von Thomas Rünker

„Die Passion” erzählt Jesu Leidensgeschichte im Essen des Jahres 2022

Knapp 5000 Menschen haben am Mittwochabend auf dem Essener Burgplatz die live vom Fernsehsender RTL produzierte und übertragene Show rund um Verrat, Verurteilung und Hinrichtung Jesu verfolgt. Texte, Musik und die Schauspielerinnen und Schauspieler sorgten für große Gefühle und viel Begeisterung beim Publikum.

Im weißen Gewand auf dem Dach der Lichtburg streckt Alexander Klaws seine Hände zum Himmel und singt zum großen Finale der Show auf dem Burgplatz: „Halt dich an mir fest, wenn das Leben dich zerreißt.“ Mit diesen bekannten Zeilen des Popsongs von „Revolverheld“ hatte Moderator Thomas Gottschalk bereits zu Beginn des Abends den roten Faden der Passions-Geschichte im Pop-Format erklärt. Und als um kurz nach halb elf die katholische Theologin Theresa Kohlmeyer und der evangelische Pfarrer Jan Vicari auf der strahlend weißen Bühne die knapp 5000 Männer und Frauen, die bei der Deutschland-Premiere von „Die Passion“ dabei waren, segneten, stand auch wieder die Liedzeile im Mittelpunkt. „Möge Gott dich festhalten, wenn dein Leben dich zerreißt“, ruft Kohlmeyer den Menschen zu. „Möge Gott dich festhalten, wenn du nicht mehr weiterweißt“, ergänzt Jan Vicari, der Marktkirchenpfarrer.

Gottschalk hatte zwar schon in der ersten Viertelstunde des Programms gleich mehrfach erklärt, dass die Show aus Essen „kein Gottesdienst“ sei, hier „niemand die Hände faltet“ und „kein Weihrauchfass“ geschwenkt werde. Aber eine spirituelle Tiefe kann „Die Passion“ über weite Strecken nicht leugnen – und will dies wohl auch nicht. Die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu sei „eine Geschichte, die unsere Kultur geprägt hat“ und die einem nahe gehe, „egal ob man gläubig ist oder der Kirche schon den Rücken gekehrt hat“, so Gottschalk.

Jesus und seine Freunde kommen mit dem Linienbus

Diese Geschichte verlegt „Die Passion“ ins Essen des Jahres 2022: Jesus reitet nicht auf einem Esel, sondern nimmt mit seinen Freunden den Linienbus. Zudem begleiten ihn nicht zwölf Jünger, sondern eine Clique aus jungen Frauen und Männern, wie man sie am Wochenende auch in einem Restaurant in Essen-Rüttenscheid treffen könnte. Während über weite Strecken nur Gottschalk und Ella Endlich auf der großen Bühnenlandschaft auf dem Burgplatz spielen, werden die wesentlichen Episoden über Einspielfilme erzählt, die in verschiedenen Essener Stadtteilen spielen. Dabei sind wesentliche Dialoge Bibel-Originalton. „Die klassische Bibelübersetzung ist wie ein roter Faden der Geschichte, aber gleichzeitig auch eine Provokation“, beobachtet der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der die Show ebenfalls am Burgplatz verfolgt. Die jahrhundertealte Sprache der Bibel sei ein auffälliger Kontrast in der ansonsten sehr modern gehaltenen Inszenierung.

Unter den fast 5000 Gästen am Dom ist auch Familie Schmolke aus Essen-Burgaltendorf. „Bela ist Kommunionkind, da dachten wir, dass die Passion ganz passend sein könnte“, sagt Mutter Julia mit Blick auf den Jüngsten, der auf den Schultern von Papa Yoji sitzt. Julia freut sich vor allem auf die Musik von Alexander Klaws, und auch die zwölfjährige Tochter Maja – Saxofon-Spielerin und Musical-Fan – hofft auf einen musikalischen Abend. Bela bekommt dabei passionstechnisch gleich die doppelte Ladung: „Heute Morgen waren wir noch in Bochum im Kloster Stiepel beim Kinderkreuzweg“, erzählt Yoji.

Moderne Popsongs, die zur Geschichte passen

Neben den Dialogen ist die Musik der entscheidende Faktor der Show. Nicht „Oh Haupt voll Blut und Wunden“, sondern moderne Pop-Songs, deren Text meist erstaunlich gut in die jeweilige Szene passt. Egal ob Klaws beim letzten Abendmahl „Hinterm Horizont gehts weiter“ anstimmt, Endlich angesichts der tiefen Verzweiflung ihres Sohnes „Immer wieder geht die Sonne auf“ singt oder Laith Al-Deen als Petrus mit dem Jupiter-Jones-Song „Still“ auftritt, als er nach der Verhaftung Jesu seine Freundschaft leugnet. Eine Song-Auswahl, die vor allem auf „Söhne Mannheims“-Mitbegründer Michael Herberger als musikalischem Leiter von „Die Passion“ zurückgeht – und die auch Anne Wagner lobt, die die Show zwischen Domhof und Bühne verfolgt. Auch die Texte von Gottschalk seien durchaus ansprechend. Die Katholikin Wagner hat Passions-Erfahrung, zum Beispiel als Chorsängerin, und sagt: „Die Geschichte macht etwas mit mir – aber nicht unbedingt heute Abend.“

Henning Baum kommt als Pontius Pilatus auf die Bühne

Mit Jesu Gerichtsverhandlung kommt Leben auf die Bühne: Der Essener Lokalmatador Henning Baum alias Pontius Pilatus windet sich überzeugend vor der Entscheidung, Jesus zu verurteilen oder freizulassen. Wie im historischen Original fragt er das „Volk“, ob er Jesus oder Barrabas – gespielt vom feixenden Martin Semmelrogge – freilassen soll. „Barrabas“ ruft das Publikum auf dem Burgplatz getreu dem Drehbuch und schiebt ein lautes „Kreuzige ihn!“ in Richtung Jesus hinterher. Und das so überzeugend, dass es manch gläubigem Christen wohl nicht nur den abendlichen Temperaturen wegen kalt den Rücken herunter läuft: Ja, so ähnlich könnte die Menge wohl auch damals geschrien haben.

Danach geht die Geschichte zügig zu Ende: Anstatt Jesus tatsächlich zu kreuzigen übernimmt nun Pontius Pilatus die Rolle des Erzählers und malt dem Publikum mit eindringlichen Worten die Grausamkeiten einer Kreuzigung aus. Angelehnt an das biblische Erdbeben zu Jesu Todesstunde sorgen dann die 860 Scheinwerfer für ein Gewitter – und der Chor, Studierende der evangelischen Pop-Akademie in Witten, stimmt den „Unheilig“-Titel „Geboren, um zu Leben“ an, bevor Klaws seinen Auftritt auf dem Dach bekommt.

Deutschland-Premiere mit 12 Jahren Niederlande-Erfahrung

In den Niederlanden ist „Die Passion“ seit 12 Jahren ein verlässlicher Quoten-Bringer in der Karwoche. In Essen sollte „Die Passion“ ursprünglich schon 2020 Premiere feiern, doch dann kam Corona dazwischen.

„Sehr gut inszenierte Show und eine religiöse Dimension“

„Ich fand’s super!“, sagt danach die 12-jährige Maja. Vor allem, dass Jesus und die Jünger zu Anfang mit dem Bus gefahren seien, habe ihr besonders gut gefallen. Für Mutter Julia war „Die Passion“ „eine gute Mischung aus einer sehr gut inszenierten Show und einer religiösen Dimension“. Gerade die Lieder seien „sehr passend“ gewesen.

„Das Ereignis berührt mich und ganz viele, durch die Verbindung von Text mit Bildern und Musik, die sehr Unterschiedliches in einem anrühren und den Versuch machen, diese Geschichte wirklich im Heute zu erzählen“, ist auch Bischof Overbeck zufrieden. „Mich selbst haben die aufmerksamen Menschen bewegt, die dabei waren – und natürlich die wunderbare Szene vor unserem Dom“.

Ob es die so noch ein zweites Mal geben wird, ist indes offen. In den Niederlanden läuft „Die Passion“ jedes Jahr in einer anderen Stadt. Ob es nach der Deutschland-Premiere überhaupt eine zweite Auflage gibt, dürfte wohl auch davon abhängen, ob die Show nicht nur beim begeisterten Publikum auf dem Essener Burgplatz, sondern auch vor den Bildschirmen Erfolg hatte.

Bilder und Statements zu "Die Passion" im Video

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