von Thomas Rünker

Minister Reul will Polizei-Betreuung von Verkehrsopfern stärken

Gespräch mit Polizeiseelsorgern und Verkehrsopferschützern im Essener Kardinal-Hengsbach-Haus. Minister sagt bessere Unterstützungsangebote für Polizisten zu, die sich um Verkehrsopfer sorgen – und setzt dabei auch auf die Polizeiseelsorger.

Nach schweren Verkehrsunfällen kümmern sich speziell ausgebildete Polizisten um womöglich traumatisierte Beteiligte

Diese Verkehrsunfallschützer stehen in Kontakt mit Polizeiseelsorgern

Bei einem gemeinsamen Gespräch in Essen hat Innenminister Reul zugesagt, diese Angebot tendenziell auszubauen und Verkehrsunfallschützer künftig besser zu betreuen

Verbeuteltes Blech, Blut, Splitter und Kreidestreiche auf der Straße – wenn nach einem schweren Unfall die Toten geborgen und die Verletzten ins Krankenhaus gebracht wurden, bleiben andere Betroffene zurück: Zeugen am Straßenrand, trauernde Hinterbliebene oder Unfallbeteiligte, die sich nun schwere Vorwürfe machen. Wenn es gut läuft, klingelt bei diesen Menschen ein paar Tage später das Telefon, und die Polizistin oder der Polizist in der Leitung bittet nicht um eine Zeugenaussage, sondern fragt als erstes: „Wie geht es Ihnen?“ Bei Unfällen mit Toten, Schwerverletzten oder zahlreichen Beteiligten schalten sich Verkehrsopferschützer ein. Einzige Aufgabe dieser spezialisierten Polizisten: den Menschen beizustehen und ihnen – wenn nötig und gewünscht – Hilfe zu vermitteln.

Die Betroffenen reagieren dann ausschließlich positiv mit Dankbarkeit und oft Überraschung, dass die Polizei auch diese Aufgabe übernimmt, heißt es von Verkehrsopferschützern. In der Öffentlichkeit und selbst bei vielen Polizeikollegen sei dieser besondere Service hingegen kaum bekannt. Das soll sich ändern, waren sich NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), Verkehrsopferschützer aus zahlreichen Polizeibehörden und die Polizeiseelsorger im Bistum Essen am Mittwoch bei einem Gespräch im Essener Kardinal-Hengsbach-Haus einig. Zudem soll die Betreuung von Verkehrsopfern landesweit besser strukturiert und tendenziell ausgebaut werden, kündigte Reul an. Und über Supervisionen, Gruppengespräche und ähnliche Angebote soll es eine bessere Unterstützung der Polizisten geben, die sich in diesem Bereich engagieren. 

„Die Polizeiseelsorge ist ein Riesengeschenk für uns“

Minister Reul gab zu, dass er selbst erst durch den dienstlichen Kontakt zu Unfallopfern bei der Polizei auch die wertvolle Arbeit der Opferschützer kennengelernt habe. Nun lässt er landesweit erfassen, wie diese Betreuungsarbeit in den Polizeibehörden strukturiert ist und wie passgenaue Unterstützungsangebote aussehen können. „In der Polizei, dieser Organisation der starken Männer und Frauen, brauchen wir noch viel mehr Menschen, die helfen und sich kümmern“, sagte der Minister. Er wolle „aus der Polizei keine sozialpädagogische Einrichtung machen, aber man muss doch einsehen, dass wir es in der Polizei mit Menschen zu tun haben und nicht mit Maschinen.“ Bei der Unterstützung der Verkehrsopferschützer setze er auch auf die bewährte Zusammenarbeit mit den Polizeiseelsorgern: „Dass es die Polizeiseelsorge gibt, ist ein Riesengeschenk für uns“, so Reul. In einem bistumsweiten Netzwerk stehen spezialisierte Seelsorger des Ruhrbistums Polizisten als Ansprechpartner zur Verfügung. Zudem vernetzen die Seelsorger Beamte wie die Verkehrsopferschützer miteinander, die Themen mit einer besonderen Nähe zur Seelsorge betreuen.

Anders als die polizeiliche Betreuung von Kriminalitätsopfern klagen die Verkehrsopferbetreuuer in der Runde unisono über zu wenig Bekanntheit und Wertschätzung für ihren Dienst, auch durch das Ministerium. Reuls Verkehrsreferentin Maria del Carmen Fernandez Mendez, selbst Mitglied im nordrhein-westfälischen „PSU-Team“, das Polizisten nach belastenden Einsätzen psychosoziale Unterstützung (PSU) anbietet, entgegnete, dass sie den Verkehrsopferschutz in ihrem Haus im kommenden Jahr zu einem Schwerpunktthema machen will.

Qualität der Betreuung kann von der Straßenseite abhängen

Zudem solle bereits in den kommenden Wochen eine Abfrage zur jeweiligen Struktur der Verkehrsopferbetreuung bei den Polizeibehörden starten, kündigte Fernandez Mendez an. Auf deren Basis soll dann nicht nur die künftige Betreuung dieser Einsatzkräfte organisiert werden. Die Verkehrsexpertin aus dem Innenministerium kündigte auch einen wachen Blick auf einzelne Polizeidirektionen an: „Wenn wir eine Behörde haben, in deren Bereich es im Straßenverkehr viele Tote und Schwerverletzte gibt, und die sich kaum im Opferschutz engagiert, dann stimmt da etwas nicht.“ Wie unterschiedlich Polizeibehörden mit dem Thema umgehen, wusste der Diözesanbeauftragte für Polizeiseelsorge, Marcus Freitag, zu berichten: „In manchen Städten des Ruhrgebiete kann es eine Frage der Straßenseite sein, welche Polizeibehörde zuständig ist.“ Entsprechend unterschiedlich könne nach einem Unfall die Betreuung durch Opferschützer ausfallen.

Diözesanbeauftragter für die Polizeiseelsorge — Supervisor (DGSv)

Pastoralreferent Marcus Freitag


Freitag beschrieb zudem, dass der Verkehrsopferschutz oft in der gleichen Abteilung wie die Verkehrserziehung organisiert sei: Puppenspielen im Kindergarten auf der einen, Gespräche mit Schwerst-Traumatisierten Unfallbeteiligten auf der anderen Seite. „Die Dramatik, die sich dahinter verbirgt, wird oft nicht gesehen“, sagt Freitag. Mancher Polizist nimmt sie offenbar bewusst in Kauf. „Für mich ist das der perfekte Ausgleich“, sagt eine Polizistin, die in beiden Bereichen der Verkehrsabteilung ihrer Behörde tätig ist.

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