Oberhausener Katholiken pilgern von Pfarrkirche zu Pfarrkirche

Erster Stadtpilgertag war mehr als ein Corona-Ersatz für den traditionellen Freiluftgottesdienst zum Ferienabschluss.

Vorsichtig trägt Frederik eine Kerze nach vorne. In dunkelblaues Licht getaucht wirkt die Marienkapelle von St. Pankratius wie eine Höhle mit einem rot-goldenen Bild. Zusammen mit Opa Ewald stellt der 14-Jährige sein Licht vor die Ikone. „Das sieht toll aus, bleibt das jetzt für immer?“, fragt er mit Blick auf die Beleuchtung. Propst Christoph Wichmann freut sich über den Zuspruch und verspricht zumindest, dass die neuen LED-Scheinwerfer nun häufiger in der Kirche eingesetzt werden sollen. Frederik und Ewald Köster machen sich derweil wieder auf den Weg zu ihren Fahrrädern. „Wir kommen aus Holten und wollen heute alle vier Kirchen anschauen“, sagt der 81-jährige Großvater.

An jeder der vier Pfarrkirchen gibt es ein anderes Programm

Oberhausen pilgert an diesem letzten Feriensonntag: Den ganzen Tag über sind die vier Pfarrkirchen geöffnet: St. Pankratius in Osterfeld, St. Clemens in Sterkrade, St. Marien im Marienviertel und Herz-Jesu am Altmarkt. Zwischen den Kirchen pendeln Gläubige mit dem Fahrrad, zu Fuß, mit dem Auto oder mit Bus und Bahn. Stadtdechant Peter Fabritz, Propst und Pfarrer von St. Clemens, spricht von einer „coronagemäßen Ersatzveranstaltung“ für den jährlichen stadtweiten Freiluftgottesdienst der Oberhausener Katholiken. Seit dem Stadtkatholikentag 2016 feiern sie immer am letzten Sonntag der Sommerferien gemeinsam eine Messe, vor einem Jahr haben rund 2000 Menschen auf dem Sterkrader Markt gebetet. Das ist in diesem Sommer nicht möglich – so entstand die Idee zum Stadtpilgertag, zu dem Stadtdechant Fabritz gemeinsam mit dem Oberhausener Katholikenratsvorsitzenden Thomas Gäng eingeladen hat.

Die "unhöflichen Nonnen" von Sterkrade

Als 1649 der spätere Papst Alexander VII. als päpstlicher Botschafter in Deutschland auf dem Rückweg von der Unterzeichnung des Westfälischen Friedens in Münster bei den Zisterzienserinnen um ein Nachtquartier bat, hat man ihn abgewiesen. „Da könne ja schließlich jeder kommen“, habe die Klosterchefin entgeget, die ihm wohl seine gehobene Position nicht geglaubt habe, so Fabritz. Sieben Jahre später wurde der abgewiesene Kleriker Papst – und hat trotz seiner Tagebuchaufzeichnung von den „unhöflichen Nonnen“, den Gläubigen in Sterkrade 1664 immerhin einen vollkommenden Ablass verliehen, wenn sie am Fest des Hl. Bernhard die Kirche besuchen.

An jeder Kirche gibt es ein anderes Programm: In Sterkrade führt Propst Fabritz durch die Kirche. Er erklärt das Marienbild, das jährlich viele Pilger anzieht, aber auch den auferstanden Jesus an der Rückwand, der für manchen eine Günter-Netzer-Frisur trägt – und er berichtet von den „unhöflichen Nonnen“ von Sterkrade.

„Circle-Trainig“ in St. Pankratius

Weniger historisch geht es derweil in Osterfeld zu: St. Pankratius hat zum „Circle-Training“ für die ganze Familie geladen: Am Taufbecken können Papierblumen mit dem eigenen Namen verziert aufs Wasser gesetzt werden, ein Bilderrätsel führt zu den Kunstwerken der Kirche, am Fürbittbaum ist Platz für Bitten und Wünsche – und hinter dem Altar können die Besucher ihre Pilger-Steine ablegen. „An jeder Kirche können die Pilger heute einen Stein mitnehmen und hier hinbringen“, erklärt Propst Christoph Wichmann. Wer mag, kann die Steine auch bemalen. Zugleich erinnert die Tradition des Steinablegens aber auch an den Jakobsweg in Spanien, wo dies auch üblich ist. Und wo wäre dafür in der Osterfelder Kirche ein passenderer Ort als zu Füßen der Jakobus-Statue?

Pilgersteine, Ausweise zum Abstempeln und Leckmuscheln

Das bekannteste Symbol des Jakobswegs, die Muschel, haben sich die Oberhausener ebenfalls zu Eigen gemacht: An jeder Kirche gibt es für Kinder und andere Süßigkeiten-Fans Leckmuscheln als Stärkung für den weiteren Weg. Die verteilen auch Marion Schmitz und Peter Alferding vor dem Eingang der Herz-Jesu-Kirche am Altmarkt. Drinnen hat gerade die – gut besuchte – Sonntagsmesse begonnen, draußen sortieren sie an ihrem Stand Steine, Muscheln und Pilgerausweise: Den bekommt jeder Gläubige und kann ihn sich an jeder Kirche abstempeln lassen. Herz Jesu ist heute die ruhigste Station der vier Pilgerkirchen: Vor und nach der Messe lädt das Gotteshaus zur Stillen Anbetung ein.

Egal, wen man an diesem Pilgertag spricht, die Freude darüber, dass „bei Kirche wieder was los ist“, ist überall zu spüren. Auch wenn in jeder Kirche Desinfektionsmittel und Gesichtsmasken das Bild prägen: „Es ist gut, dass Kirche jetzt etwas anbietet, das trotz Corona funktioniert – und dass sich Kirche überhaupt mal wieder zeigt“, sagt Wilhelm Tintrop, der mit seinen sechs Mitradlern gerade an der Marienkirche stoppt. Drinnen läuft eine Licht- und Ton-Installation, außerdem gibt’s im Foyer Kaffee und Kuchen. „Das ist hier die erste größere Aktion in der Corona-Zeit“, sagt Tintrop, „und das Schöne ist, dass man hier auch den ein oder anderen wiedertrifft, den man nun schon lange nicht gesehen hat.“

Idee: Pilgern und Stadtgottesdienst kombinieren

Auch Katholikenratschef Gäng freut sich: „Das heiße Wetter mag manchen abgeschreckt haben, trotzdem bin ich mit der Resonanz zufrieden.“ Es sei ein tolles Symbol, gemeinsam als Kirche unterwegs zu sein, „als wanderndes Volk Gottes“. So trage der Pilgertag wie die Stadtgottesdienste dazu bei, „dass wir den Blick über unsere Gemeindegrenzen hinaus lenken“. Gerade beim Pilgertag sei deutlich geworden: „Ich bin auch woanders willkommen und kann auch dort gemeinsam mit anderen mein Christsein leben.“ Damit sei der Tag „weit mehr als nur eine Ersatzveranstaltung“, betont Gäng, der mit Fahrrad unterwegs ist. Es gebe bereits erste Überlegungen, künftig beides miteinander zu verbinden: Die sportlich-spirituelle Kombination des Pilgerns und einen großen Gottesdienst.

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