von Thomas Rünker

Mit grüner Energie und sozialen Innovationen raus aus der Krise

Was dem Ruhrgebiet aus der (Wirtschafts-)Krise hilft, darüber hat Bischof Franz-Josef Overbeck in Gelsenkirchen mit NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubauer, dem Unternehmensvertreter Johannes Pöttering und dem Sozialforscher Jürgen Howaldt diskutiert.

Menschen ohne deutschen Pass sollen Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck zufolge hierzulande schneller und einfacher arbeiten können. „Migrantinnen und Migranten muss der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden“, hat der Bischof am Dienstagabend in Gelsenkirchen als einen Weg gefordert, um die Wirtschaft im Ruhrgebiet wieder zu stärken. Zugleich müsse massiv in Bildung investiert werden, um vor allem bildungsferne Schichten für Bildung zu gewinnen. Zusammen mit dem Unternehmensnetzwerk Initiativkreis Ruhr, dem jungen Initiativkreis und der Wirtschaftsförderung Business Metropole Ruhr hatte die Bistums-Akademie „Die Wolfsburg“ nach Gelsenkirchen zur Podiumsdiskussion mit Akademie-Dozent Mark Radtke eingeladen, um für das Ruhrgebiet Wege aus der Wirtschaftskrise aufzuzeigen.

Doch welche Krise? „Wenn uns vor einem halben Jahr jemand die aktuelle Situation als Szenario aufgezeigt hätte, hätten wir gesagt: Ok, nehmen wir“, sagte Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der NRW-Unternehmensverbände. „Heute könne wir erst mal auf Holz klopfen, wir sind da gut durchgekommen“, so Pöttering angesichts einer womöglich gerade noch einmal abgewendeten Rezession und der letztlich ohne Strom- und Gasausfälle überstandenen Energieknappheit im Winter. Doch von der vermeintlichen momentanen Stabilität dürfe man sich nicht täuschen lassen: „Wir merken an allen Ecken und Enden eine große Unsicherheit!“ Und wenn der Unternehmer „die Digitalisierung und die nachhaltige Transformation schaffen soll wäre es klug, ihm alle anderen Belastungen vom Hals zu halten“, so Pötterings Wink in Richtung Bürokratie-Abbau.

Wirtschaftsministerin sieht Akzeptanzprobleme für Klimaschutzmaßnahmen

Da wollte ihm NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubauer (Grüne) gar nicht widersprechen. Sie betonte vielmehr, wie weit gerade viele Unternehmen schon bei der Transformation hin zu Klimaneutralität und nachhaltigem Wirtschaften seien. „Die großen Chemieunternehmen haben längst ihre Verträge für die Offshore-Windparks geschlossen“, nannte sie ein Beispiel für vorausschauende Planung hin zu mehr Öko-Strom. Zugleich verwies sie auf das Gelsenkirchener Unternehmen Zinq, das sich seit Jahren um eine Reduzierung des Rohstoffverbrauchs durch Kreislaufwirtschaft bemühe. „In den Unternehmen ist längst angekommen: Auf Dauer wettbewerbsfähig zu sein, heißt klimaneutral und rohstoffschonend zu wirtschaften“, so Neubauer.

Gerade bei der Bevölkerung sieht die Ministerin indes noch große Akzeptanzprobleme für Klimaschutzmaßnahmen. „Unsere Landschaft wird sich verändern“, sagte Neubauer mit Blick auf Stromtrassen, Windräder und ähnliche Bauwerke, die für eine Energiewende hin zu mehr Ökostrom nötig sind. „Wir stehen hier am Anfang und müssen noch viel erklären“, betonte die grüne Politikerin durchaus selbstkritisch. Zugleich machte sie aber klar, dass sie für bestimmte Formen des Widerstands wenig Verständnis habe. So habe es unlängst in Krefeld Proteste gegen einen Konverter gegeben, der für die Weiterleitung des Offshore-Windstroms erforderlich sei, obwohl es weder rechtliche noch Naturschutz-Gründe gegen den Bau gebe. Mancher sehe wohl für sich „ein Grundrecht auf den Panoramablick von der Terrasse“, vermutet die Ministerin. Sie stellt klar: „Wenn wir den Ausbau der erneuerbaren Energien als überragendes gesellschaftliches Interesse identifiziert haben, muss sich jede und jeder auch individuell fragen, was das für ihn oder sie bedeutet.“ Auch Pöttering betont, „die erneuerbaren Energien müssen massiv ausgebaut werden. Wenn wir alle nach dem St.-Florians-Prinzip sagen, nicht vor meiner Haustür, dann wird das nichts.“

„Kaue“ statt Akademie

Statt im Hörsaal der Mülheimer Akademie hatte die „Wolfsburg“ zusammen mit ihren Partnern am Dienstagabend ins Gelsenkirchener Veranstaltungszentrum „Kaue“ des katholischen Sozialwerks St. Georg eingeladen. Der Ort auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Graf Bismarck steht gleichermaßen für einen gelungenen Strukturwandel wie für das Engagement katholischer Träger angesichts der sozialen Herausforderungen im Ruhrgebiet.

„Eine ganz großer Stärke hier im Ruhrgebiet ist, dass wir zusammenarbeiten.“

Das Podium war sich einig, dass gerade die Innovationskraft eine Stärke der NRW-Wirtschaft sei und die Infrastruktur, insbesondere die Verkehrswege, eine fundamentale Säule, die dringend verbessert werden müsse. Jürgen Howaldt, Direktor der Sozialforschungsstelle an der TU Dortmund, warb indes dafür, Begriffe wie Infrastruktur und Innovation nicht nur technisch zu sehen, sondern auch sozial. Als Beispiele für soziale Innovationen verwies er auf die Talentscouts, die an Schulen Kinder aus eher bildungsfernen Familien für Bildung begeisterten, oder das Projekt „Tausche Bildung für Wohnen“, das jungen Erwachsenen mietfreies Wohnen ermögliche, wenn sie im Gegenzug in strukturschwachen Stadtteilen Bildungspatenschaften übernehmen und sich vor Ort engagieren. „Eine ganz große Stärke hier im Ruhrgebiet ist, dass wir zusammenarbeiten. Innovationen gibt es nicht nur bei den Unternehmen, sondern im Zusammenspiel mit Politik, Gesellschaft, Universitäten …“

Als Beispiele für dieses Zusammenspiel verwies Bischof Overbeck auf die „Innovation City Ruhr“. Er erinnerte an die großen Widerstände, als 2010 das Projekt gestartet wurde, ein industriell geprägtes Stadtquartier in Bottrop umfassend energetisch zu sanieren. Eine ähnlich große – soziale – Dimension habe nun das Projekt „Urbane Zukunft Ruhr“, mit dem sich der Initiativkreis Ruhr zusammen mit vielen Partnern beispielhaft in Duisburg-Hochfeld dafür engagiere, in einem schwierigen Stadtteil die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern.

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