von Thomas Rünker

„Ich führe Menschen durch den Essener Dom – und ich bin schwul.“

Über seine Geschichte als homosexueller Beschäftigter der katholischen Kirche hat Domschatz-Mitarbeiter Rainer Teuber am Dienstag mit Abiturientinnen und Abiturienten des Essener Mariengymnasiums gesprochen. Teuber engagiert sich in der Initiative #OutInChurch, die mehr Gleichberechtigung in der Kirche fordert.

„Ich führe Menschen durch den Essener Dom – und ich bin schwul“, sagt Rainer Teuber. Mit klaren und sehr persönlichen Worten hat der Mitarbeiter der Domschatzkammer und inzwischen bundesweit bekannte Vertreter der Initiative #OutInChurch am Dienstag mit der 12. Jahrgangsstufe des Essener Mariengymnasiums über seine Geschichte als homosexueller Mitarbeiter der katholischen Kirche gesprochen. Die Kurse für Sozialwissenschaften des bischöflichen Gymnasiums hatten Teuber eingeladen, nachdem er Ende Januar in der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ zu Wort gekommen war. Moderiert von Schüler Jonas Niemczyk stand Teuber den Abiturientinnen und Abiturienten zwei Stunden lang Rede und Antwort.

Im Fokus stand dabei das kirchliche Arbeitsrecht. Das droht bislang Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen sowie Religionslehrerinnen und -lehrern, mit beruflichen Sanktionen, die nicht nach der katholischen Morallehre leben. Betroffen sind etwa unverheiratete Paare, wiederverheiratete Geschiedene oder eben in einer homosexuellen Beziehung lebende Menschen wie Rainer Teuber und sein Mann Karl-Heinz. Als homosexueller Single hatte er seinen Arbeitsvertrag mit der Domschatzkammer leichter Hand unterschrieben. Doch als er Karl-Heinz kennen und lieben lernte, beginnt für das Paar ein Versteckspiel. Schließlich trifft Teuber als Leiter der Museumspädagogik und des Besucherservices der Domschatzkammer bei seinen Führungen tausende Menschen im Jahr. Ein spontanes Wiedersehen ist da nicht ausgeschlossen, zum Beispiel beim Einkaufsbummel mit Händchenhalten oder bei einem Kuss in einem Restaurant. „Was man eben so macht, wenn man verliebt ist“, sagt Teuber und manche der Jugendlichen nicken wissend. Nur dass Teuber jedes Mal fürchten musste, am Dom denunziert zu werden.

„Geschichten brauchen Gesichter“

Deutlich entspannter wurde es für die beiden erst nach Teubers „ungeplantem Spontan-Outing“: Als in der Bistums-Akademie „Die Wolfsburg“ bei einer Diskussion über den kirchlichen Missbrauchsskandal Homosexualität mit Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht wurde, schaltete sich Teuber als Betroffener in die Diskussion ein, den eine solche – wissenschaftlich völlig unbegründete – Behauptung tief verletzt. Tags darauf hätten sich seine Sorgen über mögliche berufliche Konsequenzen als unbegründet herausgestellt, berichtet der Museumspädagoge den konzentriert zuhörenden Schülerinnen und Schülern. Generalvikar Klaus Pfeffer meldete sich persönlich und sprach Teuber Mut zu. Wenig später folgte ein Bericht im Bistumsmagazin BENE – und nun eine bundesweite Öffentlichkeit dank #OutInChurch und der ARD-Dokumentation. „Geschichten brauchen Gesichter“, sagt Teuber, als ihn die Jugendlichen nach dem Grund für sein großes und öffentliches Engagement fragen. „Ich stehe hier für alle Menschen mit einem ähnlichen Schicksal, für schwule und lesbische aber auch für transidente Menschen.“ Gerade Transidente, also Menschen, deren eigenes geschlechtliches Empfinden nicht zu den Geschlechtsmerkmalen ihres Körpers passt, kämen in der durch #OutInChurch ausgelösten und bislang sehr auf verschiedene Beziehungsmodelle konzentrierten Debatte kaum vor.

„Eine große Sprachlosigkeit beim Thema Homosexualität“

Wenn der 53-jährige Teuber an diesem Dienstag im Forum des Mariengymnasiums steht, will er nicht nur sein Thema platzieren und für Veränderungen in der Kirche werben. Manchmal wirkt es auch, als wolle er den Jugendlichen bei Bedarf das Vorbild sein, das er selbst nie hatte: „Als ich 15 oder 16 Jahre alt war, gab’s keine Vorbilder und eine große Sprachlosigkeit beim Thema Homosexualität“, berichtet er von seiner Schulzeit in den 1980er Jahren auf einem städtischen Essener Gymnasium. Zugleich hofft er, „dass eure Lehrerinnen und Lehrer hier in 20 Jahren keinen schwulen Menschen mehr einladen, weil das Thema dann keinen mehr interessiert, weil es so normal geworden ist.“

Kurzfristig geht Teuber jedoch nicht davon aus, dass seine Initiative #OutInChurch arbeitslos wird: Nach ersten Erfolgen, in dem etwa die Bischöfe und Generalvikare in Essen und einzelnen anderen Bistümern ihren Beschäftigten auch schriftlich zugesichert hätten, dass die strittigen Passagen in der Grundordnung für katholische Arbeitsverträge nicht mehr angewendet werden, gehe es nun um eine bundesweit einheitliche Lösung: Anfang März haben Teuber und andere #OutInChurch-Mitglieder einen Termin bei der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. Dann sollen die mittlerweile deutlich über 100.000 Unterschriften einer Kampagne überreicht werden, die eine generelle Änderung der Grundordnung fordert. Außerdem müsse es eine „Aufarbeitung der Schuld und des Leids“ geben, die das kirchliche Arbeitsrecht in den vergangenen Jahrzehnten in tausenden Biographien und Beziehungen ausgelöst habe, sagt Teuber: „Es reicht uns nicht zu sagen: Wir machen das jetzt anders. Wir erwarten hier auch eine Entschuldigung!“

Teuber und sein Mann hoffen auf eine Segensfeier in der Kirche

Und jenseits des Arbeitsrechts gehe es der Initiative – trotz des Verbots aus dem Vatikan – weiter darum, endlich Segensfeiern für schwule und lesbische Paare fest im Programm der Kirche zu etablieren. Ja, auch Karl-Heinz und er, die sich beide auch ehrenamtlich in einer Essener Kirchengemeinde engagieren, würden sich das für ihre nun schon viele Jahre dauernde Beziehung wünschen, sagt Teuber auf eine Schüler-Frage. „Aber nicht hinter der halb geschlossenen Kirchentür, sondern mit Familie, Freunden, den Leuten aus unserer Gemeinde – eben allem was dazu gehört.“ Solange das nicht möglich sei, verzichteten sie lieber darauf. 

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