von Lisa Mathofer

Generalvikar Pfeffer über die Zukunft kirchlicher Führungskräfte

Die Organisationen der katholischen Kirche für die Gemeinschaft führen, mit Blick auf das Umfeld immer flexibel, kritikfähig und offen bleiben und Frauen stärker in Führungsrollen bringen: Bei einer Tagung katholischer Akademien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sprach Generalvikar Klaus Pfeffer über Anforderungen an kirchliche Führungskräfte.

Über die Anforderungen an kirchliche Führungskräfte sprach Generalvikar Klaus Pfeffer bei der Online-Tagung „Gestaltwandel des Priesterlichen. Verortung des Leitungsdienstes in einer sich wandelnden Kirche“, die im Kontext des Synodalen Wegs am 11. und 12. Februar stattfand. Pfeffer stellte in seinem Vortrag vor allem die Fähigkeiten von Führungskräften in den Fokus.

Mit Blick auf seine eigene berufliche Biografie bemängelte er gravierende Defizite in der offiziellen kirchlichen Ausbildung von Priestern. Obwohl er von Beginn an seines priesterlichen Dienstes Leitungsaufgaben wahrzunehmen hatte, waren Leitungs- und Führungsfragen in der Ausbildung „kaum ein Thema“. Auch heute sieht er hier ein großes Problem: „Ich fürchte, dass wir auch heute noch in der Kirche Menschen Führungsaufgaben übertragen, ohne ihnen das nötige praktische und theoretische Wissen dazu vermittelt zu haben“, so Pfeffer. Dieses Defizit gelte in besonderer Weise auch für Diakone, Priester und Bischöfe, die aufgrund ihrer Weihe eine Führungsaufgabe wahrnehmen. „Es mangelt an der Einsicht, dass Führung und Steuerung von Organisationen Kompetenzen und Fähigkeiten voraussetzen, die erlernt werden müssen“, so Pfeffer. Es reiche nicht aus, auf theologische Kompetenzen und lehramtliche Zuschreibungen des Weiheamtes zu verweisen, wenn es um ganz konkrete Fähigkeiten gehe, ohne die Organisationen nicht geleitet werden könnten.

Zwischen geistlicher Größe und menschlicher Organisation

 „Natürlich ist Kirche aus theologisch-spiritueller Perspektive eine geistliche Größe, insofern sie auf religiösen Quellen beruht und auf transzendente, göttliche Impulse vertraut. Aber Kirche ist und bleibt zugleich eine menschliche Organisation, die all den Mustern und Regeln unterliegt, die überall wirken und gelten, wo Menschen sich organisieren.“ Dieses Paradox zwischen geistlicher Größe und menschlicher Organisation verlange Kenntnisse und Fähigkeiten aus der Organisations- und Management-Wissenschaft, die mit einer theologisch-spirituellen Kompetenz verbunden sein muss: „Wer nicht über einen Grundbestand theologischer und spiritueller Kenntnisse verfügt, wird die Besonderheit kirchlicher Organisation nicht verstehen können – und auch kaum in der Lage sein, für den jeweiligen Verantwortungsbereich an einem spezifisch christlich-kirchlichen Profil zu arbeiten.“

Für Pfeffer ist klar: Nicht die Interessen und Leistungen einzelner Personen oder einzelner Gruppen dürfen im Vordergrund stehen, sondern gemeinsame Haltungen, Überzeugungen und Ziele, die der jeweiligen Organisation und der Kirche als Ganze dienen. Führungskompetenz in permanent unsicheren und veränderlichen Zeiten hat viel mit strategischer Kompetenz zu tun, ist der Essener Generalvikar überzeugt: „Die Leitungsebene ist für eine Strategie verantwortlich, die die Existenz einer Organisation inhaltlich begründet und dauerhaft sichert.“ Das bedeute aber keineswegs, dass in der Kirche nach dem Bild des „hierarchischen Helden“ einzelne Amtsträger ihre Organisation wie ein Dirigent beherrschen könnten, vielmehr gelte es, kommunikativ und partizipativ einen zielgerichteten Weg zu suchen.

Welche Kompetenzen sollten Führungskräfte mitbringen?

Auf Basis der vor einigen Jahren im Bistum Essen entwickelten Führungsprinzipien präsentierte Klaus Pfeffer für Führungskräfte wichtige Anforderungen, um die Kirche als Organisation auch in Zukunft sicher leiten zu können. „Wer Menschen und Organisationen führen will, muss sich selbst führen können und benötigt dafür die Bereitschaft und Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren“, sagte Pfeffer. „Noch nicht alles zu wissen und zu können, sondern auch in einer Führungsposition lebenslang ein lernender Mensch zu sein, nicht fertig zu sein, Kritik an sich heranzulassen.“ Führungskräfte benötigten außerdem eine gewisse Demut, die mit der Haltung verbunden sein müsse, eine Organisation letztlich nicht nach eigenem Gutdünken lenken zu können, sondern ihr zu dienen und dabei zu helfen, ihren Erhalt sicherzustellen.

Diese Verantwortung auch übernehmen zu wollen sei ein wichtiger Baustein. Laut Pfeffer muss eine Führungskraft vorausschauend und eigenständig erkennen, was sie zu tun, zu entwickeln und voranzutreiben hat. Führungskraft zu sein, bedeute nicht, eine besondere Wertschätzung oder Aufwertung der eigenen Person zu erhalten, sondern eine anspruchsvolle, dienende Funktion für die Organisation wahrzunehmen: „Man muss sich seiner verantwortungsvollen Rolle bewusst sein, in der man mehr und größere Verantwortung wahrzunehmen hat – und auch ein Gegenüber für Mitarbeitende ist und nicht einfach Kollege oder Kollegin.“ Außerdem sei es wichtig, einen Blick für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben, ihre Fähigkeiten frühzeitig zu erkennen und zu fördern.

Führung setzt für den Essener Generalvikar auch die Fähigkeit voraus, mehrperspektivisch denken zu können und zu wissen, dass Veränderungen im Umfeld der Kirche auch zu Veränderungen in der Kirche führen müssen. „Wer meint, eine kirchliche Organisation brauche nur wie ein ‚Bollwerk‘ gegen vermeintlich gefährliche Einflüsse von außen abgesichert zu werden, unterliegt einem schweren Irrtum.“ Darum sei es so wichtig, in einer hochmodernen Zeit flexibel und agil zu bleiben. Führungskräfte in der Kirche bräuchten dazu die Fähigkeit, „sich nicht allein auf die eigenen Überzeugungen und Wahrheiten zu verlassen, sondern stets auch alternative Perspektiven und gegensätzliche Meinungen in das eigene Handeln einzubeziehen.“

„Desaströs, wenn wir nur unter uns Männern sind“

Pfeffer betonte auch eine nötige Diversität unter Führungskräften. „Nach wie vor gibt es innerhalb der katholischen Kirche einen überproportionalen Anteil an Männern in Führungspositionen. Hinzu kommt die hohe Bedeutung des Weiheamtes in kirchlichen Führungsaufgaben, die für einen zusätzlichen Ausschluss von Frauen sorgt“, sagte Pfeffer. „Ich finde es desaströs, wenn wir in den entscheidenden Bereichen der Kirche nur unter uns Männern sind. Ich empfinde es als bereichernd, wenn wir divers agieren können. Da geht uns massiv etwas verloren, wenn es uns nicht gelingt, auch Frauen in Führungspositionen zu bringen.“ In diesem Zusammenhang zeige sich auch, wie drängend die Überwindung einer Vermischung lehramtlicher Moralvorstellungen in Fragen der sexuellen Orientierung sowie des Beziehungslebens mit dem kirchlichen Arbeitsrecht sei: „Wenn wir Diversität und Vielfalt nicht zulassen, eine Kultur der Angst nicht überwinden und uns dem Vorwurf aussetzen, Menschen zu diskriminieren – dann werden wir am Ende auch kaum noch qualifizierte Mitarbeitende finden, die für eine solche Kirche arbeiten wollen.“



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