von Thomas Rünker

Bei der kirchlichen Frauenförderung „ist noch viel Luft nach oben“

Einerseits könnten die Bistümer schon jetzt viel mehr Frauen in Leitungspositionen einstellen, hieß es auf einem Podium des Katholikentags in Stuttgart. Andererseits bräuchte es strukturelle Änderungen, um bei der kirchlichen Gleichberechtigung grundsätzlich voran zu kommen. Diese Änderungen könnte der Synodale Weg bringen, so die Diskussionspartner um die Essener Theologin Andrea Qualbrink und Weihbischof Ludger Schepers.

„Frauen an die Macht – Männer in die zweite Reihe“, dass bei der Überschrift dieses Katholikentags-Podiums womöglich ein Fragezeichen fehlt, dürfte am Freitagnachmittag in der Turnhalle des Stuttgarter Königin-Katharina-Stifts allenfalls einige Männer gestört haben. Zwar sei mittlerweile knapp jede fünfte Leitungsstelle in den deutschen Bistums-Verwaltungen mit einer Frau besetzt, sagte Andrea Qualbrink, Co-Leiterin des Bereichs Pastoralentwicklung im Bistum Essen. Nach 13 Prozent im Jahr 2013 sei das eine spürbare Steigerung. Doch Gleichberechtigung von Männern und Frauen sei damit noch lange nicht gegeben, betonte Qualbrink, selbst wenn man die für Frauen bislang ohenhin nicht erreichbaren Positionen wie die von Bischöfen und Generalvikaren außen vor lasse. Zumal sich die deutschen Bischöfe zwar 2013 verpflichtet hatten, fortan möglichst viele Leitungsstellen mit Frauen zu besetzen – und dennoch bis 2018 drei von vier Stellen an Männern gegangen sind, wie Qualbrink referierte: „Hier ist noch viel Luft nach oben.“

Qualbrink kritisierte, dass viele Leitungsstellen mit wenig familienkompatiblen Vollzeitstrukturen mit Präsenzkultur verbunden seien, und dass die wenigen Frauen in kirchlichen Führungsstrukturen bislang eben auch nur wenige Vorbilder für Mädchen und junge Frauen seien, um sie für eine Karriere in der Kirche zu motivieren. In erster Linie gehe es aber „nicht um Frauenförderung, sondern um Veränderungen in der Kirche“, wenn man mehr Frauen in kirchlichen Führungspositionen sehen wolle. Noch vor einer möglichen Änderungen des Kirchenrechts brauche es zum Beispiel einen entsprechenden Willen, verbunden mit Haltung und Verantwortung in der Leitung eines Bistums oder eines kirchlichen Verbands, um schon jetzt Führungspositionen mit Frauen zu besetzen, die auch kirchenrechtlich problemlos zu besetzen seien.

Jugendverband BDKJ besetzt vierköpfigen Bundesvorstand paritätisch

Wie es schon seit Jahren auch anders gehen kann, zeigte auf dem Podium das Beispiel des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Dessen Co-Vorsitzender Gregor Podschun berichtete vom vierköpfigen Bundesvorstand, der jeweils von zwei Frauen und zwei Männern besetzt sei – eine Konstruktion, bei der man derzeit überlege, ob dies angesichts von Menschen, die sich keinem dieser beiden Geschlechter zugehörig fühlen, noch angemessen sei.

Synodaler Weg ist „kein deutscher Sonderweg“

Dass innerhalb der Kirche bislang keine echte Gleichberechtigung möglich sei, „zerreißt mich“, gestand der Essener Weihbischof Ludger Schepers, Mitglied der Unterkommission Frauen in Kirche und Gesellschaft der Deutschen Bischofskonferenz. Angelehnt an das paritätische Leitungsmodell, wie es etwa der BDKJ praktiziert, versuche er zumindest seinen direkten Arbeitsbereich im Ruhrbistum zu organisieren, erläuterte Schepers. „In meinem Team aus Männern und Frauen gibt es keine Entscheidung, bei der ich nicht alle frage. Mein Ziel sind Entscheidungen, bei denen alle dahinter stehen.“ Dennoch leide er unter der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, so Schepers, „und ich sehe den Synodalen Weg als letzte Chance, um zu sehen, ob diese Kirche reformierbar ist. Sie ist es aus meiner Sicht“. Wichtig sei, dass sich der bundesweite Reformdialog der Kirche „nicht von Kritik aus dem Ausland beirren lasse. Wir gehen keinen deutschen Sonderweg, sondern wir gehen ihn in der Weltkirche, wo es in vielen Teilen genau die gleichen Probleme gibt, wie bei uns“, sagte Schepers, der im Bistum Essen Bischofsvikar für die Weltkirche ist.

Mit Blick auf den Synodalen Weg verwies Qualbrink auf die Verbindung von Leitungsämtern und Weihe in der katholischen Kirche: „In der katholischen Kirche sind bestimmte Leitungsfunktionen für Frauen nicht erreichbar, weil in vielen Positionen Leitung und Weihe miteinander verbunden sind – und zugleich Weihe mit Männlichkeit verknüpft ist.“ Aktuelle Entwicklungen wie im Bistum Essen, bei denen Frauen zum Beispiel Leitungsverantwortung in Pfarreien übernehmen, „sind Notlösugen, die nur eingeführt werden können, wenn es einen Priestermangel gibt. Immerhin können die Frauen dort ihre Kompetenz zeigen, aber es hat etwas Lückenbüßerisches“, so Qualbrink. Von daher stelle sich – auch in den Beratungen des Synodalen Wegs – die Frage, „ob eine Verknüpfung von Weiheamt und Leitung sinnvoll ist“. Die Grundfrage müsse vielmehr sein: Was ist der Sendungsauftrag der Kirche und welche Dienste und Ämter dienen ihm?

Während BDKJ-Vorstand Podschun konkret für die Priesterweihe für Frauen warb, setzte sich die Duisburgern Lucia Lagoda aus dem Bundesvorstand der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) für die Weihe von Diakoninnen ein, „nicht als Vorstufe zum Priesteramt, sondern als eigenständiges Amt“. Auf einem anderen Podium des Katholikentags erklärte der Stuttgarter Ortsbischof Gebhard Fürst, er halte die Weihe von Diakoninnen in absehbarer Zeit für realistisch. „Ich setze mich seit Jahren dafür ein und hoffe bei unseren Beratungen im Herbst auf eine Mehrheit dafür unter den deutschen Bischöfen.“ Fürst betonte, er wünsche sich einen starken Impuls bei diesem Thema von den Bischöfen und vom Reformprojekt Synodaler Weg in Richtung Vatikan. Aus Rom habe er erfahren, dass diese Frage offen und keinesfalls chancenlos sei.

Wie Qualbrink sprach sich jedoch auch Lagoda für systemische Veränderungen aus: „Wir wollen keine Diakoninnen im bestehenden System, wir brauchen ein anderes System“, so Lagoda.

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