Overbeck: „Eine Stärkung von Synodalität ist Stärkung des Bischofsamtes“
Nach drei Jahren voller intensiver Beratungen über Reformen in der katholischen Kirche in Deutschland ist die erste Etappe des Synodalen Wegs mit der letzten beschlussfassenden Vollversammlung beendet worden. Bischof Franz-Josef Overbeck hat selbst eines der vier thematischen Foren mit geleitet. Nun schaut er im Interview auf die verschiedenen Beschlüsse und auf die konkreten Perspektiven, die sich daraus für das Bistum Essen ergeben.
Bischof Overbeck, der Begriff „Synodalität“ war für das Reformprojekt Synodaler Weg namensgebend. Was verstehen Sie unter einer synodalen Kirche, gerade auch mit Blick auf Ihr Bischofsamt?
Bischof Franz-Josef Overbeck: „Ich bin davon überzeugt, dass eine recht verstandene Stärkung von Synodalität in unserer Kirche zugleich eine Stärkung des Bischofsamtes ist. Eine synodale Kirche baut auf die Gläubigen und auf die Bischöfe, auf ein Miteinander und kein Gegeneinander. Dieses Verständnis ist für mich auch leitend, wenn wir jetzt im Bistum Essen gemeinsam die Beschlüsse der Synodalversammlung umsetzen. Dabei ist besonders der Blickwinkel entscheidend, was an Veränderung jetzt notwendig und geboten ist.“
Der Synodale Weg wollte vor allem auch die Rechte und Möglichkeiten von Laiinnen und Laien in der katholischen Kirche stärken. Wie wird sich dies auf das Bistum Essen auswirken?
Bischof Overbeck: „Vieles von dem, was die Synodalversammlung mit dem Handlungstext „Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament“ beschlossen hat, ist im Bistum Essen bereits gelebte Praxis. Dazu zählen sowohl die außerordentliche Taufspendung – also die Taufe durch nicht geweihte Frauen und Männer – als auch die Mitwirkung von Laiinnen und Laien in der Leitung von Pfarreien. Ich möchte dazu ermutigen, diesen Weg entschieden weiter zu gehen, damit schließlich das, was sich vor Ort an Gutem und Neuem bewährt hat, auf eine geeignete Weise verstetigt werden kann.“
In dem Handlungstext ist auch vom Verkündigungsdienst in der Messfeier die Rede. Werden Laiinen und Laien im Bistum Essen nun auch predigen dürfen?
Bischof Overbeck: „Schon heute predigen theologisch wie geistlich überaus qualifizierte Frauen und Männer in Gottesdiensten an zahlreichen Orten im Bistum Essen. Ich bin sehr froh über diese Entwicklungen der zurückliegenden Jahre, die auch ein Ausdruck dafür sind, dass es vielen Menschen in unserem Bistum ein großes Anliegen ist, den Glauben an die kommenden Generationen weiterzugeben, aber auch in der Gegenwart in unserer Gesellschaft lebensnah zu verkünden. Die Verkündigung des Evangeliums ist unsere gemeinsame Aufgabe – darum ist es ein wichtiges Signal, wenn Frauen und Männer auch im Rahmen der Liturgie und der Feier der Sakramente an der Verkündigung aktiv mitwirken. Deshalb begrüße ich den Beschluss der Synodalversammlung sehr, dafür eine Rahmenordnung zu erarbeiten, die Verbindlichkeit schafft und den bestehenden pastoralen Realitäten gerecht wird. Das wird jetzt geschehen und ist für eine Kirche, die sich erneuert, ein kleiner, aber wichtiger Schritt.“
Wichtige Signale gehen auch von dem beschlossenen Handlungstext „Segensfeiern für Paare, die sich lieben" aus. Was bedeutet das für das Bistum Essen?
Bischof Overbeck: „Ich befürworte den Beschluss sehr, dass die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken gemeinsam mit Expertinnen und Experten eine Handreichung zum Thema „Segensfeiern für Paare, die sich lieben“ erstellen werden. Diese Handreichung kann unsere pastorale Arbeit deutlich unterstützen. Ich halte es für richtig und theologisch verantwortbar, Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare, aber auch für Paare nach ziviler Eheschließung bzw. Wiederheirat nach einer Ehescheidung zu ermöglichen. Über das Gute ihres Lebens einen Segen zu sprechen, der nicht einer Trauung ähnelt, wohl aber Zeichen der Begleitung ist, soll zeigen: Im Namen der Kirche ist Gott in dieser Beziehung gegenwärtig. Ausdrücklich danken möchte ich allen Gläubigen, die mit großem Engagement dazu beigetragen haben, dass es im Bistum Essen bereits viele pastorale Angebote für solche Segensfeiern gibt. Paare, die den Segen Gottes für ihre Liebe wünschen, werden im Bistum Essen in ihrem Wunsch und der Planung einer Segensfeier unterstützt und begleitet.“
Sie waren der bischöfliche Vorsitzende des Synodalforums, das sich mit dem Thema Macht und Gewaltenteilung auseinandergesetzt hat. Gibt es vor diesem Hintergrund konkrete Schritte, die Sie für das Bistum Essen planen?
Bischof Overbeck: „Auch wenn noch nicht final beschlossen, bietet der Handlungstext des Synodalforums I „Gemeinsam beraten und entscheiden“ aus meiner Sicht schon jetzt einen guten Orientierungsrahmen für die Weiterentwicklung und Gestaltung synodaler Strukturen – insbesondere auf diözesaner Ebene. Er eröffnet Umsetzungsspielräume für Synodalität und lässt es zu, dass regionale Besonderheiten und bestehende unterschiedliche Voraussetzungen in den (Erz)-Diözesen Berücksichtigung finden können. Wichtig ist mir, dass wir im Bistum Essen gemeinsam nach Wegen suchen, die mehr Beteiligung an Beratungs- und Entscheidungsprozessen ermöglichen. Durch den wechselseitigen Austausch und die Abwägung von Argumenten soll die Qualität von Entscheidungen und damit deren Autorität umfassend gestärkt werden. Deshalb möchte ich ein neues Gremium für unser Bistum schaffen, das wesentliche Prozesse kritisch begleiten kann und insgesamt die Diskussions- und Partizipationsstruktur weiter fördert. Erste Vorbereitungen dafür habe ich bereits angestoßen und Vertreterinnen und Vertreter der pastoralen Berufsgruppen sowie der bestehen Räte dazu eingeladen, sich an der Konzeption dieses Gremiums zu beteiligen. Dabei ist das geltende Kirchenrecht natürlich der für uns verbindliche Rahmen.“
Vor allem unter dem Eindruck der MHG-Studie, die erstmals den bundesweiten Missbrauchsskandal der katholischen Kirche beschrieben hat, haben die deutschen Bischöfe 2019 zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken den Synodalen Weg beschlossen. Welche Bedeutung hat dieser Zusammenhang heute
Bischof Overbeck: „Tatsächlich wird bei den gegenwärtigen Diskussionen zu oft vergessen, dass es vor allem die Ergebnisse der MHG-Studie waren, die am Beginn dieses Synodalen Wegs standen. Auch deshalb bin ich froh, dass die beiden Handlungstexte „Prävention sexualisierter Gewalt, Intervention und Umgang mit Tätern in der katholischen Kirche“ und „Maßnahmen gegen Missbrauch an Frauen in der Kirche“ so eine überwältigende Mehrheit gefunden haben. Die aktuelle sozialwissenschaftliche Aufarbeitungsstudie zur sexuellen Gewalt in der Geschichte unseres Ruhrbistums zeigt in aller Deutlichkeit: Unter dem Deckmantel von Religion und Glaube wurden schreckliche Verbrechen begangen. Sie macht darüber hinaus sichtbar, dass auch unsere Kirchengemeinden durch diese Verbrechen massiv belastet worden sind. Unser Bistum hat in der Vergangenheit Betroffenen keinen Glauben geschenkt und sich nicht um sie gesorgt. Die Kirchengemeinden wurden alleine gelassen und erhielten keine Unterstützung. Wenn wir es als Kirche wirklich ernst nehmen, konsequent auf die Stimmen derer zu hören, die von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt betroffen sind, dann ist es unsere Pflicht, in Zukunft jede Form von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch bestmöglich und wirksam zu verhindern. Das bedeutet, dass wir auf der Grundlage der Erkenntnisse und der Empfehlungen der vorliegenden Studien jetzt alles tun werden, um ein kirchliches „System“ zu überwinden, das schreckliche Verbrechen und viel menschliches Leid verursacht und ermöglicht hat. Ein erster konkreter Schritt passiert gerade: Um die Erkenntnisse der Studie bearbeitbar zu machen, sortiert zurzeit eine Arbeitsgruppe im Generalvikariat die Empfehlungen der Studie. Nach dieser Sondierung werden die Ergebnisse Stück für Stück bearbeitet.“
Manche Beschlüsse der Synodalversammlung wirken vage und unkonkret, andere Themen werden die deutschen Bischöfe zunächst noch mit dem Vatikan diskutieren müssen…
Bischof Overbeck: „Einige Beschlüsse bedürfen zunächst einer überdiözesanen Klärung oder sind dezidiert als Prüfaufträge bzw. Prüfbitten formuliert. Ich kann aber zusichern, dass ich hinter allen Beschlüssen stehe und dafür eintreten werde, dass diese Klärung durch Expertinnen und Experten jetzt auch zeitnah stattfindet. Sonst hätte ich nicht zugestimmt. Das Gleiche gilt für die Prüfung der Fragen, die nicht ortskirchlich entschieden werden können, z.B. zur Öffnung des Zölibats oder zum Diakonat der Frau. Diese Fragen, die auch über den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland hinaus von großer Wichtigkeit sind, müssen Eingang in den weltkirchlichen synodalen Prozess finden.“