von Thomas Rünker

Bistumsarchiv: Seit zehn Jahren in Kirchenmauern zuhause

Am 26. November 2010 wurde das zentrale Archiv des Bistums in der ehemaligen Kirche St. Christopherus in Essen-Kray eingeweiht. Seitdem wächst der Bestand – auch durch viele Pfarrarchive – und freut sich eines wachsenden Interesses von Wissenschaftlern und Privatleuten.

Vor 10 Jahren wurde das zentrale Archiv des Bistums Essen in einer ehemaligen Kirche in Essen-Kray eingeweiht

Dort lagern neben Dokumenten aus der Geschichte des Ruhrbistums seit seiner Gründung 1958 auch immer mehr Archive von Pfarreien.

Das Interesse von Nutzern - sowohl von Wissenschaftlern als auch von Ahnenforschern - nimmt immer weiter zu.

Es ist das Gedächtnis des Bistums Essen – und mittlerweile selbst ein Stück Geschichte. Heute vor zehn Jahren weihte Bischof Franz-Josef Overbeck die neuen Räume des Essener Bistumsarchivs ein. Nicht in einem Neubau, sondern – gewissermaßen zeitgemäß – in einer umgebauten Kirche. Wenige Jahre zuvor hatte das Ruhrbistum begonnen, dutzende Gotteshäuser aufzugeben. Nun präsentierte es für eine dieser Kirchen eine spektakuläre neue Nutzung: Im 1964 geweihten Backsteinkubus von St. Christopherus in Essen-Kray hatten Orgel, Altar und Kirchenbänke Platz für drei Metallgitter-Etagen gemacht. Auf denen reihen sich seitdem zum Teil bewegliche Gestelle mit Platz für gut 14 Kilometer Regalböden, während im angebauten einstigen Pfarrsaal das vierköpfige Team des Archivs seine Büros und Besucher ihren Arbeitsplatz haben.

Entstanden ist das Projekt vor allem aus Pragmatismus

Doch dieses Projekt, das Archivare und Architekten bis heute gleichermaßen staunen lässt, sei damals vor allem aus Pragmatismus entstanden, sagt Archivleiterin Dorothea Kreuzinger heute. Sie arbeitet schon seit Mitte der 1990er Jahre für das Bistum und kennt noch die vergleichsweise winzigen Räumlichkeiten im Generalvikariat am Essener Dom und das ständige Hin und Her mit Außenmagazinen und kaum sortierbaren, hoch gestapelten zuletzt rund 5000 Umzugskartons, „in denen die gesuchte Mappe natürlich immer ganz unten und ganz hinten liegt“, erinnert sich die Diplom-Archivarin heute mit einem Schmunzeln.

Letztlich ist das zentrale Bistumsarchiv in Kray zudem nicht nur mit Blick auf sein Gebäude ein Kind der Bistumsreform Mitte der Nuller Jahre. Denn mit den Kirchenschließungen und anderen Umstrukturierungen zeichnete sich auch ein wachsender Bedarf nach Archivleistungen ab. Schließlich mussten allein die Kirchenbücher mit teils bis ins 17. Jh. zurückgehenden alten Aufzeichnungen zu Taufen, Trauungen und Todesfällen sowie viele andere Schriftstücke der nun zu neuen Pfarreien fusionierten Gemeinden auch künftig irgendwo verwahrt werden.

"Ein Haus, wie man es besser nicht hätte bauen können."

Immerhin sei das aus diesem Pragmatismus heraus entstandene Archiv heute „ein Haus, wie man es besser kaum hätte bauen können“, sagt Kreuzinger. Im Sommer wie im Winter lässt sich der Bau auf knapp unter 20 Grad Celsius und unter 55 Prozent Luftfeuchtigkeit passiv klimatisieren. Das freut die Unmengen an Papier in seinen Mauern. Mittlerweile sind rund die Hälfte der Regalböden belegt, auf denen je zwölf Kartons mit Archivmappen gestapelt werden, schätzt Kreuzinger. In erster Linie lagern hier die schriftlichen Hinterlassenschaften der Bistumsverwaltung seit Gründung der Diözese 1958: Briefe, Verträge, Publikationen sowie Verwaltungsnachlässe der bisher vier Ruhrbischöfe von Franz Hengsbach bis Overbeck sowie der Weihbischöfe. Hinzu kommen – wie seinerzeit erwartet – immer mehr Pfarreiarchive. Gegenwärtig wird das geschriebene Erbe von rund 140 Pfarreien verwahrt. Stoff genug für Recherchen, die sich bis ins Mittelalter erstrecken können, wie Kreuzinger erläutert.

„Das Wichtigste ist, dass wir hier endlich vieles zugänglich machen können“, sagt Severin Gawlitta mit Blick auf die Möglichkeiten in der umgebauten Kirche. Ziemlich typisch für die Aufbaujahre sei seine erste Aufgabe im Bistumsarchiv gewesen: „Damals musste ich rund 10.000 Akten des Essener Gemeindeverbands einzeln auspacken, anschauen und ins Archiv übernehmen – oder kassieren.“ Denn auch das Aussortieren gehört zu den Tätigkeiten der Archivare.

Von zehn Nutzern im Jahr 2009 auf 150 im Corona-Jahr 2020

Doch nicht nur, weil das Bistumsarchiv heute sortiert und zugänglich ist, ist die Zahl der Nutzer von zehn im Jahr 2009 auf jetzt schon 150 im Corona-Jahr 2020 gestiegen. Gerade Wissenschaftler finden im Bistumsarchiv auch deshalb gute Bedingungen, weil die Bistumsleitung in begründeten Fällen eine Verkürzung von Schutzfristen genehmigt, die sonst die Recherche in diesen Beständen für Jahrzehnte unmöglich macht. So konnten etwa Kirchenhistoriker für ihre Arbeiten zur Geschichte des Ruhrbistums ebenso auf jüngere Archivbestände zugreifen wie bei aktuellen Untersuchungen zum ersten Essener Weihbischof Julius Angerhausen. Insbesondere die vor zwei Jahren an der Bochumer Ruhr-Uni eingerichtete und vom Ruhrbistum mitfinanzierte Juniorprofessur für Kirchengeschichte, die gerade die Geschichte des Bistums Essen in den Blick nehmen soll, sorgt mit Juniorprofessor Florian Bock beim Archiv für eine steigende Nachfrage.

Öffnungszeiten

Für Besucher ist das Bistumsarchiv derzeit - nach telefonischer Anmeldung - dienstags bis donnerstags zwischen 9 und 15 Uhr geöffnet.

Neben Wissenschaftlern beschäftigen zudem zahlreiche Ahnenforscher das vierköpfige Archiv-Team. So liberal sich das Bistum indes zum Beispiel bei Bischofs-Nachlässen gibt, so streng sind zugleich die (Datenschutz-)Regeln beim Blick in die Kirchenbücher. Wer Infos aus einem Taufbuch sucht, darf 120 Jahre nach dem Ereignis Einblick nehmen, „bei Trauungen beträgt die Schutzfrist 100 Jahre“, erläutert Jennifer Berg. Für die Zeit davor stellt sie klar: „Jeder hat zwar ein Recht auf seine eigenen Daten, aber nicht auf die seiner Eltern und anderer Personen.“ Heißt: Wer wissen möchte, wer Taufpate der verstorbenen Mutter war, wird beim Bistumsarchiv vermutlich nicht weiterkommen. Ohnehin sei für alle Familiendaten nach 1875 das jeweilige Stadtarchiv die erste Wahl, rät Berg: „Zu der Zeit sind die Standesämter entstanden.“ Zudem wird das Bistumsarchiv den gewohnten Recherche-Service für die Familienforscher in den kommenden Monaten notgedrungen etwas einschränken müssen: Fachfrau Jennifer Berg geht in Kürze in Mutterschutz und arbeitet dann vorübergehend nur an der eigenen Familiengeschichte. 

Kontakt zum Team des Bistumsarchivs

Leitung des Bistumsarchiv

Dorothea Kreuzinger

Grüne Aue 2
45307 Essen

0201/2204-314

0175/9128258

dorothea.kreuzinger@bistum-essen.de

Bistumsarchiv

Dr. Severin Gawlitta

Grüne Aue 2
45307 Essen

Bistumsarchiv

Jennifer Berg

Grüne Aue 2
45127 Essen

Bistumsarchiv

Martin Schirmers

Grüne Aue 2
45307 Essen

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen