von Cordula Spangenberg

„Aktion Rote Karte“ – Propstei St. Marien Schwelm lässt Dampf ab

Unmut, Wut und Frust aus dem Ennepe-Ruhr-Südkreis sind im Bischöflichen Generalvikariat angekommen.

Der Kirchen-Frust über einen „Reformstau“ in der Kirche ist groß. Ihren genervten, verzweifelten, zornigen Pfarreimitgliedern hat die Propsteipfarrei St. Marien, die sich über Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal erstreckt, mit ihrer „Aktion Rote Karte“ deshalb ein Ventil geboten, um ihren Frust abzulassen und öffentlich zu machen. Das ungeschönte Feedback der Kirchenmitglieder, gut verpackt in einer roten Kiste, brachten nun zwei Vertretungen der Pfarrei ins Bischöfliche Generalvikariat – darunter aber auch positive Rückmeldungen: Was die Kirche im Ennepe-Ruhr-Südkreis neu anpackt, wird erfreut angenommen.

Matthias Braun, der als Vorstandsmitglied den Pfarrgemeinderat (PGR) vertritt, brachte es auf den Punkt: „Das Fass läuft langsam über.“ In den Gesprächen nach den Sonntagsgottesdiensten sei es nur noch um das Missbrauchsthema, um „#OutInChurch“ und die kirchliche Diffamierung queerer Katholiken oder die Vorgänge im benachbarten Erzbistum Köln gegangen. Zusammen mit Patrizia Labus, Öffentlichkeitsarbeiterin der Pfarrei, wurde deshalb die „Aktion Rote Karte“ auf die Beine gestellt als Gelegenheit, Ärger und Frust in Worte zu fassen und zwischen Ostern und dem Sommerferienende 2022 in den Kirchen in einer roten Kiste zu deponieren. Neben den drei Gemeinden in Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal beteiligten sich auch die dort ansässigen italienisch- und kroatischsprachigen Gemeinden.

„Der Balken vor den Augen der Kirche ist ein ganzes Holzhaus“

Die allermeiste Kritik richtete sich gegen die katholische Sexualmoral, den Pflichtzölibat, die zögerliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, die Rolle der Frauen und den „Reformstau“ in der Kirche. „Der Balken vor den Augen der Kirche ist mittlerweile ein ganzes Holzhaus“, schrieb jemand. Zudem tun sich viele Pfarreimitglieder damit schwer, im Zuge des Pfarreientwicklungsprozesses (PEP) Kirchen zu schließen und auf Propsteigebiet zu einer Großpfarrei zusammenzuwachsen – was auch mit sich bringt, mal mit dem Auto 15 bis 20 Minuten in die Nachbarstadt zur Kirche zu fahren.

Die Stimmung vor Ort ist dramatisch

„Das Ergebnis hat uns nicht überrascht, aber ist Ihnen im Generalvikariat die dramatische Stimmung vor Ort bewusst?“, fragte PGR-Mitglied Braun Andrea Qualbrink und Ludger Schollas, die gemeinsam den Bereich Pastoralentwicklung im Bischöflichen Generalvikariat leiten und nun die Karten in Essen entgegennahmen.

Zwar wird sich nicht allein an Rhein, Ruhr und Lenne die Zukunft der Kirche entscheiden, darüber waren sich alle einig. „Aber wir können für das Bistum Essen neue Spielräume entdecken – das können Sie vor Ort auch“, sagte Qualbrink und zählte die Fragen auf, die Katholiken sich auf allen Ebenen stellen sollten: „Für wen müssen wir dasein? Wen hatten wir nicht im Blick? Wen können wir wieder begeistern? Wer war noch nie da?“ Schollas ergänzte: „Wir haben eine gute Botschaft, können Menschen mit dem Heiligen in Berührung kommen lassen. Wir verfügen über einen reichen Schatz an Riten. Und wir haben Fähigkeiten, Menschen in existentiellen Situationen gut zu begleiten.“

„Wir wissen, wie der Hase läuft“

Qualbrink und Schollas zeigten sich beeindruckt davon, was die Propstei St. Marien bereits selbst in die Hand nimmt: Ehrenamtliche übernehmen den Beerdigungsdienst, Gemeindereferentinnen sind zur Taufspendung beauftragt. Es gibt Abende zu „#OutInChurch“ oder zum Austausch über Glauben und Spiritualität. Ökumenisch unterwegs ist man in der Nacht der offenen Kirchen, beim Orgel-Mittwoch und beim Friedensgebet in der Fußgängerzone. Und die Einladung zu den Ostergottesdiensten erfolgte per Postkarte: „Wir wissen, wie der Hase läuft.“ Wohl deshalb sind auf die „Aktion Rote Karte“ auch „Grüne Karten“ zurückgekommen: „Gottesdienste, Pastoren, Ehrenamt: Unsere Gemeinde ist toll!“

Pressestelle Bistum Essen

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45127 Essen