichkeiten der Beteiligung von Frauen geht. Dieses Mal nehmen dankenswerterweise auch Frauen an der Synode teil und haben direkt die Möglichkeit, Ihre Perspektiven zu allen Themen einzubringen.
In welcher Weise unterscheiden sich die Fragen, die beim Synodalen Weg in Deutschland diskutiert wurden, von denen bei der Weltsynode in Rom?
Overbeck: Insgesamt zeigt sich bisher für mich, dass viele Fragen, die wir auf dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland diskutiert haben, auch weltkirchlich gestellt werden und hier eine sehr große Rolle spielen. Allerdings sind die Herangehensweisen oft anders, da die Situationen der Ortskirchen sich mitunter doch sehr stark von der unsrigen unterscheiden. Diese Unterschiede im Sinne einer Perspektivübernahme zu verstehen und dann, ganz im Geiste der ignatianischen Unterscheidung, nach nächsten Schritten auf dem gemeinsamen Weg zu suchen und voranzukommen; darin liegt die große Chance dieser Synode. Am Ende wird es darauf ankommen, diese Schritte dann auch zu gehen.