von Cordula Spangenberg

Ein Zuhause auf Zeit in einer ungewöhnlichen WG

Die Wohngemeinschaft von Jesuiten und Flüchtlingen im Abuna-Frans-Haus in Essen-Frohnhausen ist für alle Bewohner neu: Ein Schutz- und Lebensraum für Flüchtlinge mit Putzplan und ganz normalem Alltag.

Im Flur stehen noch Krimskrams und Umzugskisten, in der Küche hängt schon der Putzplan: Neustart für die Wohngemeinschaft im alten Pfarrhaus neben der Kirche St. Elisabeth in Essen-Frohnhausen. Zehn Männer werden hier künftig zusammenleben – in den beiden unteren Etagen acht Flüchtlinge, im Obergeschoss die Jesuitenpatres Lutz Müller SJ und Ludger Hillebrand SJ.

„Diese Hausgemeinschaft ist auch für uns Jesuiten eine neue Erfahrung“, sagt Pater Lutz Müller (55). Er hat zuvor in Mannheim die Lebens- und Glaubensberatung „Offene Tür“ geleitet hat, sein Mitbruder Pater Ludger Hillebrand (55) hat als Seelsorger im Berliner Abschiebegefängnis gearbeitet. Nach einigen Monaten der Vorbereitung haben sie ihre neue Hausgemeinschaft dem im Jahr 2014 ermordeten niederländischen Jesuiten Frans van der Lugt, genannt „Abuna Frans“ (Vater Frans), gewidmet, der fast 50 Jahre lang in Syrien Friedensdienst geleistet hatte. Im Mai sind nun die ersten Mitbewohner ins Abuna-Frans-Haus eingezogen, drei Zimmer sind bislang noch nicht vergeben.

Große Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft

„Wir sind hier mit sehr viel Hilfsbereitschaft aufgenommen worden“, zeigt sich Müller beeindruckt. Das Bistum Essen und die Pfarrei St. Antonius haben das große Haus renoviert, aus Nachbarschaft und Freundeskreis kamen Möbel- und Ausstattungsspenden. Jeder der zehn Bewohner des Abuna-Frans-Hauses hat ein eigenes Zimmer, es gibt drei Bäder und vor allem eine riesige Wohnküche mit Terrasse, in der gemeinsam gegessen und am Abend zusammengesessen wird. Das Leben in der Hausgemeinschaft finanziert sich künftig durch die Miete von 335 Euro im Monat, die für Flüchtlinge in der Regel das Sozialamt übernimmt, und durch die Arbeit der Patres als Hilfspriester in der Pfarrei und im Bistum Essen.

Ursprünglich hatten die beiden Jesuiten geplant, überwiegend junge Menschen über 18 Jahren eine Zeit lang aufzunehmen und bei der Verselbständigung zu begleiten. Doch zunächst sind nun Männer im Alter von Mitte zwanzig bis Ende sechzig in die WG eingezogen. „Das Konzept hält sich eben nicht an die Wirklichkeit“, sagt Pater Müller.

Schwieriger Wohnungsmarkt für Flüchtlinge

Anerkannte Flüchtlinge und Geduldete haben freies Wohnwahlrecht. „Aber oft haben sie große Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden“, erklärt Pater Hillebrand am Beispiel seines neuen Mitbewohners Mohamad (40) aus Syrien, der in der verschimmelten Wohnung einer Schrott-Immobilie gelandet war „und jetzt glücklich ist, ein Zimmer zu haben, das nicht stinkt“. Auch der 68-jährige Ghazy, der sich für Philosophie und Poesie interessiert, hat keine Chancen auf dem Wohnungsmarkt, weil er schon seit Jahren alle drei Monate seine Duldung verlängern muss. Ghazy könnte jederzeit abgeschoben werden, wenn der Libanon ihm Papiere ausstellen würde. „Auf so eine unsichere Situation lässt sich kein Vermieter ein“, sagt Hillebrand. Und Vahan (Name geändert), Syrer armenischer Herkunft, ist mit einem Studentenvisum in Deutschland, erhält deshalb keinerlei Sozialleistungen und war völlig mittellos, als er vor vier Wochen in das Abuna-Frans-Haus einzog. Jetzt setzt er alles daran, möglichst schnell Deutsch zu lernen, um einen Job zu finden und sein Studium zum Bauingenieur mit einem Master abzuschließen.

Ganz normaler Alltag: Putzen, kochen, waschen

Konfliktfrei wird es in der neuen WG natürlich nicht zugehen. Zunächst müssen die Bewohner sich auf das Gemeinschaftsleben unter WG-Bedingungen einlassen: Putzen, kochen, waschen und schon ein bisschen deutsch sprechen, damit man sich verständigen kann – Aufgaben, die sich organisieren lassen. Schwerer wiegt, dass die Bewohner nicht nur belastende Fluchterlebnisse verarbeiten müssen, sondern auch ganz unterschiedliche Vorstellungen vom Alltagsleben haben. Der eine hält streng den Ramadan ein, der andere trinkt vor Sonnenuntergang ein Gläschen Wein, der dritte hat als orientalischer Katholik eigentlich Vorbehalte gegen ein Zusammenleben mit Muslimen unter einem Dach. „Wir versuchen einfach, als Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen gut miteinander zu leben“, erklärt Hillebrand.

Darüber hinaus begleiten die beiden Patres ihre Mitbewohner in der schwierigen Zeit der Integration: bei Kontakten mit den Ämtern, bei der Jobsuche, beim Deutschlernen oder auch im Blick auf eine Rückkehrperspektive in die Heimat. Das Schicksal ihrer Mitbewohner lässt die beiden Ordensmänner natürlich nicht unberührt. Im Obergeschoss des Hauses haben sie sich einen Gebetsraum eingerichtet, in dem sie in Stille den Tag beginnen und beenden. Die „Unterscheidung der Geister“ Ihres Ordensgründers Ignatius von Loyola ist für die Jesuiten eine gute Hilfe: Realitäten wahrzunehmen, Verstand und Gefühl zu prüfen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

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