Overbeck: „Kompromisse sind nicht immer faul“

Am Diskussionsabend "Dialoge mit dem Bischof" in der katholischen Akademie "Die Wolfsburg" äußerte sich Bischof Franz-Josef Overbeck kritisch zu den Weltanschauungs-Fronten, die angesichts der rasanten Veränderungsprozesse in der postmodernen Gesellschaft zutage treten. Mit Beteiligten am Reformprozess "Synodaler Weg" diskutierte der Bischof, welche Aufgaben jetzt in der deutschen Kirche anstehen. Auf dem Podium v.l.: Jens Oboth (Akademiedozent), Irme Stetter-Karp (Präsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken), Bischof Franz-Josef Overbeck, Johanna Beck (Autorin, Synodale und ehemalige Sprecherin des Betroffenenbeirates der Deutschen Bischofskonferenz) und Matthias Drobinski (Chefredakteur der Zeitschrift „Publik-Forum“). (Foto: Achim Pohl | Bistum Essen)
Besorgt über die zunehmende Verhärtung der Fronten zwischen Traditionsbewahrern und Reformern der katholischen Kirche äußert sich der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. „Ich will von keiner Seite eine Ideologie“, sagte Overbeck am Dienstagabend in der Gesprächsreihe „Dialoge mit dem Bischof“ in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“. Nach Ansicht des Bischof kommen aggressive Vorstöße derzeit vor allem von rechts, „wie sie im Auftreten des Moskauer Patriarchen Kyrill zutage treten, wenn er das autoritäre System Russlands gegen die freiheitliche Ordnung Europas ausspielt.“ Aber auch radikale Demonstrationen am Rande der fünften Versammlung der katholischen Reformbewegung „Synodaler Weg“ im März in Frankfurt kritisiert Overbeck. Gegen die Christen in der Synodal-Aula sei lautstark „angebetet“ worden.
Overbeck, der als Vorsitzender der Glaubenskommission der DBK und mit umfassenden Entscheidungsbefugnissen für seine Diözese ausgestatteter Bischof natürlich auch „den Laden zusammenhalten muss“, wie er immer wieder betont, sieht einerseits die Einwände der Traditionsbewahrer, für die die ersten christlichen Jahrhunderte den Handlungsspielraum für jegliche Weiterentwicklung bilden. Andererseits hält er „die Zeichen der Zeit“ für ein ausschlaggebendes Kriterium des heutigen Christentums: Wenn die Gemeinschaft der Gläubigen einen neuen Glaubenssinn spüre, könnten Bischöfe nicht einfach ihre Macht dagegen setzen: „Man muss die Fähigkeit zum Kompromiss haben – der ist nicht immer faul.“
1,3 Milliarden Katholiken würden derzeit nach wie vor zusammengehalten in einer zentralistisch geführten Kirche. Aber die kirchlichen Erfahrungen hierzulande in einer liberal-demokratischen Gesellschaft mit rechtsstaatlichen Prinzipien seien wenig vergleichbar mit den Lebensumständen am Amazonas, wo Frauen mangels klerikaler Lösungen selbstverständlich ihre Gemeinden zusammenhielten und sakramentale Aufgaben übernähmen, so Overbeck.
Um Konflikte zwischen Bewahrern und Reformern sowie den Kirchen auf allen Kontinenten zu lösen, müsse man eine Antwort auf die Frage geben: „Wie finden wir ein praktizierbares Mittelmaß, um die Mehrheit der Menschen zusammenzubringen, ohne die Minderheit auszuschließen?“
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