Erik Flügge empfiehlt der Kirche mehr spontane Hausbesuche
Spontane Besuche an der Haustür – diese zuletzt in Wahlkämpfen beliebte Kommunikations-Methode empfiehlt der Buchautor und Politik-Berater Erik Flügge den Katholiken im Bistum Essen zur Kontaktpflege in den Kirchengemeinden. Mit seinem aktuellen Buch „Eine Kirche für viele statt heiligem Rest“, war Flügge am Montagabend im Essener Medienforum zu Gast und diskutierte mit Generalvikar Klaus Pfeffer und den Besuchern über die Kirche der Zukunft. „Man kann durchaus ein Thema bewegen und aus dem Verliererfeld herauskommen“, motivierte Flügge. Die von seiner Agentur beratene SPD in Niedersachsen sei von Umfragewerten um 27 Prozent bei der Landtagswahl vor einem Jahr schließlich bei 37 Prozent gelandet. „Um das zu erreichen muss man aber auch richtig viel machen“, sagte Flügge mit Blick auf die Kirche.
Zum Beispiel sollte die Kirche ihre finanziellen Mittel umverteilen, schlägt Flügge in seinem Buch vor. Es sei nicht fair, dass die rund zehn Prozent Katholiken, die sonntags die Messe besuchen, einen deutlich größeren Anteil der Kirchensteuermittel verbrauchten. Schließlich müssten Kirchengebäude erhalten, Priester, Küster, Organist und Blumenschmuck finanziert werden. Statt eine flächendeckende Versorgung mit Gottesdiensten sollte die Kirche lieber weniger, aber gut gestaltete Gottesdienste an zentralen Orten anbieten, forderte Flügge – und in den Stadtteilen haupt- und ehrenamtliche Seelsorger für die Kontaktpflege zu den Kirchenmitgliedern vorhalten.
Flügge kritisiert „Raffgier der Privilegierten“
Das Missverhältnis zwischen denen, die kirchliche Angebote nutzen, und denen, die sie bezahlen, sieht auch der Essener Generalvikar: „Ich denke oft, dass die 90 Prozent, die unsere Kirche maßgeblich finanzieren, in unseren Gemeinden kaum vorkommen.“ Diese Menschen hätten „ganz andere Motive, warum sie Kirchenmitglied sind“, so Pfeffer, das zeige auch die Studie zu Kirchenaustritten und Kirchenmitgliedschaft, die das Bistum Anfang des Jahres veröffentlich hat. Gottesdienste zu bestimmten Lebensanlässen wie Taufen oder Beerdigungen, seien für diese Mitglieder besonders wichtig, so Pfeffer – doch im Leben der Gemeinden seien diese Feiern oft nur Rand-Themen. Provokant spricht Flügge von einer „Raffgier der Privilegierten“, der regelmäßigen Kirchgänger, die durch ihren Widerstand gegen Veränderungen in der Kirche verhinderten, dass die Kirche auch für viele andere Menschen attraktiv werde.
„Das Buch von Erik Flügge hilft in seiner provokanten Art, die Dinge einmal ganz anders zu sehen“, lobte Pfeffer und wandte sich gegen zu starre Beharrungsvermögen in den Gemeinden: „Diese Kirche muss nicht so sein, wie sie ist. Die Generationen, die nach uns kommen haben das Recht, umzugestalten.“
Hinter die nachfolgenden Generationen setzte Flügge jedoch ein deutliches Fragezeichen. „Wir haben unendlich viele Kinder, die heute gar keinen Erstkontakt mit dem Glauben mehr haben.“ Hier würden offene, „von Tradition befreite“ Angebote helfen, überhaupt erst einmal wieder Interesse für den Glauben zu wecken. Zumindest für Erwachsene sei das „Lauschgericht“-Angebot des Ruhrbistums, bei dem am Freitag, 16. November, dutzende Männer und Frauen Tischgemeinschaften vorlesen, ein gutes Beispiel für solch offene Angebote, so Flügge.
„Wir sind in der gleichen Kirchengemeinde, ich möchte Sie gern kennenlernen“
Er rät den Katholiken, die einen Mangel in ihrer Kirche verspüren, selbst aktiv zu werden – und zum Beispiel ihre Mit-Katholiken an der Haustür zu treffen. „Nicht wie bei den Zeugen Jehovas, die immer schon mit einer klaren Botschaft kommen“, wehrte Flügge die Standard-Reaktion gegen seinen Vorschlag ab, „sondern schlicht aus Interesse an Ihren Mit-Christen. Klingeln Sie und sagen Sie: Wir sind in der gleichen Kirchengemeinde, ich möchte Sie gern kennenlernen“, riet der Kommunikationsexperte.
Pfeffer berichtete, dass es derzeit an manchen Orten „heftige Auseinandersetzungen“ in den Pfarreien gebe, etwa wenn es um Änderungen bei kirchlichen Immobilien gehe. Letztlich müssten die Christen aber zu einer Haltung finden, wie sie Flügge in seinem Buch andeute: Nicht warten, bis die Menschen in die Kirche kommen, sondern selbst Kontakt aufnehmen. „Versuchen wir doch mal, diejenigen zu kontaktieren, von denen wir denken, dass sie schon längst weg sind“, schlug Pfeffer vor. Flügge ermunterte: Nicht nur im Wahlkampf, sondern auch in ersten Kirchengemeinden zeige die Erfahrung, dass es an der Haustür so gut wie keine negativen Reaktionen gebe, „sondern sehr viele positive, bereichernde Erlebnisse“.