von Maria Kindler

Bischof Overbeck diskutiert über die Zukunft der Arbeit im Ruhrgebiet

Digitalisierung und technischer Fortschritt verändern die Arbeitswelt, ermöglichen zugleich aber neue Geschäftsmodelle, Arbeitsfelder und auch neue Arbeitsplätze. Damit Potenziale gehoben werden können, muss der Wandel der Arbeitswelt gestaltet werden, so der Tenor eines Diskussionsabends in der Mülheimer Bistumsakademie Die Wolfsburg, der in Kooperation mit der Ruhrgebietswirtschaftsförderung Business Metropole Ruhr (BMR) und mit dem Wirtschaftsbündnis Initiativkreis Ruhr (IR) stattfand.

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat die vielschichtige Bedeutung von Arbeit in einer sich durch Digitalisierung und technischen Fortschritt strukturell wandelnden Arbeitswelt unterstrichen. „Für sehr viele Menschen ist Arbeiten eine Notwendigkeit, um das Lebensauskömmliche zu erlangen, aber zugleich erfährt der Mensch – dadurch dass er arbeiten darf und kann –, seine eigene Würde, die wiederum von Gott kommt“, sagte der Ruhrbischof am Mittwochabend, 30. November, in der Wolfsburg.

In der Corona-Pandemie mit Phasen des Lockdowns und der Isolation habe sich zudem der hohe soziale Wert und die Sinnhaftigkeit von Arbeit deutlich gezeigt, sagte Overbeck. Corona habe die Digitalisierung deutlich nach vorne gebracht und das Arbeiten sehr flexibilisiert, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einfacher gemacht habe.

Unter dem Titel Digitaler und innovativer! Die Zukunft der Arbeit im Ruhrgebiet diskutierte Overbeck mit der Geschäftsführerin der Business Metropole Ruhr, Julia Frohne, mit Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE), mit dem ehemaligen Präsidenten des Instituts Arbeit und Technik im Wissenschaftszentrum NRW, Franz Lehner, und mit Michelle Kwyas vom Mentoring-Programm des Jungen Initiativkreises Ruhr. IR-Geschäftsführerin Anette Bickmeyer fehlte kurzfristig auf dem Podium. Neben den von Wolfsburg-Dozent Mark Radtke moderierten Wortbeiträgen gab es immer wieder interaktive Umfrageelemente, die Anna Steinmeier, Projektmanagerin des Jungen Initiativkreises Ruhr, in die Debatte einbrachte.

Wie eine Transformation der Arbeitswelt sozial gerecht gestaltet werden kann, was die Innovationstreiber sind und wie zukunftsfähig die Arbeit im Ruhrgebiet ist, hatte Akademiedirektorin Judith Wolf bei ihrer Begrüßung gefragt. Wolf führte ein vor kurzem veröffentlichtes Dynamikranking an, wonach etwa Dortmund im Standortwettbewerb zu den zehn dynamischsten Städten Deutschlands gehöre.

Der Ruhrbischof betonte die große Bedeutung einer Verkehrstransformation für die Zukunft des Ruhrgebiets. „Die Kleinstaaterei im Ruhrgebiet im Hinblick auf den Verkehr“ müsse einer Vernetzung aller Verkehrsträger weichen. Nur mit dem deutlichen Ausbau der Infrastruktur könnten etwa ermüdende Staus reduziert werden. Mehr Mobilität mache die Region aber wiederum für Unternehmen attraktiv, die ihrerseits mit einer Ansiedlung im Ruhrgebiet Arbeitsplätze generierten.

Soziologe Lehner: Es braucht ein Konzept zur Gestaltung des Wandels

Der frühere Präsident des Instituts Arbeit und Technik im Wissenschaftszentrum NRW, Franz Lehner, mahnte ein rechtzeitiges und konkretes Konzept an, um auf die Gegebenheiten der veränderten Arbeitswelt reagieren zu können. „Es gibt Chancen für neue Arbeitsplätze, aber diesen Strukturwandel muss man sich in den nächsten 10, 20, 30 Jahren erarbeiten und ihn gestalten“, sagte der Soziologe. „Das wird die entscheidende Frage sein.“ Doch das Ruhrgebiet habe etwa bei der Kulturhauptstadt 2010 gezeigt, was mit gebündelten Kräften und unter Einbeziehung der Menschen in der Region möglich sei, und so die kulturelle Stärke des Ruhrgebiets ins Bewusstsein gebracht – mit Erfolg. Verpasse man allerdings dieses Momentum, seien die Aussichten eher düster, warnte Lehner.

BMR-Geschäftsführerin: Ruhrgebiet ist „Modellregion und Reallabor“

Info: Business Metropole Ruhr und Junger Initiativkreis Ruhr

Die BMR versteht sich als Botschafterin des Wirtschaftsstandorts Ruhrgebiet. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Wettbewerbsfähigkeit der Metropole Ruhr zu steigern und sie als leistungsstarke und innovative Region zu stärken.

Der Initiativkreis Ruhr ist ein Zusammenschluss von mehr als 70 führenden Wirtschaftsunternehmen und Institutionen im Ruhrgebiet.

Der Junge Initiativkreis Ruhr setzt sich als Botschafter der nachfolgenden Generationen für ein agiles Ruhrgebiet ein. Die Mitglieder machen es sich seit 2016 zur Aufgabe, den Wandel in der Region mit für sie wichtigen Aktivitäten voranzutreiben.

BMR-Geschäftsführerin Frohne zeigte sich dagegen optimistischer. Digitalisierung und Transformation müssten als große Chance begriffen werden. „In einer Region mit 53 Städten, in denen mehr als fünf Millionen Menschen leben, kann Digitalisierung eine Transparenz über Entfernungen hinweg schaffen“, sagte Frohne. Auf diese Weise könnten enorme Potenziale für Synergien freigesetzt werden: „Wenn das Ruhrgebiet wüsste, was das Ruhrgebiet weiß.“

Im Hinblick auf den Fachkräftemangel, der sich mit dem Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge in den kommenden Jahren noch verschärfen werde, könne die Digitalisierung helfen, den Mangel zu lindern, weil Arbeitnehmer beispielsweise auch aus entfernteren Städten heraus arbeiten könnten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts werden bis 2036 rund 13 Millionen Erwerbspersonen der sogenannten Babyboomer das Renteneintrittsalter überschritten haben.

Transformationen gehören laut Frohne aber seit jeher zum Ruhrgebiet. Die Metropolregion Ruhr habe sich aus einer Region mit noch mehr als 300 000 Bergbaubeschäftigten in den 1960er Jahren mit dem Ende der Steinkohle-Ära zu einer Metropolregion mit rund 260 000 Studierenden an 22 Hochschulen gewandelt. „Das gibt Hoffnung und hilft, mit Herausforderungen zurechtzukommen“, unterstrich Frohne. Mit seiner „Historie aus Kohle und Stahl“ und seiner Transformation sei das Ruhrgebiet „Modellregion und Reallabor“.

Gewerkschafter: Beständige Arbeitsverhältnisse sind die Basis

IGBCE-Hauptvorstandsmitglied Francesco Grioli unterstrich die Herausforderungen für den Arbeitsmarkt durch die demografische Entwicklung und den damit einhergehenden Fachkräftemangel. „Umqualifizierungen im großen Stil“ würden für die Arbeitswelt der Zukunft entscheidend sein.

„Doch bei aller Schwierigkeit: Die Verantwortung in der sozialen Marktwirtschaft steht auf einem Wertefundament“, betonte Grioli. Menschen bräuchten beständige Arbeitsverhältnisse, um Planungssicherheit für ihr Leben zu haben und damit ihnen gesellschaftliche Teilhabe möglich ist – angefangen vom Mut, eine Ehe und Partnerschaft einzugehen, Kindern das Leben zu schenken, bis hin zur Beteiligung am Gemeinwohl. Arbeit sei sinnstiftend.

Kwyas: Junge Menschen wollen mit ihrer Arbeit Beitrag leisten

Die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit sei eine ganz entscheidende vor allem für junge Menschen, berichtete Michelle Kwyas vom Mentoring-Programm des Jungen IR. Junge Menschen stellten sich sehr oft die Frage, wie sie mit ihrer Tätigkeit einen Beitrag zur Gestaltung großer Zukunftsthemen leisten könnten. Das Ruhrgebiet in seiner Vielfalt sei dafür ein guter Ort. „Wir brauchen keine große Angst zu haben, dass die jungen Leute weggehen.“

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen