von Cordula Spangenberg

Manchmal verzweifelt, aber trotzdem „knarz-katholisch“

Generalvikar Klaus Pfeffer, Kirchenrechtler Thomas Schüller und Diözesanratsvorsitzende Dorothé Möllenberg kamen in Gelsenkirchen mit knapp 50 Teens und Twens ins Gespräch über Irritationen in der Kirche und die Gründe, trotzdem dabei zu bleiben.

Mitglieder der KjG wünschten sich ausdrücklich eine Diskussion zur Kirche

Wichtig: Nicht allein sein müssen mit seinem Glauben

Auseinandersetzungen gibt es schon seit Gründung der Kirche

Ist das überhaupt möglich in diesen bewegten Zeiten, dass junge Menschen selbstbewusst zum katholischen Glauben stehen? Mitglieder der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) im Bistum Essen hatten sich eine Auseinandersetzung mit dieser Frage ausdrücklich gewünscht. Deshalb wurde am Donnerstagabend, 23. Januar 2020, im Gelsenkirchener jugendpastoralen Philipp-Neri-Zentrum Tacheles geredet.

Jeder der drei Podiumsgäste des Abends ist selbst in einem katholischen Jugendverband beheimatet und hat aktuell ein gutes Erlebnis mit seiner Kirche im Kopf: Generalvikar Klaus Pfeffer fand die rappelvollen Weihnachts-Gottesdienste toll – inklusive der Erkenntnis: „Durch einen miserablen Gottesdienst kann man den Leuten die ganze Weihnachtsfeier verderben.“

Thomas Schüller, Kirchenrechtler der Universität Münster, beeindruckten neulich die unbeirrbaren „alten Kämpfer“ aus der christlichen Arbeiterjugend, die trotz innerkirchlicher Querelen in ihrem sozialkritischen Engagement nicht aus der Spur geraten seien. Außerdem begeistert Schüller sich für Liturgie, Farben und Sinnesfreude des Katholischen: „Es stiftet Identität – ich bin knarz-katholisch.“

Dorothé Möllenberg, Vorsitzende des Diözesanrats und beruflich in der Leitung eines katholischen Gelsenkirchener Kinderheims, pflichtet dem bei: „Wenn du glaubst und bist nicht allein damit – wie schön ist das denn?“ Diese Erfahrung hatten jüngst in der Christmette offenbar auch die Heimkinder gespürt, auch wenn sie noch nie zuvor einen Gottesdienst besucht hatten.

„Ständig diese Themen untenrum“

Moderiert von Rebekka Biesenbach, der geistlichen Bundesleiterin der KjG, und unter reger Beteiligung der fast 50 anwesenden Teens und Twens kamen allerhand kritische Themen auf den Tisch: Die Haltung der Kirche gegenüber diversen Geschlechtsidentitäten, der Ausschluss Wiederverheirateter von den Sakramenten, so lange sie nicht „wie Bruder und Schwester“ zusammenleben, überhaupt diese ständige Fokussierung auf das Thema „untenrum“, obwohl Moral und Anstand doch in ganz anderen Kontexten erforderlich seien. Generalvikar Pfeffer erklärt einerseits die Sexualfeindlichkeit der Kirche mit dem unangebrachten Versuch, die Menschen disziplinieren und steuern zu wollen. Andererseits habe die hoch sexualisierte Gesamtgesellschaft neben ihren größeren Freiheiten auch ihre Schattenseiten, wie aktuell die Missbrauchsfälle in Lügde und Bergisch Gladbach erschreckend deutlich machten.

Mit verschiedenen Meinungen muss man geschwisterlich umgehen

„Was von Liebe und Wertschätzung getragen ist, das ist in Ordnung“, sagte Kirchenrechtler Schüller dazu. Viel zu oft gehe es um Macht in der Kirche: Macht über die Herzen und Betten der Menschen; Macht des Bischofsamtes, die „eingehegt“ werden müsse, damit das Amt einigend wirken könne; Machtspiele zwischen verschiedenen Bistümern und Bischofssitzen; Macht durch massive Interventionen aus der römischen Kirchenzentrale. Schüller: „Es kommt darauf an, wie geschwisterlich wir mit pluralen Meinungen umgehen, die es übrigens schon von Anfang an zur Zeit des Paulus gegeben hat.“

Warum also dabei bleiben trotz aller Querelen innerhalb der katholischen Kirche und gar selbst versuchen, das Ruder herumzureißen? „Es braucht Mutige, die vorangehen und sich eine blutige Nase holen“, meint Dorothé Möllenberg, „ich kann Mitglied sein, ohne mit allem übereinzustimmen. Aber die Botschaft des Evangeliums, das große Ganze in der Kirche und meine Erfahrungen – das passt für mich.“

„Nutzen Sie die Freiheiten in der Kirche!“

Thomas Schüller findet die Solidarität mit den Opfern des Missbrauchsskandals notwendig und mit denen, „die den Karren jetzt rausziehen müssen“. Katholische Zusammenschlüsse wie die Laien-Verbände, aber auch die Orden hätten viele Freiheiten in der Kirche: „Nutzen Sie die!“

Manchmal verzweifle er, bekennt Klaus Pfeffer. Aber er ist auch stolz auf die Veränderungskräfte in der Kirche. Er setzt auf die Werte, die die Kirche in die Gesellschaft tragen könne, und er fühlt tiefe Verbundenheit im weltweiten katholischen Netzwerk: „Ich habe in der Kirche meine Heimat gefunden. Sie zu verlassen, würde mir unglaublich wehtun.“

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