von Thomas Rünker und Katholische Nachrichtenagentur

Bischöfe debattieren über Jugend, Umwelt und den Synodalen Weg

Auch die weitere Aufarbeitung des Missbrauchsskandals nahm in der umfangreichen Agenda der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda breiten Raum ein. Ausblick auf die Tagung des Synodalen Wegs kommende Woche in Frankfurt.

Die Reformbestrebungen des Synodalen Wegs, das kirchliche Engagement für Umwelt und Nachhaltigkeit, neue Leitlinien für die Jugendarbeit … – für ihre Herbst-Vollversammlung in Fulda hatten sich die mehr als 60 deutschen Bischöfe eine üppige Tagesordnung vorgenommen. Nach vier Tagen ist das Treffen am Donnerstagmittag zu Ende gegangen. Nach den umfangreichen Wahlen, bei denen die Bischöfe am Dienstag unter anderem Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck zum neuen Vorsitzenden der Glaubenskommission bestimmt hatten, stand zuletzt vor allem die weitere Aufarbeitung des Missbrauchsskandals auf der Agenda.

„Verfahren zur Anerkennung des Leids“ wird überprüft

So beschlossen die Bischöfe, das „Verfahren zur Anerkennung des Leids“ von Opfern sexualisierter Gewalt noch einmal zu überprüfen. Grundsätzlich wollten sie aber am bestehenden System festhalten, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing aus Limburg. Der Betroffenenbeirat der Bischofskonferenz hatte kritisiert, dass aktuelle Verfahren führe zu zahlreichen Retraumatisierungen bis hin zu Krankenhausaufenthalten, gehe zu langsam und sei intransparent und ungerecht. Viele Bescheide fielen „für die Beteiligten unverständlich und unangemessen gering“ aus. „Wir sehen, dass Erwartungen enttäuscht werden und dass dies schmerzlich ist. Das bedauern wir sehr“, sagte Bätzing. Mitte Oktober sei deshalb ein Gespräch zwischen Vertretern des Betroffenenbeirats, der Unabhängigen Anerkennungskommission (UKA), der Deutschen Ordensoberkonferenz und der Bischofskonferenz anberaumt.

Bundesweit einheitliche Ordnung für kirchliche Personalakten

Darüber hinaus haben die Bischöfe einheitliche Standards für das Führen der Personalakten von Priestern beschlossen. Damit werde künftig eine lückenlose und manipulationssichere Dokumentation aller Personalvorgänge im Raum der Kirche garantiert, sagte Bätzing. „Wir hatten hier erheblichen Nachholbedarf, weil sich gezeigt hat, dass es in der Vergangenheit vielfach sehr mangelhafte Aktenführung gab.“ Hintergrund der neuen Regeln sind vor allem die Erkenntnisse der Missbrauchsaufarbeitung, etwa bei der MHG-Studie 2018. So wurden in der Vergangenheit vielfach Akten manipuliert, Seiten entfernt oder Hinweise auf Missbrauchtstaten und deren Meldung vernichtet. Die neuen Regeln sollen nun fälschungssichere und lückenlose Aktenführungen garantieren. So ist etwa festgeschrieben, dass alle Aktenseiten durchnummiert werden. Viele Diözesen hatten in den vergangenen Jahren bereits entsprechende Regeln umgesetzt, die Deutsche Bischofskonferenz vereinheitlichte nun die Vorgaben.

Weitere Ergebnisse der Bischofsvollversammlung:

  • In einem neuen Grundsatzpapier zu Themen und Angeboten von kirchlicher Jugendarbeit und Seelsorge fordern die Bischöfe dazu auf, Jugendlichen vielfältige Räume zu eröffnen, in denen diese ihre Persönlichkeit entwickeln und zugleich Zugänge zu Glauben und kirchlichem Leben finden könnten. Inhaltlich setzt sich das Papier beispielsweise mit der Digitalisierung auseinander. Seelsorge müsse auf die „digitale Lebensweise“ von Jugendlichen eingehen, die oft nicht mehr zwischen off- und online unterschieden.
  • Ein neuer Klima- und Umweltschutzbericht der katholischen Kirche in Deutschland soll erstmals umfassend und bundesweit über den Beitrag der Kirche zur „nachhaltigen Gestaltung unseres Lebens und Wirtschaftens“ informieren, etwa im Umgang mit Gebäuden, Grundstücken oder im Mobilitätsbereich. Zugleich solle aufgezeigt werden, welche Potenziale Kirche bei Umwelt- und Klimaschutz habe. Der Bericht soll in einigen Wochen veröffentlicht werden.
  • Bei der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands hat sich nach dem Eindruck des Limburger Bischofs Bätzing eine große Bedeutung der Seelsorge gezeigt. „Seelsorge genießt heute inner- wie außerkirchlich eine hohe Wertschätzung“, sagte er. Der Begriff Seelsorge sei jedoch nicht geschützt und komme in unterschiedlichen christlichen wie auch in anderen religiösen, kulturellen und institutionellen Zusammenhängen zur Anwendung. Die Bischöfe streben deshalb eine Klärung des Begriffs an.

Bätzing fordert Bischöfe zur Umkehr auf

Zu Beginn der Tagung hatte Bischof Bätzing seiner Mitbrüder zu klaren Zeichen der Umkehr aufgefordert. Ein neuer Außenanstrich reiche nicht; die Menschen müssten merken, dass sich etwas verändere. Ohne eine echte Umkehr würden die Bischöfe der Wucht des Missbrauchsskandals und der Dramatik der Entkirchlichung nicht gerecht, schrieb Bätzing den Bischöfen bei seiner Eröffnungspredigt ins Stammbuch. Für Menschen in einer freiheitlichen Gesellschaft sei das bisherige Auftreten der Bischöfe ein Anlass, das Erlösungsangebot der Kirche „als anmaßend und übergriffig und angesichts des Missbrauchs obsolet zurückzuweisen“.

Prolog für die Tagung des Synodalen Wegs

Mancher Beobachter empfand das diesjährige Bischofstreffen in Fulda als Prolog für ein deutlich größeres Zusammenkommen in wenigen Tagen: Schon nächste Woche werden in Frankfurt die Mitglieder des Synodalen Wegs zusammenkommen, um über Reformvorschläge – etwa zur Sexualmoral oder zur Macht in der Kirche – zu diskutieren und erste Textentwürfe abzustimmen. Angesichts vieler weit auseinanderliegender Positionen könnte auf die offene und konstruktive Debatte der Bischöfe in Fulda in Frankfurt eine scharfe Konfrontation folgen.

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