Bischof Overbeck warnt vor der Gefahr rechter Parteien für die Demokratie
Angesichts des Erstarkens der in Teilen als verfassungsfeindlich eingestuften AfD warnt Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck vor ernsten Gefahren für die deutsche Demokratie. „Unsere Demokratie steht in diesen Zeiten massiv unter Druck“, sagte er dem Portal „Kirche und Leben“. Neben dem Druck „von außen her durch Autokraten, die selbst vor einem Angriffskrieg nicht zurückschrecken“ sieht er Bedrohungen „von innen her durch jene, die auf die schwierigen Fragen unserer Zeit verlockend einfache und bequeme Antworten anbieten.“ Solche Antworten hätten einen hohen Preis. „Sie wollen überzeugen, indem sie das Vertrauen in unsere Demokratie schwächen. Denn sie setzen auf das Recht des Stärkeren und die zerstörerische Kraft der Gleichgültigkeit. Unsere Demokratie hingegen lebt von der Stärke des Rechts und davon, dass Menschen für die Werte eintreten, die u.a. im Grundgesetz beschrieben sind“, betonte der Bischof.
Aktuelle Herausforderungen wie steigende Preise, eine drohende Rezession oder die Kriege in Europa und auf der Welt „erzeugen Angst und Unsicherheit“, so Overbeck. Viele Menschen sehnten sich nach den haltgebenden Gewissheiten vergangener Zeiten, die plötzlich nicht mehr gelten würden. „In der Gestalt der neuen Rechtsparteien begegnet uns allerdings eine aggressive und gefährliche Version dieser Rückwärtsgewandtheit“, warnt der Bischof. „Dort wird als ‚einfache Lösung‘ ein nationalistisches und selbstbezogenes ‚neues Wir‘ präsentiert, das durch Abgrenzung funktionieren soll. Natürlich auf Kosten derer, die nicht zu diesem ‚Wir‘ gehören sollen.“
Rechte Parteien wählten nicht den Weg des kritischen und vernunftbasierten Diskurses, „sondern nutzen vielfach Zerr- und Angstbilder, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Davor kann man alle demokratischen Parteien der Mitte nur eindringlich warnen, denn diese Strategie ist menschenfeindlich“, hebt Overbeck hervor. Dies gelte insbesondere gegenüber Geflüchteten, „die zu Gegnern, ja man muss sogar sagen; zu Feinden des ‚neuen Wir‘ gemacht werden“.
Neue Rechtsparteien verfolgten das Ziel eines starken und souveränen Nationalstaats mit einer möglichst homogenen Bevölkerung und klar bestimmten Grenzen, die Eindeutigkeit versprechen – geografisch, ökonomisch, kulturell, religiös und privat. „Dieses nicht einlösbare Versprechen auf Abgrenzung und Eindeutigkeit macht offenkundig, dass rechte politische Angebote die genannten Herausforderungen schlicht und ergreifend ignorieren und an Lösungen auch gar nicht interessiert sind“, stellt Overbeck klar.
Mit großer Sorge betrachtet Overbeck zudem „religiös-reaktionäre Bewegungen“ in der katholischen Kirche, die seiner Ansicht nach „eher dem identitären Umfeld zuzuordnen sind“. Diese Bewegungen qualifizierten andere religiöse Deutungen als „Häresien“ ab und wähnten sich „im Besitz der einen absoluten Wahrheit“, so der Bischof. In gewisser Weise seien sie „das religiöse Äquivalent zur neuen politischen Rechten mit nicht selten direkten Verbindungen“. Als Bischof unternehme Overbeck „alles in meiner Macht Stehende, um darauf hinzuwirken, dass diese Tendenzen in unserer Kirche möglichst klein bleiben“.