Erlebnispädagogin Nadine Piltz auf dem Jakobsweg: „Das war für mich eine Reise, die etwas anstößt“
Als Nadine Piltz eines Morgens auf dem Jakobsweg in eine neue Etappe startet, ist es kein guter Tag. Sie fühlt sich einsam, zweifelt, ob sie den weiten Weg der nächsten Tage bis nach Santiago de Compostela durchhalten wird. Doch nach einigen Kilometern trifft sie drei Italiener auf der gleichen Route. Sie kennt sie schon, hat sie am Abend vorher kurz gesehen. „Wir sind ins Gespräch gekommen, sie haben mir Mut gemacht und mir ihre Handynummer für ein gemeinsames Abendessen gegeben“, erzählt die 39-Jährige. Ab diesem Tag treffen sich die vier Pilger jeden Abend, kommen am Ende des Jakobswegs gemeinsam ans Ziel.
Das eigene Tempo finden, um sich auch verdiente Pausen zu gönnen
„Diese Hilfe anzunehmen und dankbar dafür zu sein, hat mir viel bedeutet“, erzählt Piltz. „In meinem Beruf bin ich der Wegbegleiter so vieler Menschen, jetzt durfte ich selbst andere vertrauen.“ Die Entscheidung, den Jakobsweg auf 240 Kilometern alleine in rund zwei Wochen zu gehen, traf die Referentin für Jugendpastoral in Natur- und Erlebnispädagogik im Bistum Essen spontan. Schon lange habe sie den Wunsch gehabt, aber auch immer passende Ausreden gefunden, sagt sie lachend. „Diesen Sommer brauchte ich einfach eine Auszeit und vor allem Distanz, ohne ständig über die Dinge des Alltags zu grübeln. Ich wollte die Chance nutzen, sie im Gehen loslassen zu können, ich brauchte andere Herausforderungen – das war für mich kein Urlaub, es war eine Reise, die etwas anstößt.“
Auch wenn Nadine Piltz auf dieser Reise komplett abschaltet von Alltag und Beruf, seien die Erlebnisse auf dem Weg immer wieder geprägt gewesen von ihren Lebenserfahrungen. „Ich glaube schon, dass mein Beruf mich anders sensibilisiert hat. Ich bin sehr naturverbunden, nehme viel über die Sinne wahr, vor allem die Pinienwälder und Eukalyptusbäume am Wegrand haben mich fasziniert“, sagt sie. Immer wieder stellt sie sich auf dem Weg auch die Frage nach dem eigenen Tempo, stellt fest: Ihr Lauftempo ist recht schnell. Das passe oft zu ihrem sonstigen Lebenstempo, mache ihr aber auch deutlich: Sie muss und darf öfter Pause machen, um Körper und Seele die verdiente Ruhe zu geben, um danach wieder fit zu sein für neue Aufgaben.
Achtsamer Wegbegleiter sein, wo es nötig ist
So, wie Nadine Piltz einige Erfahrungen als Erlebnispädagogin auf ihrer Reise zu Gute kommen, sammelt sie auf den Weg auch neue Ideen für ihre Arbeit. Eine Sache, die sie stark beschäftigt, sind die Waldbrände, die sich auch in der Region rund um den Jakobsweg ausbreiten. Jeden Tag prüft sie auf dem Smartphone die Brandgefahr auf ihrer Route, schätzt das Risiko neu ab. „Das hat mich wirklich tief berührt, so komplett ausgelöschte Landstriche zu sehen. Ich habe die Natur als sehr angeknackst erlebt“, sagt Piltz. „Ich will in Zukunft auf jeden Fall mehr auf Umwelt- und Klimabildung schauen, mich mehr damit auseinandersetzen, damit ich es den jungen Menschen bei uns im Jugendhaus St. Altfrid besser vermitteln kann.“ Und auch die italienischen Wegbegleiter, die ihr selbst auf dem Weg nach vorne geholfen haben, als sie es alleine nicht gut schaffte, haben die Pädagogin beruflich inspiriert. „Wir sind so wichtige Wegbegleiter für unsere Jugendlichen, die auch immer wieder in Lebenskrisen stecken, die jemanden von außen brauchen, dem sie vertrauen, der mit ihnen ein paar Schritte geht. Darauf möchte ich noch mehr achten und begleiten, wo es nötig ist.“