von Jürgen Flatken

Cityseelsorge: keine Konkurrenz zur Pfarrei, sondern Ergänzung

Knapp 30 haupt- und ehrenamtliche Akteure aus verschiedenen deutschen Bistümern haben sich zwei Tage in der Bistums-Akademie „Die Wolfsburg“ zum Thema „Glaube findet Stadt“ ausgetauscht.

In Großstädten wie denen des Ruhrgebiets verändert sich die Gesellschaft besonders schnell. Gleichzeitig sind sie Schmelztiegel unterschiedlichster Weltanschauungen, die Angebote der Kirche vor große Herausforderungen stellen. Wie kann Glaubenskommunikation im urbanen Raum gelingen? Welche Strategien, Orte und Formate der Begegnung und des Dialogs müssen neu geschaffen werden, um mit Menschen über Glaubens- und Sinnfragen ins Gespräch zu kommen? Diese Fragen haben jetzt 30 Fachleute auf der Tagung „Glaube findet Stadt“ in der Mülheimer Bistums-Akademie „Die Wolfsburg“ diskutiert. 

„Es ist gerade eine gute Zeit dafür, sich diesen Fragen zu stellen. Es ist gerade viel in Bewegung”, sagte Tagungsleiter Jens Oboth zum Ende der zweitägigen Veranstaltung. „Wir sind gerade Zeugen eines doppelten Transformationsprozess: Die Stadt organisiert sich nach Corona neu und auch die Kirche durchläuft gerade eine Metamorphose im Zeitraffer.“ Eine gute Gelegenheit, neues zu wagen und sich von Überkommenen zu trennen, eine gute Gelegenheit für die Cityseelsorge.

Die herkömmlichen Konzepte von Gemeindepastoral würden immer weniger Menschen erreichen, kirchliche Rituale und Liturgie seien ihnen fremd geworden. Die Cityseelsorge versucht einen neuen Ansatz und begibt sich dorthin, wo Menschen sich tagsüber aufhalten: mitten in der konsumorientierten, weltlich-wuseligen Betriebsamkeit der Städte und Einkaufszonen versucht Kirche, neue Orte kirchlicher Präsenz so zu gestalten, dass Menschen leichter einen Zugang finden zum Glauben, zu sich. Wichtig dabei: die Kirche kommt zu den Menschen, nicht umgekehrt.

Diesen Ansatz verfolgt schon seit mehreren Jahren „grüßgott“, die Cityseelsorge am Essener Dom. Seit dem vergangenen November gibt es mit einem Glaspavillon mitten in der Fußgängerzone für deren Angebote auch einen festen Ort. Haupt- und ehrenamtlich Engagierte um Cityseelsorger Bernd Wolharn suchen von dort aus die Begegnung mit den Menschen in der Essener Innenstadt. „Die Menschen werden neugierig und kommen herein“, erzählte Wolharn seinen Kolleginnen und Kollegen anderer Bistümer auf der Tagung. „Wir verstecken uns nicht mehr hinter dicken Mauern, sondern werden sichtbar.“ Und stünden jeder und jedem offen, „egal welcher Religion und Konfession“. 

Ein spannendes Lernfeld und so ganz anders als die herkömmliche Arbeit in den Kirchengemeinden. Denn im Gegensatz zu den Pfarreien, die daran interessiert seien, Menschen langfristig an sich zu binden und miteinzubeziehen, sei in der Cityseelsorge jeder willkommen, dürfe aber auch wieder gehen, „ohne ein schlechtes Gefühl zu haben. Wir müssen stärker lernen, absichtslos in Dinge hineinzugehen“, führte Pastoralreferent Rupert König, Leiter des Kirchenfoyers im Bistum Münster, aus.

„Wir sind noch oft im Alten verhaftet“, ergänzte Roswitha Paas, die ehrenamtlich bei „grüßgott!“ dabei ist. Die Cityseelsorge werde oft nach als Konkurrenz zur Pfarrei gesehen, „nicht als Ergänzung. Wir gehören doch zu einer Kirche.“ Paas brach eine Lanze dafür, sich nicht gegeneinander auszuspielen. Und sie plädierte dafür: anders zu denken, anderes zu ermöglichen. 

Pressestelle Bistum Essen

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