von Cordula Spangenberg

Sexualität dient nicht allein der Fortpflanzung

Menschen katholischen Glaubens in der Queer-Community wünschen sich dringend, als Teil der Kirche öffentlich anerkannt zu sein.

Seit 2010 trifft sich die LSBTIQ*-Community regelmäßig zum Austausch mit Bischof Franz-Josef Overbeck. „Transparenz, gegenseitiges Interesse und Offenheit“ bescheinigt Claudia Fockenberg, Vertreterin des Essener Forums für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Essen (F.E.L.S.), diesen Treffen. An der jüngsten Begegnung am Mittwoch, 19. Oktober, in den Räumen der Aidshilfe Essen nahmen etliche Menschen teil, die neben ihrer Zugehörigkeit zur Queer-Community auch eine Verbindung zur Kirche haben oder hatten. Ihr gemeinsamer Wunsch: Als Teil der Kirche öffentlich ausdrücklich anerkannt zu sein.

Als neuesten Schlag ins Gesicht empfinden diese Menschen, dass jüngst auf dem Synodalen Weg der katholischen Kirche ein Teil der deutschen Bischöfe das Papier für eine offenere Sexualmoral abgelehnt hat. „Sich anhören zu müssen, dass man ‚in Sünde‘ lebt – das ist schlimm für einen Menschen, der aktiv in der Kirche leben möchte“, sagt dazu Johannes Persie (69), Ehemann, Vater und Großvater, der sich erst mit 60 Jahren als homosexuell geoutet hat.

„An der Zeit, dass die Kirche sexuelle Akte anders bewertet“

Kann denn Liebe Sünde sein? Bischof Overbeck sieht es anders als konservative MItglieder der Kirche: Die Vielfalt der sexuellen Identitäten sei eine naturwissenschaftlich gut begründete Tatsache, und beim Sex gehe es nicht allein um Fortpflanzung, sondern vor allem um die Beziehungsfähigkeit des Menschen. Deshalb sei es an der Zeit, dass die Kirche sexuelle Akte anders bewerte – „und zwar alle sexuellen Akte“, nicht nur die innerhalb einer Ehe zwischen Mann und Frau. Für diese Haltung hagelt es immer wieder harte Kritik, gerade auch aus der amerikanischen, afrikanischen und osteuropäischen Kultur. Eine „ökumenische Katastrophe“ seien auch die Äußerungen des Moskauer Patriarch Kyrill, der immer wieder gegen die westliche „Gay-Kultur“ polemisiere.

Es werde trotz der berechtigten Wünsche und Forderungen der Queer-Community in der Weltkirche dennoch keine schnellen Änderungen geben können. „Wir leben in einem konfliktreichen Umbruch“, sagte der Bischof beim LSBTIQ*-Treffen und äußerte die Hoffnung, dass Menschen christlichen Glaubens missionarisch, also überzeugend wirken könnten, wenn sie in Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zusammenleben: „Step by step tun wir im Bistum Essen, was möglich ist.“ 

Die Anwesenden wünschten sich aber noch deutlichere öffentliche Zeichen: Könnte Bischof Overbeck dem ökumenischen Gottesdienst beim nächsten Christopher Street Day im August 2023 persönlich vorstehen oder gar beim Straßenumzug die Regenbogenfahne tragen, wie es Vertreter der Stadt bereits tun? Seine Zurückhaltung begründete Overbeck damit, als Bischof vielen unterschiedlichen Menschen gerecht werden zu müssen: „Ich muss den ganzen Laden zusammenhalten. Sie glauben nicht, was man da alles in den Regalen findet“, sagte er augenzwinkernd. Immerhin könne er inzwischen einen Priester zum CSD-Gottesdienst schicken, das sei vor zehn Jahren noch nicht möglich gewesen. Overbeck versprach aber, mit seinen beiden Mitstreitern Generalvikar Klaus Pfeffer und Weihbischof Ludger Schepers, dem Queer-Beauftragten der Bischofskonferenz, darüber zu sprechen, welche weiteren Schritte gegangen werden können.

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