Beschenkt und gleichzeitig herausgefordert

Gespannte Aufmerksamkeit erwartete Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck beim Tag der Priester und Diakone 2010. Vor rund 400 Priestern und Diakonen skizzierte Oberbeck Aufgaben und Möglichkeiten des künftigen kirchlichen Engagements in der Region.

Ruhrbischof beim Tag der Priester und Diakone im Bistum Essen
 
Dass ihn beim Tag der Priester und Diakone im Bistum Essen, am Montag, 11. Januar, gespannte Aufmerksamkeit, ja Neugierde erwarten würden, hatte Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck erwartet. Mehr noch: Er sei sich durchaus des Risikos bewusst, „gleich zu Beginn mit Erwartungen konfrontiert zu werden, sowohl Programmatisches zu sagen als auch als Hörender wahrgenommen zu werden, dem diese Klugheitsregel im ersten Jahr seiner Amtszeit obliegt“. Doch sei ihm ebenso bewusst, „dass Sie Ihren Bischof näher kennenlernen wollen“, wandte er sich an die rund 400 Priester und Diakone aus dem gesamten Ruhrbistum. Dem stelle er sich selbstverständlich und sehr gerne, fügte Overbeck hinzu.
 
Es sei ein Grundauftrag der Kirche, den Menschen Wege zu zeigen, Gott zu finden. Darum danke er zunächst allen ausdrücklich, die bisher an diesem Auftrag gearbeitet haben. „Auf diesem Fundament können wir gemeinsam weiter bauen“, bekräftigte der Bischof. „Das uns Aufgetragene – in den zahlreichen Möglichkeiten wie Bedrängnissen unserer Zeit – weiterhin mit einem großen Gottvertrauen und in der Gemeinschaft der Kirche, aber auch in lebendiger Zeitgenossenschaft zu tun, ist eines meiner wichtigsten Anliegen“, betonte er.
 
„Beschenkt und herausgefordert. Zu den Dimensionen des Lebens als Kirche im Bistum Essen“, hatte der Bischof seinen Vortrag überschrieben. Er bringe damit die Wirklichkeit zum Ausdruck, in der die Kirche heute stehe, so Overbeck. „Wir sind beschenkt mit dem Glauben und der Lebendigkeit der Kirche, mit der Gemeinschaft vieler Menschen, vor allem aber mit dem Evangelium und der Zusage, diese Botschaft weitersagen zu können. Zugleich sind wir herausgefordert, dies in neuen Zeiten zu tun, die von vielen Übergängen gekennzeichnet sind, uns zu Spurensuchern macht. Wir sind herausgefordert zu einem Abenteuer von Kirche, die sich gerade in den größten Teilen des Bistums dem Lebensgefühl fast aller Menschen neu stellt, Kirche in der Stadt und zugleich in radikaler Diaspora zu sein.“ 
 
Die sich entwickelnde neue Sozialgestalt von Kirche stelle die Christen vor Aufgaben, wie sie keiner anderen Generation zuvor aufgegeben war. „Als Bischöfe, Priester und Diakone gehören wir zu denjenigen, die diesen in vielen Teilen schmerzlichen Umwandlungsprozess an vorderster Stelle erleben und zu bestehen haben“, sagte der Bischof. Dies sei nicht nur ein Prozess, der sich der äußeren Gestalt von Kirche annehme, sondern vor allem ein Prozess, der nach innen gehe und Wandlungen provoziere. Overbeck: „Wer sich auf Dauer nicht dieser inneren Wandlung stellt wird es sehr schwer haben.“ Die größte Herausforderung bestehe deshalb darin, sich der Gegenwart zu stellen. Das bedeute, „ in einem großen Spagat zwischen den Prägungen der eignen Herkunft, den Wünschen derer, die das Bisherige mit großer Treue mittragen, und denen, die auf neue Weise Kirche sind, zu leben“. So werde man „Kirche im Volk mit volkskirchlichen Elementen“ sein.
 
Was es heißt, sich als Kirche in einer Welt mit vielen anderen Angeboten zu positionieren, machte Overbeck am Beispiel des Dienstes der Caritas deutlich. Krankenhäuser, Pflegedienste und andere karitative Einrichtungen, Kindertagesstätten und Beratungsstellen seien ein beredter Ausdruck für eine reiche Tradition, die der Zeit der Volkskirche zugehörten, sagte er. 

Diese „große und strahlende Institution“ sei aber auch immer mehr zu einer Herausforderung geworden. Deshalb werde man künftig nicht tun, „ was wir tun sollten oder tun müssten. Wir werden tun, was wir tun können“.  Dabei betonte er, dass gerade karitative Institutionen eine missionarische Kraft entfalten und exemplarisch deutlich machen könnten, dass Christen aus dem Geist des Evangeliums und einer Kirchlichkeit handeln, die alle Menschen anspricht und angeht.
 
Zugleich verwies der Bischof auch auf das Engagement der Kirche für alle im Ruhrbistum lebenden Menschen. Overbeck: „Meine Aufgabe als Ruhrbischof ist als Platzanweisung zu begreifen, in der Politik, Wirtschaft und Soziales auf der einen und die Botschaft des Evangeliums und der Kirche auf der anderen Seite nicht nebeneinander stehen, sondern vielmehr zusammengehören.“ Darum sei eine klare kirchliche Position in komplexen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen gefordert. Dies, so der Bischof weiter, betreffe auch jeden Priester und Diakon an der konkreten Stelle vor Ort, an der er stehe und lebe.
 
In einer „radikalen Diaspora“ zu leben bedeute auch, neue Formen der Glaubensvermittlung zu entwickeln. Angesichts der zur Verfügung stehenden Kräfte gelte es, die bestehenden Formen der Beicht-, Erstkommunion- und Firmkatechese so zu gestalten, dass genügend Zeit und Kraft für die Erwachsenenkatechese bleibe. Wie viele alte Menschen könnten zum Beispiel nicht mehr glauben, weil ihnen der Kinderglaube nicht mehr weitergeholfen habe und ihnen anderes nicht vermittelt worden sei, fragte der Bischof.  Oder wie könne man angesichts prekärer Familiensituationen, gescheiterter Beziehungen oder angesichts verschiedener Modelle von Partnerschaften Antworten im Glauben darauf geben oder finden. Overbeck: „Hier sind wir aufs Äußerste herausgefordert. Und dies können wir nur in den großen Pfarreien gemeinsam tun.“
 
„Viel Kraft, Mut und Umsicht sowie Gottes reichen Segen“ hatte der Essener Stadtdechant Dr. Jürgen Cleve zuvor bei seiner Begrüßung dem Bischof für dessen neues Amt und den vielen Aufgaben gewünscht. Der priesterliche Dienst sei nicht nur durch die Strukturreform im Ruhrbistum nicht einfacher geworden. Um so wichtiger sei das Gespräch und der Dialog. Deshalb freue er sich über die Ankündigung des Bischofs, in den kommenden Wochen und Monaten alle Pfarreien besuchen zu wollen. Dies biete zugleich die Möglichkeit, mit den Priestern und Diakonen und allen in der Seelsorge Tätigen über ihre jeweilige berufliche Situation ins Gespräch zu kommen.

Mit der Feier der Vesper in der Pfarrkirche St. Gertrud und einem gemeinsamen Abendessen endete der Tag der Priester und Diakone 2010.(ul)

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