von Thomas Rünker

Kirchengeschichte zwischen Bistumsbrunnen und Papst-Lolli

Der neue Sammelband „Geschichte(n) des Bistums Essen in 30 Objekten“ stellt die Entwicklungen in der katholischen Kirche an Rhein, Ruhr und Lenne anhand von beispielhaften Gegenständen und Orten dar. Leserinnen und Leser können die Sammlung online durch eigene Objekte ergänzen.

Der Bistums-Brunnen am Essener Dom, das Panini-Sammelbild mit der Goldenen Madonna oder der Dauerlutscher zum Papstbesuch im Ruhrgebiet: „Geschichte(n) des Bistums Essen in 30 Objekten“ heißt das neue Buch, mit dem vier Theologinnen und Theologen aus Bochum und Essen die Historie der katholischen Kirche an Rhein und Ruhr auf eine besonders anschauliche Weise darstellen. Zusammen mit zahlreichen Autorinnen und Autoren hat das Herausgeberteam Florian Bock, Miriam Niekämper, Sebastian Eck und Lea Torwesten am Montag in der Essener Domschatzkammer ihren Sammelband vorgestellt, der sich ausdrücklich auch an das nicht-wissenschaftliche Publikum richtet.

„Wir wollen mit der Kirchengeschichte nicht etwas Angestaubtes betreiben, sondern in die breite Öffentlichkeit gehen“, beschreibt der Bochumer Juniorprofessor Bock die im „Arbeitskreis Kirchengeschichte“ des Bistums entstandene Idee. Dabei gebe es unter den 30 im Buch vorgestellten und bebilderten Objekten ausdrücklich kein „wichtigstes“ – „das würde dem Bistum widersprechen, weil wir hier so vielfältig leben“, sagt Bock.

Ein Überblick:

Riesig: Die ehemalige Kirche Heilig Kreuz in Gelsenkirchen-Ückendorf

Die ehemalige Heilig-Kreuz-Kirche in Gelsenkirchen-Ückendorf dürfte das größte der 30 Objekte im Buch sein. Die 1927 bis 1929 im Stil des Backsteinexpressionismus gebaute Kirche – damals die größte des Erzbistums Paderborn – steht nicht nur für einst wachsende Gemeinden durch die massive Zuwanderung im Ruhrgebiet, sondern auch für die heutige Suche nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für ehemalige Gotteshäuser: Nach einem Umbau dient die ehemalige Kirche mit der weithin sichtbaren Christ-König-Figur auf dem Dach künftig als Zentrum für Kultur- und Stadtteilveranstaltungen.

Online-Mitmachaktion

Auf der Internetseite https://bistumsgeschichte.ruhr/ können Menschen aus dem Ruhrbistum Fotos eigene Erinnerungsstücke an besondere Momente ihrer persönlichen Kirchengeschichte hochladen und so die Sammlung der 30 im Buch vorgestellten Objekte ergänzen.

Skurril: Papst-Lolli und Marien-Sammelbild

Neben historisch bedeutsamen präsentiert das Buch auch kleine und skurrile Objekte: Den Papst-Lolli hat 1987 ein Süßwarenhersteller zum Besuch von Johannes Paul II. auf den Markt gebracht. Papst-Fotos konnte er im Vatikan kostengünstig aus einem Fehldruck beziehen. Der Hersteller ließ sie passend ausstanzen und zwischen Lolli und Zelophan-Verpackung wickeln. Bei einem Verkaufspreis von 4 DM bescherte der Papst-Lutscher gute Umsätze – und öffentliche Diskussionen zwischen Empörung und Begeisterung.

An die Stelle von großen Fußballstars hat es die Goldene Madonna 2015 gebracht, als die Firma Panini ein Sammelalbum mit 312 Motiven aus Essen auf den Markt brachte. Klar, dass „Essen sein Schatz“ auch in dieser Sammlung nicht fehlen durfte.

Ernst und fromm: Schwarze Madonna und Padao-Tryptychon

Auch ernste und fromme Akzente setzen einzelne Objekte im Sammelband. Mit der Kopie der Schwarzen Madonna von Tschenstochau in Essen-Altendorf lenkt das Herausgeber-Team den Blick auf die Vielfalt der muttersprachlichen Gemeinden im Bistum Essen und ihre Gebets- und Gottesdiensttraditionen, die sich von denen der deutschen Ortsgemeinden teils deutlich unterscheiden.

Das seit 2020 ausgestellte Tryptychon des Künstlers Walter Maria Padao in der evangelischen Salvatorkirche in Duisburg steht für ein modernes Kunstwerk als Ausdruck von Trauer und Schmerz angesichts der Lovaparade-Katastrophe, bei der zehn Jahre zuvor 21 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt worden waren.

Klein, aber fein: Der Ruhrwort-Kugelschreiber

Mögen mit ihm auch ganz große Geschichten geschrieben worden sein: Der Kugelschreiber der einstigen Bistums-Zeitung „Ruhrwort“ ist eines der kleineren Objekte im Buch. Für Florian Bock – einst selbst „Ruhrwort“-Mitarbeiter – steht der Kuli nicht nur für hunderte Jugendliche und junge Erwachsene, die die Wochenzeitung in den Pfarreien zu den Leserinnen und Lesern gebracht und wohl oft mit diesem Kugelschreiber die Abrechnung quittiert haben. Bock verweist in seinem Beitrag auch auf den Wandel der Bistumspresse vom „Ruhrwort“ zum Mitgliedermagazin „Bene“.

Das Buch

Das Buch „Geschichte(n) des Bistums Essen in 30 Objekten“ ist im Aschendorff-Verlag erschienen (ISBN: 978-3402247747) und für 19,80 Euro im Buchhandel erhältlich.

Überraschend: Ludger-Schrein ohne Frauen

Eine der vielen Brücken zwischen der teils jahrhundertealten Vergangenheit und der aktuellen Gegenwart der Kirche im Bistum Essen schlägt der Beitrag über den 1984 neu geschaffenen Schrein für den 809 verstorbenen Heiligen Ludgerus in der Basilika in Essen-Werden. Der Text nähert sich der Gestaltung des Bronze-Sarkophags durchaus kritisch, fragt nach „Vergangenheitssensibilität ohne Gegenwartssensibilität?“ und stellt einigermaßen erstaunt fest, dass bei den zahlreichen Figuren auf dem Schrein keine einzige Frau dargestellt wird.

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