von Thomas Rünker

„Wer fromm ist, muss auch politisch sein“

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Bedford-Strohm, wirbt für mehr politisches Engagement der Christen.

"Mischt euch ein!"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Heinrich Bedford-Strohm, hat die Christen zu politischem Engagement und einem selbstbewussten Verkünden der christlichen Botschaft aufgefordert. „Wer fromm ist, muss auch politisch sein“, sagt der bayerische Landesbischof am Montagabend in Mülheim. Zugleich nannte er es „eine Hauptaufgabe“ der Kirchen, den Menschen „die wunderbare Botschaft“ der Christen plausibel zu machen. Der EKD-Ratsvorsitzende war Gastredner des Jahresempfangs von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck und der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg, zu dem am Montagabend rund 500 Gäste nach Mülheim gekommen waren.

Hoffnung auf eine neue politische Kultur

„Wir können doch gar nicht anders als politisch zu werden, wenn Menschen in Not sind und die Ursachen dafür auch in politischen Entscheidungen liegen“, warb Bedford-Strohm für gesellschaftliches Engagement. Beispielhaft nannte er Themen wie gerechtes Wirtschaften, den Schutz der Umwelt oder einen „intelligenteren Umgang mit Konflikten“. „Mischt euch ein!“ forderte er die Christen auf. Doch statt „um parteipolitisches Klein-Klein“ sollten die Christen um „politische Grundausrichtungen“ streiten. „Vielleicht“, so hofft Bedford-Strohm, „kann aus diesem neuen Engagement der Christen eine neue politische Kultur werden“.

Zukunftsmodell Frömmigkeit

Die Basis dafür sieht Bedford-Strohm in der christlichen Botschaft, die aus seiner Sicht aktueller ist denn je. Er nennt Schlagworte wie „Dankbar leben lernen“, „Selbstdistanz üben“, „Vergeben lernen“ oder „aus der Zuversicht leben“, die so oder ähnlich auch in vielen Glücksratgebern zu finden, aber doch im christlichen Glauben viel tiefer verwurzelt seien. Frömmigkeit etwa, sei nicht altmodisch, „sondern ein absolutes Zukunftsmodell“, betonte der Bischof, „eine Praxis, wie ich diese wunderbaren Texte der Bibel in meine Seele einlassen kann“. So könne man „neu lernen, dankbar zu sein“ – und zwar nicht nur jeder einzelne, sondern auch ein ganzes Volk: „Unser Land hat so viel Grund zur Dankbarkeit“, rief der Bischof – und stellte aus Sicht der Kirchen auch das Thema Kirchenaustritte in ein ungewohntes Licht: „Jeder Kirchenaustritt schmerzt – aber dass heute 46 Millionen Menschen in Deutschland aus freier Entscheidung heraus Mitglied einer Kirche sind ist doch sensationell – darüber dürfen wir uns auch mal freuen.“

Hoffnung für die Ökumene

Mit Blick auf das Reformationsgedenken 500 Jahre nach Luthers Thesenanschlag nannte Bedford-Strohm 2017 „ein Jahr der Hoffnung für die Ökumene“. Das Wort von Bischof Overbeck zum neuen Jahr, in dem der Ruhrbischof unter anderem von einer „Schwelle zu einer neuen Gemeinsamkeit im Glauben“ spricht, habe ihn sehr ermutigt.

Das „Friedenswerk der Europäischen Einigung“

Der Ruhrbischof bekräftigte in seiner Ansprache diese grundsätzlich optimistische Sicht auf das Miteinander von Katholiken und Protestanten, stellte der gut funktionierenden „Ökumene des Alltags“ aber auch erneut die „Ökumene in den noch nicht gelösten Fragen“ gegenüber. Auch Overbeck legte den Fokus auf politische Missstände und motivierte zum politischen Engagement. Er prangerte Kinder- und Altersarmut an, warb für das „Friedenswerk der Europäischen Einigung“ und betonte: „Lasen Sie uns wache Christen sein, die die Zeichen der Zeit erkennen, und mutige Christen, die die Verantwortungsübernahme auch im Politischen nicht scheuen!“

Starke Botschaft in einer komplexer werdenden Gesellschaft

Dass diese politischen Diskussionen in einer komplexen Welt stattfinden, in der mancher lieber zu einfachen, populistischen Lösungen greift, machte Akademiedirektor Michael Schlagheck in seinem Grußwort deutlich. „Das Anderssein anzuerkennen, ist mehr als anspruchsvoll, ist aber eine Chance, die Menschen und auch Gott kennenzulernen“, warb er für die Möglichkeiten, die kultivierte Auseinandersetzungen bieten – unter anderem in den christlichen Akademien. Dass die katholische und die evangelische Kirche Orte wie die „Wolfsburg“ hätten, sei „eine starke Botschaft in einer komplexer werdenden Gesellschaft“.

Die Vortragstexte im Wortlaut (pdf):

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