Kirchen-Kommunikation muss sich an klaren Zielgruppen ausrichten
Bei ihrer Kommunikation sollte die Kirche nach Ansicht von Experten differenzierter auf Format und Zielgruppe achten. „Man muss wissen, für wen man kommuniziert – und für wen nicht“, sagte der Autor und Kommunikationsberater Erik Flügge am Samstag auf einem Katholikentags-Podium in Stuttgart. „Glaubenskommunikation sollte sexy und modern sein – wenn ich eine Zielgruppe erreichen will, die auf sexy und modern steht. Sonst bitte nicht! Es geht nicht darum, per se modern zu sein!“, betonte Flügge. Jens Albers, Online- und Social-Media-Redakteur des Bistums Essen, hob hervor: „Wenn es heißt: Zielgruppe sind doch alle Menschen guten Willens, muss man auch mal klar sagen: Aber nicht für dieses Produkt.“ Flügge ergänzte, dass eine intensive Zielgruppen-Orientierung nicht nur für erfolgreiche digitale Medien nötig sei, sondern zum Beispiel auch für Pfarrbriefe und Gemeindezeitungen. Die würden idealerweise an alle Gemeindemitglieder verteilt, beschäftigten sich aber inhaltlich meist nur mit klassischen Gemeindeangeboten, die 90 Prozent der Gemeindemitglieder nicht wahrnähmen. Flügge empfiehlt auch hier, sich Themen zu überlegen, die möglichst die ganze Zielgruppe ansprechen.
Kirchen nehmen das Internet noch nicht ernst genug
„Die Kirche nimmt das Internet noch nicht als eigenen pastoralen Raum ernst, den man auch professionell bespielen muss. Häufig heißt es: Mach doch eben noch das Internet mit.“, führte Albers weiter aus. Es müsse sich erst noch durchsetzen, dass das Internet etwas Eigenständiges sei, wo Kirche präsent sein müsse, „weil es realitätsbildend ist“, so Albers. Im Social-Media-Bereich folgten die Nutzerinnen und Nutzer eher Personen als Institutionen wie einem Bistum oder einer Pfarrei. Auf wenn Kirche bei ihrer digitalen Präsenz ruhig auf beide Formen setzen sollte, sei es wichtig, das personelle Angebot klar fördern, so Albers. Zugleich räumte er ein, dass es schwierig sei, passende Menschen zu finden, die den pastoralen Raum Internet als ihr Arbeitsfeld sehen und als kirchliche Influencer wirken wollen und können. Zudem wäre eine stärkere Vernetzung der kirchlichen Social-Media-Anbieter sinnvoll, doch allein im katholischen Bereich gebe es „27 deutsche Bistümer mit 27 unterschiedlichen Einstellungen dazu, wie man gute Social-Media-Arbeit macht“.
Erste Pfarrerin für „Kirche im digitalen Raum“
Als erste offizielle Pfarrerin für „Kirche im digitalen Raum“ ist die Berliner Pfarrerin Theresa Brückner seit 2019 eine solche kirchliche Influencerin. Unter der Namen theresaliebt postet die evangelische Theologin und Mutter vor allem bei Instagram, Facebook und Twitter Inhalte, die sich sehr passgenau an den Interessen der Zielgruppe orientieren, die ihr folgt: „Die sind zwischen 25 und 34 Jahren, hauptsächlich weiblich - die möchte ich ansprechen.“ Auch, weil diese Altersgruppe zu der Gruppe gehöre, die aktuell am stärksten aus der Kirche austrete.
Brückners Themen: „Was macht Beruf und Familie mit mir? Was triggert mich gerade im Glauben? Sexismus und Feminismus – da macht mein offenes Sprechen anderen Frauen Mut, die nicht so offen darüber sprechen können, aber ähnliche Erfahrungen machen.“ Zudem postet sie Gebete und Erlebtes rund um das Thema Tod und Sterben und spricht offen über ihre Erfahrungen mit dem Thema Fehlgeburt. Gerade auf diese Inhalte erhalte sie viele, oft dankbare Rückmeldungen, berichtet die Pfarrerin. „Wenn wir als Christen eine Aufgabe haben, dann ist es, Hoffnung zu schenken. Das ist was, wo Leute sehen, wie man Glauben im Alltag leben kann.“ Brückner unterstrich indes Albers‘ Perspektive, dass die Kirchen die Seelsorge im Internet noch nicht ernst genug und nicht als gleichwertig zur Seelsorge in einer Gemeinde vor Ort nehmen. „Bei meiner Einstellung hieß es aus der Personalabteilung: ,Schade, dass jetzt eine Pfarrerin in der Gemeinde fehlt.‘“
Digitale Glaubenskommunikation im Bistum Essen
Neben der Kommunikationsabteilung mit Jens Albers beschäftigt sich im Bistum Essen ein eigenes Team mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern im Rahmen der Digitalisierungsstrategie BE:moved mit dem Thema Digitale Glaubenskommunikation.
Albers und Brückner berichteten zudem, dass sie gerade von anderen Christen nicht nur Zuspruch für Ihre Kommunikation in den digitalen Kanälen erhielten, gerade von offenbar besonders konservativen oder fundamentalistischen Christen, wie Brückner beschrieb. Dabei gehe es nicht nur um kritisches Feedback, sondern auch im Beschimpfungen bis hin zu Sexismus und Hatespeech.
Corona-Digitalisierungsschub muss weiterentwickelt werden
Aus wissenschaftlicher Sicht führte die Bochumer Religionssoziologin Anna Neumaier aus, dass die Kirche bei ihrer Verkündigung immer noch zu wenig die digitalen Transformationsprozesse berücksichtige. In der Corona-Pandemie habe es zwar auch einen kirchlichen Digitalisierungsschub gegeben, aber zu oft seien bestehende Verkündigungsformate einfach eins zu eins digitalisiert worden. So werde aus einem analogen Gottesdienst in der Kirche nicht etwa ein digitaler Gottesdienst, nur weil er per Video ins Internet übertragen werde. Jedes Format habe eigene Mechanismen, wie es bespielt und rezipiert werde. „Um den besten Weg zu finden, die Botschaft zu vermitteln, bedarf es der Transformation.“
Redakteur / Stellv. Pressesprecher — Stabsbereich Kommunikation
Jens Albers
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