von Maria Kindler und Thomas Rünker

Glauben: Kein Halbwissen, sondern ein Vertrauensakt

Die Erfurter Dogmatik-Professorin Julia Knop hat in der Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ darüber gesprochen, was es heute bedeutet, zu glauben.

Was heißt heute glauben? Für ein Gespräch zu dieser Frage war die Erfurter Dogmatik-Professorin Julia Knop am Donnerstagabend, 17. März, zu Gast in der Mülheimer Bistumskademie „Die Wolfsburg“. In einem Interview mit Akademiedozent Jens Oboth hatte sich Knop zuvor bereits in der „Wolfsburg“-Zeitschrift „Akzente“ zu diesem Thema geäußert. Unter anderem spricht Knop darin über „Glauben als Vertrauensakt“, große Unterschiede zwischen der Glaubensvermittlung früher und heute. Dabei brauche der christliche Glaube auch in Zeiten sich verändernder Kirchenstrukturen die Gemeinschaft, sagt Knop.

Zur Person: Julia Knop

Die 1977 geborene und im Münsterland aufgewachsene Julia Knop ist seit 2017 Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät in Erfurt. Studiert hat sie Theologie und Germanistik in Bonn und Münster. Knop berät verschiedene kirchliche und ökumenische Kommissionen, ist gewähltes Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und engagiert sich beim Reformprozess Synodaler Weg. In Blogs, Podcasts und Radiobeiträgen erklärt und kommentiert sie kirchliches Zeitgeschehen und markiert Reformbedarf.

Frau Knop, was heißt für Sie als Dogmatikerin eigentlich glauben?

Julia Knop: Glauben hat zunächst eine inhaltliche Dimension: Das, was ich glaube, zum Beispiel, dass Gott die Welt erschaffen hat. Glauben ist zugleich ein Vertrauensakt. Ich verlasse mich auf Gott, weil er verlässlich ist. Im Lateinischen wird deutlicher als im Deutschen, dass Glauben kein Halbwissen meint, sondern eine Beziehung. Credere kommt von cor dare: das Herz schenken, und fides bedeutet Vertrauen. An Gott zu glauben, bedeutet also nicht, mangels Beweisen seine Existenz zumindest schätzungsweise anzunehmen, sondern sich selbst existenziell auf ihn einzulassen. Eine dritte Ebene betrifft das Subjekt des Glaubens. Wer glaubt eigentlich? Ich bin im Glauben unvertretbar, aber niemand von uns hat den Glauben erfunden. Das Ich des Glaubens ist ein Wir: die Gemeinschaft der Christ:innen aller Zeiten, Orte und Konfessionen.

Ich beobachte gerade unter älteren Menschen hohen Klärungsbedarf in zentralen Glaubensfragen wie zum Beispiel der Auferstehung, der Wandlung usw. Vieles früher Erlernte wird nun hinterfragt. Stecken wir in einer Glaubenskrise oder ist das nur ein Übersetzungsproblem?

Julia Knop: Viele ältere Menschen wurden auf eine Weise religiös erzogen, die uns heute fremd ist. „Richtig“ zu glauben, bedeutete einmal, zu bejahen, was im Katechismus steht. Das konnte man (auswendig) lernen und abfragen. Glauben schien dadurch einfach und eindeutig zu sein. Seither hat sich unser Verständnis von Glauben erweitert. Wir wollen nicht Sätze nachbeten, sondern selbst sprachfähig sein. Glauben und Leben sollen nicht auseinanderfallen. Doch Konzepte der Vergangenheit antworten nicht auf Fragen der Gegenwart. Und manch überkommene Praxis ist heute eher Hindernis als Hilfe. Es ist gut, dass wir uns damit auseinandersetzen. Das ist für mich eher ein Zeichen von Vitalität als Indiz einer Glaubenskrise.

Immer mehr Christ:innen gehen auf die Suche nach alternativen Orten, Feierformen und Netzwerken, um ihren Glauben zu leben. Wie deuten Sie das?

Julia Knop: Die kirchliche Gestalt des Glaubens verändert sich. Die hierarchisch-klerikale Machtorganisation der katholischen Kirche ist angesichts von Missbrauch und Vertuschung zutiefst diskreditiert. Das trifft kirchlich engagierte Katholik:innen umso härter, weil damit zugleich ihre religiöse Heimat erodiert. Viele wenden sich entsetzt sogar ab. Doch Glauben braucht Gemeinschaft. Deshalb ist es einerseits ein Symptom einer Kirchenkrise, wenn Christ:innen ihren Glauben jenseits kirchlicher Formen leben. Es spricht zugleich für ihre Souveränität im Glauben, wenn ihr Gottvertrauen nicht an der kirchlichen Misere zerbricht, sondern neue Wege sucht. Welche Wege das sind und welche Formen sich als tragfähig erweisen, wird sich finden. Neu erfinden können wir den Glauben ohnehin nicht. Aber altbacken helfen weder Formen noch Strukturen noch Inhalte. Der Schatz des Glaubens birgt „Neues und Altes“ (Mt 13,52), das es zu entdecken gilt, auf dass Hoffnung wachse und Grenzen überwunden werden. Am Ende zählt Glaubwürdigkeit.

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