Orthodoxe Osternacht: „Auferstehung feiern, wenn der Tod daneben steht“
Bis in die frühen Morgenstunden haben rund 250 orthodoxe Christen in Essen in der Nacht von Samstag auf Sonntag das orthodoxe Osterfest gefeiert. Neben den Mitgliedern der Gemeinde der Hll. Uneigennützigen Kosmas und Damian, die aus verschiedenen Ländern und Regionen der ehemaligen Sowjetunion stammen, waren auch Geflüchtete aus der Ukraine mit dabei. Es sei ein sehr besonderes Osterfest gewesen, berichtet Diakon Veniamin Tsypin – nicht nur, weil die Gemeinde nach zwei coronabedingt ausgefallenen Osterfesten endlich wieder gemeinsam feiern konnte, sondern gerade wegen des Kriegs in der Ukraine. „Jeder im Gottesdienst hatte eine Beziehung zu diesem Krieg“, sagt Tsypin: Gebürtige Ukrainerinnen und Ukrainer, die ihre Heimat verloren haben oder um Verwandte bangen, ebenso wie zum Beispiel Menschen aus Russland, die womöglich Soldaten kennen, oder nun hier in Deutschland wegen ihrer Herkunft kritisch angefragt werden. In einer solchen Atmosphäre Ostern zu feiern, die Auferstehung Jesu Christi und seinen Sieg über den Tod „ist ein ganz anderes Gefühl, als wenn es friedlich ist“, beschreibt Tsypin, der aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew stammt und schon seit vielen Jahren in Deutschland wohnt und arbeitet. „Auferstehung feiern, wenn der Tod daneben steht“, nennt er das Gefühl im Ostergottesdienst in Essen.
Trotz der vielen verschiedenen Menschen habe es im Gottesdienst keine Verständigungsprobleme gegeben. „Wir feiern auf Kirchenslawisch, das ist eine sehr alte Sprache, die sowohl dem Russischen als auch dem Ukrainischen und anderen slawischen Sprachen ähnelt“, erklärt Tsypin. Mit Blick auf die Geflüchteten hat der Diakon aber das Evangelium – den Bibel-Text, der von der Auferstehung Jesu berichtet – auch auf Ukrainisch vorgetragen. „Da habe ich das erste Mal seit der Schulzeit vor 40 Jahren wieder Ukrainisch vorgelesen, aber ein paar Kinder haben mir gesagt, dass ich keine Fehler gemacht hätte“, sagt Tsypin mit einem Schmunzeln.
St. Elisabeth und die Orthodoxie
Die nach dem 2. Weltkrieg wiederaufgebaute Kirche in Essen-Frohnhausen ist die einzige Pfarrkirche in Deutschland mit einer Ikonostase. Initiator für diese Bilderwand in der Tradition der ostkirchlichen Liturgie war der damalige Pfarrer Paul Heinrichs. Er hatte sich in den letzten Kriegsjahren um russische Kriegsgefangene gekümmert und so die orthodoxe Frömmigkeit und Liturgie kennengelernt. Mit dem Einbau der Ikonostase wollte er dauerhaft diese orthodoxe Tradition pflegen.
Den Gottesdienst beschreibt er als „sehr gefühlvoll, sehr faszinierend und sehr von einer tiefen Freude und Ruhe geprägt“. Zudem sei es ein gutes Gefühl gewesen, für alle Gläubigen – die gerade Geflüchteten und die Gemeindemitglieder, die schon lange im Ruhrgebiet leben – genug Platz zu haben. Denn aus ihrer eigentlichen Kirche in Essen-Katernberg war die orthodoxe Gemeinde für die Osternacht in die deutlich größere katholische St.-Elisabeth-Kirche im Stadtteil Frohnhausen umgezogen. Dort habe es nicht nur die „wunderschöne Ikonostase“ gegeben, sondern auch ausreichend Platz in den Kirchenbänken, sodass die Kinder zwischendurch schlafen konnten. Nach dem Start der Feier gegen 23 Uhr sei der Gottesdienst erst gegen 4 Uhr beendet gewesen. Zwischendurch sind die Gläubigen gegen Mitternacht vor die Kirche gezogen, um in aller Öffentlichkeit die Auferstehung Jesu zu verkünden. „Wir sind der katholischen Gemeinde sehr, sehr dankbar, dass wir dieses Osterfest in ihrer St.-Elisabeth-Kirche feiern konnten“, freut sich Diakon Tsypin.