von Thomas Rünker

Handwerk wirbt für Aufbruch in ein neues Ruhrgebiet

Ein Mentalitätswandel hin zu mehr Innovationskraft und Gründergeist stand im Fokus des „Zukunftsgesprächs Handwerk und Kirche“. Bischof Overbeck machte sich für Einwanderungsgesetz stark.

Den Aufbruch in ein neues Ruhrgebiet – weg von großindustriellen Strukturen, hin zu mehr Innovationskraft und Unternehmertum – haben die Präsidenten der Handwerkskammern Düsseldorf, Andreas Ehlert, und Dortmund, Bertold Schröder, am Montag beim „Zukunftsgespräch Handwerk und Kirche“ in Mülheim gefordert. „Wir haben zu viel Energie darauf verwandt, das abzufedern, was verloren geht“, sagte Ehlert in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ mit Blick auf den Strukturwandel in der Region. Statt durch die alten Bilder von Kohle und Stahl solle sich die Region heute lieber über Menschen profilieren, „die Verantwortung übernehmen“. Hier biete das Handwerk „beste Möglichkeiten zum Unternehmertum“, so Ehlert, der auch Präsident des NRW-Handwerks ist. Auch Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck warb bei dem Gespräch dafür, das Ruhrgebiet nicht nur mit dem Fokus auf die Großkonzerne zu betrachten, sondern auch auf die kleinen und mittleren Unternehmen zu schauen.

Handwerk hat Nachholbedarf im Ruhrgebiet

Von denen gibt es auch im Ruhrgebiet eine Menge, dennoch hat das Handwerk in der Region einen messbaren Nachholbedarf: Egal ob bei der Zahl der Betriebe oder der Beschäftigten gemessen an der Gesamtbevölkerung, der Zahl der Auszubildenden oder dem Umsatz – im Vergleich zum NRW-Durchschnitt schneiden die Kammerbezirke an Rhein, Ruhr und Emscher stets etwas schlechter ab. Dafür machte das Podium in der „Wolfsburg“ ein Stück weit auch die Mentalität der Menschen im Ruhrgebiet verantwortlich, die – womöglich aus der Tradition ganzer Familiendynastien in Diensten großer Unternehmen – weniger unternehmerische und gründerfreundlich seien als anderswo in Deutschland. „Wir brauchen im Ruhrgebiet einen Mentalitätswandel“, forderte der Dortmunder Handwerkskammer-Präsident, der in der Region mit ihrer vielen Einwohnern und der großen Bevölkerungsdichte gleichzeitig „gute Chancen“ für seinen Wirtschaftszweig sieht.

Bischof warb für klare Regeln für Zuwanderung

Neben der Zahl potenzieller Kunden ist vor allem die Personalfrage im Handwerk eine zunehmend drängende. Trotz aller Integrations-Anstrengungen könne Zuwanderung dieses Problem nicht lösen, betonte Schröder. Bischof Overbeck warb für ein bundesweites Einwanderungsgesetz, das bei der Zuwanderung humanitäre klar von ökonomischen Aspekten trennen und eine geordnete Zuwanderung auch für Arbeitnehmer in nicht-akademischen Branchen ermöglichen solle. Angesichts immer weiter steigender Studierendenzahlen wandten sich Schröder und Ehlert gegen eine zunehmende Akademisierung. Es sei „Aufgabe der Gesellschaft darauf aufzupassen, dass der dualen Ausbildung hier nicht der Boden entzogen wird“, betonte Schröder.

Chancen durch die Digitalisierung

Vor allem in der Digitalisierung sieht der Bochumer Regionalforscher Franz Lehner große Potentiale für das Handwerk. Durch eine stärkere Vernetzung könnten Handwerksbetriebe schneller von Innovationen profitieren und blieben dennoch die Produktions- und Vertriebspartner vor Ort. Die Handwerkskammern könnten solche Netzwerke koordinieren, so die Idee des Bochumer Soziologen. Neben der digitalen Kooperation warb Lehner auch für eine räumliche Vernetzung von Handwerksunternehmen, zum Beispiel in Handwerkszentren, die – von Kommunen ausgewiesen – ein Konzept gegen die chronische Flächenknappheit im Ruhrgebiet sein könnten.

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