von Thomas Rünker

Junge Kirche Cross#roads betet im Bergwerk

Andacht untertage: Mit Knieschoner und Arschleder waren junge Leute aus dem Ruhrbistum im Dortmunder Besucherbergwerk Graf Wittekind unterwegs - inklusive Gebetszeit bei der Heiligen Barbara.

In der Reihe #betunterwegs lädt die junge Kirche Cross#roads zu Gottesdiensten an besonderen Orten ein.

Auch mit Blick auf das baldige Ende des Ruhrgergbaus ging's diesmal ins Besucherbergwerk "Graf Wittekind".

Das Bergwerk war zwischen 1582 und 1801 in Betrieb, Kohle wurde dort von Hand abgebaut - und meist auf den Knien oder im Liegen.

Dass vor ihrer Statue gemeinsam gebetet wird, erlebt die Heilige Barbara im Bergwerk Graf Wittekind nicht alle Tage. Aber jetzt sitzen neun junge Leute mit Helm, Grubenlampe und Arschleder neben der Statue auf den Bänken des „Butterplatzes“ der 1801 stillgelegten Zeche – und beten. Stabile Hölzer tragen direkt über und hinter ihnen das Gebirge, aufrecht stehen kann hier niemand. „Was ist euer Halt im Leben, eure Stütze?“ fragt Jonas Paulukat mit Blick auf die Holzstempel. Jonas engagiert sich bei Cross#roads, der jungen Kirche aus Essen, die in ihrer Reihe „#betunterwegs“ die spirituelle Bergwerkstour kurz vor dem Ende des Ruhrbergbaus organisiert hat. Nach und nach kommen die Jugendlichen ins Gespräch, nennen Familie, Freunde und weitere besondere Menschen als diejenigen, die ihr Leben so sehr stützen, wie die Hölzer den Berg über ihnen – und Gott, an den sie hier alle glauben wie einst die Bergmanns-Patronin Barbara. „Egal wie schlecht es uns geht, wir können nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Das ist seine Zusage an uns“, sagt Jonas.

„Wir neigen das Haupt vor der Leistung der Alten“

Wenig später ist tatsächlich Gottvertrauen gefragt – denn bei der Führung durch die verschiedenen Strecken des Bergwerks, in dem zwischen 1582 und 1801 Kohle gefördert wurde, geht es an vielen Stellen nur auf allen Vieren vorwärts – und manchmal sogar nur im Liegen. „Nur an vier Stellen unseres Bergwerks kann man aufrecht stehen“, erklärt Günter Schubert, der einen Teil der Gruppe durch die Zeche führt, „an allen anderen Stellen neigen wir unser Haupt vor der Leistung der Alten“, sagt der pensionierte Fernmeldeingenieur. Seit 1989 wird die vorindustrielle Zeche „Graf Wittekind“ ausschließlich von freiwilligen Bergbaufans instandgehalten, archäologisch erforscht und als Besucherbergwerk betrieben. Neue Kollegen sind hier stets gern gesehen. Sie sollten die Ehrfurcht vor der Arbeit der Bergleute teilen, die noch ohne Strom, Druckluft und exakte Vermessungstechnik Kohle gefördert haben. Diese Ehrfurcht ist hier ständiger Begleiter – und der rote Faden von Günters („unter Tage duzt man sich!“) Erläuterungen.

Nur Fünf Zentimeter Vortrieb pro Tag

Gegen den gröbsten Dreck hat jeder Teilnehmer einen Overall bekommen. Dass der in diesem Bergwerk ebenso nötig ist wie Helm und Knieschoner, merken die jungen Leute schon nach wenigen Metern. Der Helm – und manchmal auch Schultern oder Hüfte – machen intensiv Bekanntschaft mit der felsigen Decke oder den verbauten Hölzern. „Auf den Knien geht’s am schnellsten“, ruft Günter von vorn – und jeder orientiert sich auf dem matschigen Boden an den Schuhsohlen des Vordermanns. „Fünf Zentimeter pro Tag“, hätten die Bergleute seinerzeit die Strecke vom Stolleneingang vorangetrieben, berichtet Günter. „Bis sie nach 22 Metern auf Kohle gestoßen sind haben sie also 440 Arbeitstage gebraucht – erst dann konnten sie das erste Mal etwas verdienen.“ Erst dann begann die eigentliche Kohleförderung – und die hatte mit der gelegentlich romantisierten Vorstellung von heute ziemlich wenig gemeinsam. Rechts von der Strecke leuchtet Günter immer wieder in enge Öffnungen, „Aufhaue“, in denen die Kohle abgebaut wurde. Mit 50 bis 60 Zentimetern sind sie so hoch wie der Flöz Sengsbank hier einst mächtig war – und sie neigen sich nach oben, so steil wie die Kohleschicht im Hang lag. Zwischen den Aufhauen stehen alle paar Meter aufgeschichtete Steinwände. Sie tragen den Berg und mussten nach dem Auskohlen von Hand aufgerichtet werden – wo man in einer modernen Zeche alles hinter dem Kohleabbau einfach in sich zusammenfallen lässt.

Jeder darf selbst versuchen, Kohle abzubauen

Wie sich die Arbeit unter diesen historischen Bedingungen anfühlt, probieren die jungen Männer und Frauen wenig später selbst aus. Nach engen Kletter-Aufstiegen über rutschige Felsen darf jeder selbst die Hacke in die Hand nehmen. „Leg dich auf die linke Seite und dann schlag kräftig zu“, ermuntert Günter. Nur die batteriebetriebene Kopflampe beleuchtet das Arbeitsfeld – eines der wenigen modernen Zugeständnisse der sonst auf Tradition bedachten Bergbaufreunde. Der Helm stößt an die Decke, der Platz ist so eng, dass das Denkmal „Steile Lagerung“ am Essener Hauptbahnhof im Vergleich dazu fast palastartige Züge bekommt. Drei, vier kräftige Schläge, und doch springen nur ein paar Splitter aus der Wand. Klar, wie soll man auch im Liegen mehr Kraft aufbringen? „Nur faustgroße Kohlestücke konnten früher verkauft werden“, hatte Günter zu Beginn der Führung gesagt. „Aber die bekomme ich hier auch nicht raus“, gibt er jetzt im engen Streb zu. Und es schwingen wieder Ehrfurcht und Bewunderung mit für „die Alten“, die auch in einer solchen Lage gearbeitet haben.

Junge Kirche Cross#roads geht dahin, wo das Leben spielt

Nach drei Stunden untertage stehen die jungen Leute aus dem Ruhrbistum erschöpft, ziemlich dreckig, aber schwer begeistert im Dortmunder Herbstwald. Auch wenn sie allenfalls symbolisch gearbeitet haben, ist der morgige Muskelkater fest eingeplant. Für das Team der Essener Jugendkirche war der Besuch „auf jeden Fall ein ganz besonderes Highlight“, sagt Jonas. „Bei Cross#roads gehört es ja zu unserem Konzept, nicht nur Programm in einer Kirche anzubieten, sondern rauszugehen, dahin, wo das Leben spielt“, erklärt er – eben auch an einen Ort wie die Zeche „Graf Wittekind“, der einst von harter Arbeit geprägt war. „Ora et labora“, beten und arbeiten sozusagen. Nun, die heilige Barbara wird’s nicht gestört haben.

Pressestelle Bistum Essen

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