von Cordula Spangenberg

Freiwilliges Soziales Jahr: „Nicht nur mein künftiger Beruf, sondern Berufung“

Ein Einstieg ins Freiwillige Soziale Jahr ist ab Juli in jedem Monat möglich.

Hätte es noch Überzeugung gebraucht, im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) an der richtigen Stelle zu sein, dann hätte Bee das spätestens gewusst nach der Begegnung mit einem 15-Jährigen, der die Gelegenheit brauchte, um sich zu zweit mal richtig auszusprechen. DasThema war „Trans Sein“ und „Outing“, anderthalb Stunden konnten die zwei reden, danach wusste Bee: Soziale Arbeit, das wird nicht nur mein Beruf. Das ist meine Berufung.

Bee Barthel ist 20 Jahre und seit August 2022 FSJler im „Förderkorb“, einer katholischen Jugendberufshilfeeinrichtung in Gelsenkirchen. Ob man „er“ oder „sie“ zu Bee sagt – egal. Jedenfalls ist Bee intensiv eingebunden in den Unterricht für junge Menschen ab 15 Jahren, die ihren Hauptschulabschluss packen wollen. Bee selbst hat sich nach dem Abitur nach einigem Hin und Her – vielleicht doch lieber ein Öko-Projekt unterstützen oder als Integrationshelfer an eine Schule gehen - für dieses besondere Jahr im Förderkorb entschieden und unterrichtet als ehemaliger „Leistungskursler Englisch“ jetzt die Klasse gemeinsam mit einem hauptberuflichen Sozialpädagogen in Deutsch, Mathe, Englisch, Bio und Gesellschaftslehre.

Im Förderkorb erwerben Jugendliche Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben

Die Jugendlichen im Förderkorb haben bislang meist eine schwierige Schullaufbahn hinter sich, sollen hier mit Unterstützung den Übergang von der Schule zum Beruf gestalten und sich so qualifizieren, dass sie mit einem Schulabschluss zugleich ein Ticket in ein selbstbestimmtes Leben erwerben können. Außerdem können sie in der Werkstatt, Küche oder Logistik mitarbeiten. Wer es braucht, bekommt intensive persönliche Unterstützung, in die die FSJler im Haus zwar nicht direkt einbezogen sind, aber „gut, dass es das gibt“, sagt Bee.

Freiwilliges Soziales Jahr? Hier gibt es Infos

Die Freiwilligendienste im Bistum Essen bieten von Duisburg im Westen bis Plettenberg im Osten rund 330 Plätze im Bundesfreiwilligendienst (BFD) und Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) an. Einsatzbereiche gibt es in der Gesundheits- und Krankenpflege, Seniorenhilfe, Eingliederungshilfe (Schule, Wohnen, Werkstatt), Kinder- und Jugendhilfe, in Sucht- und weiteren Beratungsstellen, Kindertageseinrichtungen, dem Offenen Ganztag in der Schule und der Jugendarbeit.

 Ein Jugendfreiwilligendienst ist im Alter zwischen 16 und 27 Jahren möglich, dafür muss ein Schulabschluss vorliegen. In der Regel wird ein Vollzeit-Einsatz verlangt, bei berechtigtem Interesse – etwa bei gesundheitlichen Einschränkungen, der Pflege von Angehörigen, laufendem Integrations- oder Sprachkurs – ist auch ein Dienst in Teilzeit ab 20,5 Stunden möglich. Wer über 27 Jahre alt ist, kann in Voll- oder Teilzeit einen BFD leisten, der mindestens sechs und höchstens 18 Monate dauern kann. Ein Einstieg ist ab Juli in jedem Monat möglich. Im Jugendfreiwilligendienst gibt es auf ein Jahr gerechnet 25 verpflichtende Bildungstage, für Menschen über 27 Jahren einen Bildungstag pro Monat. Vergütet wird der Einsatz mit 465 Euro Taschen- und Verpflegungsgeldpauschale.

Eine Bewerbung ist jederzeit möglich, es gibt persönliche Beratung bei der Suche nach einer geeigneten Einsatzstelle. Anerkennungen für Studium, Ausbildung oder Fachabitur sind möglich. Das Bewerbungsformular sowie weitere Infos finden sich hier.

„Wenn die Leute mir sagen: Hey, cool, dass du heute dabei bist, das ist echt eine Bestätigung für mich.“ Man sieht das auf den Fluren, in der Logistik, Werkstatt, Küche, im Klassenraum – jeder kennt jeden, alle grüßen Bee, Bee grüßt zurück, die Stimmung ist entspannt, es sei denn, die Mathe-Aufgabe oder das englische Simple Past ist zu kompliziert, dann bleiben die Schüler schon mal dem Unterricht fern.

„Man kann keinen zu seinem Glück zwingen“, meint Bee dazu, erfährt aber auch, dass sein eigenes Abitur und die damit verbundenen Chancen manchem im Förderkorb als Ansporn zum Lernen dienen. Und auch das gute Beispiel, wie respektvoll und friedlich die Hauptamtlichen und FSJler miteinander umgehen, ist schon die halbe Miete, wenn es ums Sozialverhalten der Jugendlichen geht. 

Seminare sind fester Bestandteil des Freiwilligen Sozialen Jahres

Neben der Arbeit im Förderkorb stehen für Bee in diesem Jahr regelmäßige Seminare der Freiwilligendienste im Bistum Essen an. Prävention sexuellen Missbrauchs gegenüber Jugendlichen, außerdem politische Bildung stehen fest im Programm. In weiteren Seminaren geht es um Themen, die der FSJ-Jahrgang selbst wählt. Psychische Gesundheit, Stress- und Konfliktbearbeitung – das hat Bee besonders interessiert: „Als Gruppe funktionieren wir FSJler gut, es gibt sogar neue Freundschaften.“

Bee hat jetzt einen Plan: Ab Herbst 2023 Soziale Arbeit studieren, nebenher und später hauptberuflich in queer-freundlichen Projekten arbeiten. Einen ersten Studi-Job als Honararkraft hat Bee schon in der Tasche: Mitarbeit in einem der Gelsenkirchener Jugendtreffs, die „Kiddys“ bis zwölf oder „Teenies“ bis 18 nach der Schule betreuen und in ihren Projekten begleiten. Umwelt steht da regelmäßig auf der Tagesordung, zum Beispiel in den umliegenden Straßen Müll sammeln oder in der Kita nebenan Sonnenblumen-Stecklinge so setzen, dass sie es bis zur Blüte schaffen. Ein Beruf für Bee – aber auch Berufung.

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