von Maria Kindler

Bischof Overbeck: Kirche erhebt Stimme für Solidarität und Pluralität im Revier

Über Meinungsmacher und Akteure im Ruhrgebiet diskutierte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck mit Evonik-Chef Christian Kullmann, mit Asli Sevindim vom NRW-Integrationsministerium und mit WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock. Die digitale Podiumsdiskussion mit rund 100 Teilnehmenden wurde von der Mülheimer Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ und der Business Metropole Ruhr veranstaltet.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hat bei der strukturellen Umwandlung des Ruhrgebiets die Aufgabe der Kirche unterstrichen, stets die soziale, innovative und ökologische Perspektive in die Debatte einzubringen. Kirche müsse etwa die Frage nach Bildungsgerechtigkeit stellen, wesentliche Strukturfragen wie etwa zum Verkehr in der Region aufwerfen und müsse „eine Stimme für diejenigen sein, die noch nicht so eine kräftige Stimme haben“, sagte Overbeck am Montagabend, 22. März, bei einer digitalen Podiumsdiskussion der Mülheimer Bistumsakademie „Die Wolfsburg“ und der Ruhrgebiets-Wirtschaftsförderung Business Metropole Ruhr (BMR).

Unter dem Titel „Stimmen(los) im Ruhrgebiet – Player, Akteure und Meinungsmacher der Metropole Ruhr“ diskutierte Overbeck mit dem Vorstandsvorsitzenden des Essener Spezialchemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann, mit Asli Sevindim, Leiterin der Abteilung Integration im NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, und mit Andreas Tyrock, Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Wolfsburg-Dozent Mark Radtke und BMR-Pressesprecher Benjamin Legrand moderierten die Veranstaltung.

Overbeck betonte die Verantwortung der Kirche für „diese besondere Region“, die mit dem Ende der Steinkohle-Ära einem tiefgreifenden Wandel unterworfen sei. „Pluralität und Solidarität“ seien „Stärken des Ruhrgebiets und werden hier gelebt“, aber sie müssten auch nach außen sichtbar werden, sagte der Ruhrbischof. Overbeck bedauerte die Abfuhr für die Rhein-Ruhr-Region durch das Internationale Olympische Komitee im Rennen um Olympia 2032. Große Ereignisse wie Olympia könnten helfen, das Selbstbewusstsein der Region zu stärken und nach außen zu tragen.

Evonik-Chef Kullmann: Arbeit ist „zentrales Teilhabeinstrument“

Der Vorstandsvorsitzende des Essener Spezialchemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann, mahnte ein größeres Ruhrgebiet-Selbstbewusstsein an. „Wir müssen uns doch nicht verstecken“, sagte Kullmann. „Wir sind gut: unsere Universitäten, unsere Unternehmen, unsere Menschen, unsere Geschichte.“ Mit einem ausschließlich positiv besetzten „identitären Selbstverständnis“ wäre für die Region viel gewonnen. Kullmann unterstrich die Verantwortung seines Unternehmens für das Ruhrgebiet. „Ob Evonik im Ruhrgebiet sitzt oder woanders, ist für Evonik egal, aber für das Ruhrgebiet nicht“, sagte der Manager. Evonik habe rund 10.000 Beschäftigte in der Region und zahle jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro Löhne und Gehälter. Der aus der „Leistung der Bergleute“ entstandene und heute international und global aufgestellte Konzern sorge also für „Wachstum und Wohlstand“ in der Region. Und Arbeit sei das „zentrale Teilhabeinstrument in jeder Gesellschaft“, so Kullmann.

Digitale Diskussion mit Beteiligung über Chat

Die coronabedingt rein digitale Diskussion von „Wolfsburg" und Business Metropole Ruhr verfolgten rund 100 Menschen im Livestream. Das Podium in der virtuellen „Wolfsburg“ wurde von Akademiedozent Mark Radtke moderiert. BMR-Pressesprecher Benjamin Legrand brachte immer wieder Fragen aus dem Online-Plenum in die Debatte ein.

Die BMR versteht sich als Botschafterin des Wirtschaftsstandorts Ruhrgebiet. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Wettbewerbsfähigkeit der Metropole Ruhr zu steigern und sie als leistungsstarke und innovative Region zu stärken.

DAS RUHRGEBIET IM STRESSTEST heißt die Veranstaltungsreihe, die die „Wolfsburg“ in Kooperation mit der BMR im Oktober 2020 gestartet hat. Referent*innen aus Wirtschaft, Forschung, Gesellschaft und Kirche sollen in regelmäßigen Abständen auf das Ruhrgebiet blicken und es einem Stresstest unterziehen, um es auf Belastbarkeit zu prüfen. Was sind die Stärken der Region? Wo liegen Nachteile? Die nächste Veranstaltung in dieser Reihe ist für Frühjahr 2022 geplant.

WAZ-Chefredakteur Tyrock: Ruhrgebiet braucht „Zukunftsgewandtheit“

Als fest verwurzelte „Regionalzeitung vor Ort“ begleite die WAZ die Entwicklung des Ruhrgebiets „aktiv und konstruktiv-kritisch“, sagte WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock. „Im Gegensatz zu Evonik können wir nicht woanders sein“, sagte der Journalist. Er vermisse im Ruhrgebiet eine „Zukunftsgewandtheit“. Ja, diese Region habe „eine große Tradition, eine große Geschichte“, aber es gelte, mehr über die Zukunft zu sprechen, Chancen und Möglichkeiten etwa für Startups aufzuzeigen. „Altes nicht ad acta legen und trotzdem Neues wagen“, sagte Tyrock. Die Vielfalt der Region mit ihren 53 Orten und Städten und mit ihrer sehr großen Dichte an Universitäten, an Kultur und an Unternehmen sei „etwas Besonderes“. „Die Zeit der Ruhrbarone und der Alleinherrscher ist vorbei. Und das ist gut so, denn es passt nicht mehr in unsere Zeit“, sagte Tyrock.

Sevindim: Arbeit und Bildung sind „Königsdisziplinen“ der Integration

Arbeit und Bildung seien die „Königsdisziplinen“ für „eine gelingende Integration“, sagte Asli Sevindim, Leiterin der Abteilung Integration im NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration. Diese wiederum ermögliche Partizipation und befähige dazu, eine Stimme zu entwickeln. Auch wenn im Ruhrgebiet schon Vieles in Sachen Integration erreicht worden sei, gebe es immer noch ungehörte Stimmen. Dies gelte etwa für Frauen, die sich ihre Stimme erkämpfen mussten und immer noch nicht vollends gehört werden. Die Lebenswirklichkeiten der Menschen dürften nicht ignoriert werden. „Man muss immer wieder fragen: Wie zufrieden sind die Menschen hier?“, sagte Sevindim. Von einem gelingenden Miteinander profitiere auch die Region.

Sevindim war 2019 ins nordrhein-westfälische Integrationsministerium gewechselt. Die türkischstämmige Journalistin aus Duisburg hatte zuvor als Moderatorin der „Aktuellen Stunde“ vor der Kamera gestanden und ist dadurch einem breiteren Publikum bekannt.

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