von Thomas Rünker

Sparpläne der Bundesregierung: Jede vierte Freiwilligendienst-Stelle bedroht

Weil die Bundesregierung bei den Freiwilligendiensten sparen will, droht im kommenden Jahr jeder vierten Stelle das Aus, warnt Birgitta Kelbch, Leiterin der Freiwilligendienste im Bistum Essen. Gegenwehr kommt von den Freiwilligen selbst: Ihre Petition hat so viel Zustimmung erhalten, dass sich bald der Bundestag damit beschäftigt.

Sie sind die helfende Hand und das offene Ohr für Menschen im Altenheim oder der Tagespflege. Sie kümmern sich um den Garten, fahren dringend benötigte Medikamente durch die Stadt oder organisieren Spiele in Kitas, Jugendtreffs und Grundschulen: Für rund 350 meist junge Menschen bieten die Freiwilligendienste im Bistum Essen einen Platz an. Doch wenn die aktuellen Kürzungspläne der Bundesregierung Realität werden, droht mindestens jeder vierten Freiwilligendienst-Stelle das Aus – nicht nur im Ruhrbistum, sondern bundesweit. Davor warnt Birgitta Kelbch, die Leiterin der Freiwilligendienste im Bistum Essen. Den aktuellen Haushaltplanungen zufolge sollen dem Bundesfamilienministerium im kommenden Jahr 78 Millionen Euro weniger für die Freiwilligendienste zur Verfügung stehen als 2023 – ein Minus von knapp 24 Prozent. Für 2025 sind weitere Einschnitte vorgesehen, „treten diese Kürzungen in Kraft, fällt dann etwa jede dritte Stelle weg“, befürchtet Kelbch.

„Unsere Gesellschaft braucht keine Kürzungen, sondern eine deutliche Stärkung der Freiwilligendienste“

Die Freiwilligendienste im Bistum Essen werden gemeinsam von Bistum, Diözesancaritasverband und dem Jugendverband BDKJ getragen. Sie organisieren die Bewerbungsverfahren, die Vermittlung sowie die Betreuung in die Einsatzstellen und veranstalten Seminare, die fest zum Programm eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) oder Bundesfreiwilligendienstes (BFD) gehören. Für Kelbch sind die nun geplanten Einschnitte völlig unverständlich: „Unsere Gesellschaft braucht keine Kürzungen, sondern eine deutliche Stärkung der Freiwilligendienste“, appelliert sie. Nicht nur für die Menschen, die Jugendtreffs besuchen, in Kliniken betreut werden oder in Senioreneinrichtungen wohnen, seien die jungen Freiwilligen wichtige Kontaktpersonen, die die Arbeit der pädagogischen, pflegerischen oder medizinischen Profis ergänzen. „Vor allem die Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst profitieren so stark von einem Freiwilligendienst, und für die Gesellschaft ist es eine gewinnbringende Investition in die Zukunft, sodass wir es uns nicht leisten können, auf diesen wichtigen Einsatz für zehntausende junge Menschen jährlich zu verzichten“, so Kelbch. Die vielen jungen Männer und Frauen, die nach einem FSJ oder BFD eine Ausbildung in den Mangelberufen der Alten- und Krankenpflege oder in anderen sozialen Bereichen beginnen, seien nur eine von vielen sehr konkreten positiven Auswirkungen, die die Freiwilligendienste auch langfristig für die Gesellschaft bedeuteten. Und selbst wer nach einem halben oder ganzen Jahr im Freiwilligendienst nicht eine Pflegeausbildung oder ein Pädagogikstudium startet, sammelt nach der jahrelangen Schulausbildung wichtige erste Arbeitserfahrungen. „Viele unserer Freiwilligen nutzen den Dienst, um nach der Schule Orientierung für sich und ihr weiteres Leben zu finden und sinnvoll Zeit zu überbrücken“, sagt Kelbch. Dabei hilft der Austausch mit den Mitarbeitenden in den Einsatzstellen und auch mit anderen Freiwilligen in den Seminaren, die die Freiwilligendienste durchführen.

Freie Plätze für FSJ und BFD in vielen Bereichen

Wer nach dem Schulabschluss Orientierung sucht oder sinnvoll einige Monate oder ein ganzes Jahr überbrücken möchte, kann im Bistum Essen auch jetzt noch aus einer großen Bandbreite an Freiwilligendienst-Stellen auswählen. Freie Plätze gibt es zum Beispiel in Krankenhäusern und Fachkliniken, Senioreneinrichtungen, in Wohnheimen und Werkstätten für Menschen mit Behinderung sowie in Kinder- und Jugendeinrichtungen. Auch für Interessierte, die älter sind als 27 Jahre, stehen noch Plätze zur Verfügung. Ein Einstieg ist in jedem Monat möglich. Alle Infos und Kontaktadressen für eine persönliche Beratung gibt’s unter www.freiwilligendienste-essen.de

Freiwillige fordern mit Petition Stärkung ihrer Dienste

Deutliche Gegenwehr gegen die Kürzungen kommt nicht nur von Seiten der Träger der Freiwilligendienste, von Kirchen, Caritas, Jugend- und Wohlfahrtsverbänden, sondern vor allem von den Freiwilligen selbst. Unter der Überschrift „Freiwilligendienst stärken“ haben Freiwillige Mitte Mai eine offizielle Petition gestartet, die anstelle von Kürzungen eine Ausweitung des staatlichen Engagements fordert: Damit Freiwilligendienste nicht nur für Jugendliche möglich sind, die von ihren Eltern zusätzlich unterstützt werden, plädiert die Petition unter anderem für ein Taschengeld, das sich an den BAföG-Höchstsätzen orientiert sowie die kostenfreie Nutzung von Nah- und Fernverkehr. Binnen weniger Wochen haben nach Angaben der Kampagne mehr als 100.000 Menschen die Petition unterzeichnet – mehr als doppelt so viele wie erforderlich gewesen wären. Nun wird es eine Anhörung vor dem Petitionsausschuss des Bundestags geben.

Ansprechpartnerin

Sachgebietsleiterin — Freiwilligendienste

Birgitta Kelbch

Alfredistraße 31
45127 Essen

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen