von Thomas Rünker

Die Werte des Bergbaus weitergeben

Seit über 60 Jahren arbeitet die Gemeinsame Sozialarbeit der Konfessionen (GSA) für die Beschäftigten im Bergbau. In neuen Projekten wird die Zusammenarbeit fortgeführt und mit Interessierten aus andere Branchen weiterentwickelt – wie ab heute beim Kongress „Dem Bergbau sein Erbe“ in Schwerte.

Jahrzehntelang an der Seite der Arbeiter

Seit mehr als 60 Jahren stehen die katholische und evangelische Kirche im Ruhrgebiet an der Seite von Bergleuten und anderen Arbeitern, um im Rahmen der „Gemeinsamen Sozialarbeit“ (GSA) mit ihnen zusammen die Arbeitssituationen vor Ort zu verbessern. Mit dem Ausstieg aus der Kohleförderung ändert sich nun der Fokus der GSA – weg von geschlossenen Seminaren, hin zu offenen Veranstaltungen. Ein erstes Projekt ist der Kongress „Dem Bergbau sein Erbe“, der von heute an bis Donnerstag, 2. Februar, in der Akademie „Haus Villigst“ in Schwerte tagt, und den auch die Katholische Akademie des Ruhrbistums „Die Wolfsburg mitgestaltet. Der Theologe Rainer Manns ist in der „Wolfsburg“ Tagungsleiter für die GSA – im Interview erläutert er die Zukunftsstrategie dieses ökumenischen Projekts.

Die GSA ist aus der engen Zusammenarbeit des Bergbaus mit den Kirchen entstanden – hat sich die Arbeit dann mit dem Ende der Kohleförderung erledigt?

Rainer Manns: Auf keinen Fall. Die Arbeit der GSA war zwar von Beginn an mit dem Bergbau stark verbunden – aber bei uns geht es ja nicht um die technische Entwicklung, sondern um die Menschen selbst. Wir diskutieren zum Beispiel, wie Zusammenarbeit durch Partizipation, Transparenz bei Entscheidungen oder eine bessere Kommunikation im Betrieb gelingen kann. Diese Fragen bleiben, sie sind mit dem Stichwort „Unternehmensethik“ sogar immer stärker gefragt. Letztlich ist die GSA so etwas wie eine kirchliche Begleitung für das Thema Mitarbeiter-Führung. Und was wir in den vergangenen 60 Jahren gemeinsam mit den Belegschaften im Ruhrbergbau entwickelt haben, davon können auch anderen Branchen profitieren.

Um welche Themen ging es in der Vergangenheit konkret?

Manns: In den frühen 1960er Jahren stand in unseren Seminaren für die Bergleute vor allem die Integration der vielen Zuwanderer im Mittelpunkt, der sogenannten Gastarbeiter. Später ging es dann in den verschiedenen Wellen der Kohlekrise auch um den Rückbau einzelner Standorte und die Frage: Wie organisieren wir diese Prozesse solidarisch und sozialethisch angemessen, damit niemand ins „Bergfreie“ fällt. Oder: Wo kommen Mitarbeiter unter, die wir nicht selbst weiterbeschäftigen können? Ausgehend von unserem christlichen Menschenbild liegt der Fokus der GSA immer auf dem Wissen der Beschäftigten, die meist selbst am besten wissen, wie sie ihre Arbeit optimal erledigen.

Aber wenn der Bergbau wegfällt, wird es bald auch keine Bergleute mehr geben…

Manns: Deshalb geht es uns jetzt um einen Wissenstransfer. Die Arbeitsweisen im Bergbau und in der Stahlindustrie haben uns im Ruhrgebiet geprägt: Werte wie Verbindlichkeit, Füreinander einstehen, Solidarität und Beteiligung auch über Hierarchie-Grenzen hinweg. Hier zählen nicht großes Gerede und Wichtigtuerei, sondern praktische Ergebnisse – und das Wissen, wie sehr Integration durch die Arbeitswelt gelingen kann. Diese und andere Werte wollen wir erhalten und an andere Branchen und Betriebe weitergeben.

Wie soll das gelingen?

Manns: Wir bieten auch weiterhin in den Betrieben Seminare an, in denen wir gemeinsam mit den Belegschaften an der Lösung konkreter Probleme vor Ort arbeiten. Neben der RAG arbeiten wir zum Beispiel mit Opel und mit der ArcelorMittal-Kokerei in Bottrop zusammen. Hinzukommen sollen aber zunehmend auch offene Veranstaltungen wie der Kongress „Dem Bergbau sein Erbe“. Gemeinsam mit Interessierten und Verantwortlichen aus anderen Wirtschaftszweigen in unserer Region wollen wir überlegen, was wir aus der Geschichte von Kohle und Stahl lernen, um das Ruhrgebiet fit für die Zukunft zu machen. Diese Erfahrungen fließen auch direkt ein in das von der RAG-Stiftung geförderte Projekt „Glückauf Zukunft – Aus Herkunft Zukunft leben“ ein, das in der „Wolfsburg“ und vielen anderen Orten einen offenen Generationendialog initiiert.

Stichwort: Der Kongress „Dem Bergbau sein Erbe“

Noch bis Donnerstag, 2. Februar, diskutieren Experten und Interessierte in der evangelischen Akademie „Haus Villigst“ in Schwerte über die besondere Kultur, die spezifischen Werten und die Errungenschaften des Steinkohlenbergbaus. Neben dem konkreten Blick auf die Arbeitswelt steht dabei im Fokus, wie der Bergbau die Region, aber auch die Identität und Mentalität der Menschen an der Ruhr geprägt hat. In besonderer Weise bringen sich der Projektleiter von „Glückauf Zukunft – Aus Herkunft Zukunft leben“, Matthias Keidel, und sein Projektreferent Martin Schröder aus der „Wolfsburg“ in die Gestaltung des Programms ein.

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