von Maria Kindler

Bestatterin: „Ich bin so etwas wie eine Projektleiterin in einem Todesfall.“

Caren Baesch arbeitet als alternative Bestatterin. Im Interview erzählt sie von ihrer Arbeit. Am 17./18. November referiert sie bei der „Wolfsburg“-Tagung „Rituale in der Trauerarbeit“

Der Tod gehört für Caren Baesch zum Alltag. Die 52-Jährige ist Bestatterin. Sie begleitet Trauernde beim Abschied von einem geliebten Menschen und steht ihnen bei kleinen und großen Entscheidungen mit Rat und Tat zur Seite. „Ich bin so etwas wie eine Projektleiterin in einem Todesfall“, beschreibt Baesch ihre Arbeit. Dass sie sich dem Tod des geliebten Menschen tabufrei und ohne Schranken im Kopf nähern und auch einmal neue Wege gehen, darin bestärkt die alternative Bestatterin aus Bochum ihre Kundinnen und Kunden. Baeschs Botschaft: Der Tod betrifft jeden. Und: Es tut gut, diesem schweren Thema mit einer gewissen Leichtigkeit, mit Offenheit und mit Mut zu begegnen.

Im Interview spricht Baesch darüber, was sie von konventionellen Bestatterinnen und Bestattern unterscheidet, warum Rituale auch bei alternativen Bestattungen wichtig sind, welche Rolle christliche Rituale spielen und was man alles tun kann und vielleicht auch sollte, wenn man Abschied von einem geliebten Menschen nehmen muss. Baesch referiert am 17. und 18. November bei der Fachtagung „Rituale in der Trauerarbeit“ in der Mülheimer Bistums-Akademie „Die Wolfsburg“.

Frau Baesch, was unterscheidet Sie von konventionellen Bestatterinnen und Bestattern?

Als alternative Bestatterin ist meine Arbeit vor allem individuell und nachhaltig geprägt und läuft niemals nach demselben Schema ab. Ich lade die Angehörigen dazu ein, den Prozess zwischen Sterbebett und Grabstein mit mir gemeinsam zu gestalten. So können sie den Abschied von ihrem geliebten Menschen ganz bewusst erleben und dabei aktiv sein, beispielsweise bei der Gestaltung von Sarg oder Urne – natürlich unter Berücksichtigung der Vorgaben. Auf diese Weise wird der Einstieg in den notwendigen sowie heilsamen und tröstlichen Trauerprozess möglich.

Grundsätzlich nehme ich zunächst einmal jegliche Eile aus der Verlustsituation heraus. Die Tatsache, dass ein geliebter Mensch gestorben ist, müssen die Angehörigen erst einmal an sich herankommen und sacken lassen. Ganz wichtig: Ich kann und will ihnen ihre Trauer nicht abnehmen. Im Gegenteil: Ich ermögliche sie, indem ich Räume öffne, um Trauer zuzulassen und den Abschied vom geliebten Menschen selbst zu gestalten.

Alternativ ist mein Arbeiten auch aufgrund der einfachen, natürlichen und vergänglichen Materialien wie unbehandeltes Holz, Papier und Blumen etwa für florale Urnen, die ich einsetze. Zudem werden alle meine Särge in Werkstätten für angepasstes Arbeiten produziert. Sie sind aus unbehandeltem Kiefernholz, welches aus Deutschland oder Österreich kommt. Mein Geld verdiene ich nicht mit dem Verkauf teurer Särge, sondern mit meiner Dienstleistung: Dass ich Menschen begleite und für jegliches Gefühl der Trauer Räume schaffe. Ein würdevoller Abschied hängt bei mir nicht vom Geldbeutel der Hinterbliebenen ab.

Warum sind Rituale auch bei alternativen Bestattungen wichtig und welche Rolle spielen christliche Rituale bei Ihrer Arbeit?

Rituale – ob christlich oder nicht-christlich – geben den Trauernden wichtigen Halt und sind bei aller Verschiedenheit von Bestattungen unverzichtbar. Durch gemeinsam durchgeführte Rituale wird zudem die Persönlichkeit des gestorbenen Menschen in den Mittelpunkt gerückt und bei der Abschiedsfeier noch einmal sehr präsent. Dieses Erleben des verstorbenen Menschen, dieses Gefühl der vereinten Trauer um ihn oder sie – daran erinnert man sich später stärker als an einen teuren Sarg oder an kostspieligen Sargschmuck.

In meiner Praxis ist die Verteilung von christlichen oder nicht-christlichen Abschieden trotz aller Wandlungsprozesse ausgewogen. Manche Menschen gehören keiner Glaubensgemeinschaft an und sind somit auch gar nicht vertraut mit christlichen Ritualen der Trauerarbeit. Andere wiederum gehören einer Glaubensgemeinschaft an, lehnen aber ein konfessionelles Begräbnis ab. Tatsächlich erlebe ich oft eine Mischung aus Altbekanntem wie Gebeten und Liedern und Neuem. Zum Beispiel wird meist das Vaterunser gesprochen. Durch das gemeinsame Sprechen entsteht eine tiefe Verbindung innerhalb der Trauergemeinde.

Eine ganz praktische Frage: Wenn ich Abschied von einem geliebten Menschen nehmen muss – was alles kann oder sollte ich selber tun?

Bis auf den Transport des Toten – dafür sind ein Sarg und ein spezielles Fahrzeug vorgeschrieben – darf und kann man eigentlich alles selbst tun, also von der rituellen Waschung, dem gemeinsamen Einkleiden, einer begleiteten Verabschiedung im Krematorium, die Gestaltung der Sargbeigaben und Trauerdrucksachen bis hin zur Konzeption der Trauerfeier nebst Dekoration.

Aber ich würde mir ja selbst eine Grube schaufeln, wenn ich sagen würde, auf Bestatterinnen und Bestatter kann verzichtet werden. Oh, nein! Es ist nicht zu unterschätzen, wieviel Energie und Kraft die vielen kleinen organisatorischen Schritte nach einem Todesfall benötigen und an wie viele kleine und große Dinge gedacht werden muss.

Deshalb sind gute Bestatterinnen und Bestatter an der Seite der Trauernden. Sie kümmern sich um all das Organisatorische wie etwa Behördengänge. Gerade im Bestattungsbereich müssen wir uns durch eine sehr veraltete und verkrustete Papierwüste schlagen. Viele Wege funktionieren immer noch nur analog. Denn viele Verwaltungsbeschäftigte mögen wohl nicht auf das gute alte Faxgerät verzichten. Die Digitalisierung ist leider in vielen Behörden und Gemeinden noch weit, weit entfernt.

Ich verstehe mich daher als Pfadfinderin oder auch Anwältin der Verstorbenen und ihrer Zugehörigen. Ich bin so etwas wie eine Projektleiterin in einem Todesfall.

Welche Bestattung hat bei Ihnen bleibenden Eindruck hinterlassen und warum?

Jede Trauerfeier und Beisetzung ist einzigartig und individuell. Nichts ist miteinander vergleichbar, wie auch jeder Mensch einzigartig ist. Ganz besonders eindrücklich sind für mich immer die Trauerzeremonien, die ausschließlich von Zugehörigen selbst gestaltet und durchgeführt werden. Mit ihrem Einverständnis darf ich davon erzählen.

Ich erinnere mich zum Beispiel sehr gut und gern an eine Frau, die mich in einem rot-schwarzen Kleid im Hospiz empfing, um mit mir über ihre Bestattung zu sprechen, und die sehr klare Vorstellungen von ihrem Ableben und dem, was dann mit ihrem Körper geschehen solle, hatte. Sie trage ausschließlich rot-schwarze Kleidung, erzählte sie mir. Denn Schwarz stehe für das Leben, Rot für den Tod. So gekleidet wolle sie ihn erwarten. Sie habe sich mit ihrer Freundin eine Grabstelle auf einem Friedhof ausgesucht. Ein Grab unter einer Eibe, denn die Eibe habe eine sehr große Bedeutung in ihrem Leben. Erst im vergangenen Jahr sei sie zur ältesten Eibe Europas nach Südengland gereist, was sie sehr glücklich gemacht habe.

Ich musste nach unserer Begegnung oft an diese besondere Frau denken. Sie konnte so klar und präzise benennen, was sie wollte und was nicht. Bald darauf informierte mich ihre Schwester, dass die Frau in der Nacht gestorben sei – unter der großen Eibe im Garten des Hospizes. Alle, die ihr wichtig waren, seien bei ihr gewesen.

Gemeinsam mit meiner Praktikantin kleideten wir die Frau nach der amtsärztlichen Untersuchung in ihr rot-schwarzes Kleid. Die Zugehörigen kamen in den Abschiedsraum und brachten Sargbeigaben mit. Sie bemalten und verzierten den mit rotem Stoff ausgekleideten Sarg mit selbstgemachten Stempeln und sangen gemeinsam „The River is Flowing“. Es war wunderschön!

Dann sollte der Sarg verschlossen werden. Die Zugehörigen nahmen gemeinsam den Deckel, gerieten dann aber ins Stocken. Was war das? Eine Libelle kam durch die geöffnete Tür in den Raum geflogen, kreiste einige Male und landete sanft auf dem Sarg. Die Libelle war rot-schwarz. – Für solche Geschichten und Erlebnisse liebe ich meinen Beruf!

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