von Thomas Rünker

Ukraine-Krieg ist für Overbeck „ein wirklicher Karfreitag unserer Kultur“

Vor rund 800 Gläubigen beim Karfreitags-Kreuzweg auf der Bottroper Halde Haniel hat Bischof Franz-Josef Overbeck angesichts des Kriegs in der Ukraine für eine „widerständige Menschlichkeit” geworben, um sich Gewalt und Leid entgegenzusetzen.

Als einen „wirklichen Karfreitag unserer Kultur“ hat Bischof Franz-Josef Overbeck den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine bezeichnet. Seine Predigt beim traditionellen Kreuzweg auf der Bottroper Halde Haniel hat der Ruhrbischof am Karfreitag ganz ins Zeichen dieses nun schon mehr als ein Jahr währenden Kriegs gestellt: „Die Ströme von Blut, die fließen, und das Leid so unsäglich vieler gemarterter Menschen, schreien zum Himmel.“ Overbeck stellte den 24. Februar 2022 – den Beginn des russischen Überfalls – in Verbindung zum 11. September 2001: Zwei Daten der jüngeren Geschichte, die vielen Menschen immer wieder ins Gedächtnis kämen, „weil in beiden Fällen das Maß an Gewalt und die Art der Überfälle das Vorstellbare bei weitem überschritten hätten“.

RAG-Stiftung verweist auf enge Verbundenheit von Kirche und Bergbau

Der Kreuzweg auf der Halde Haniel

Die 15 Kreuzwegstationen, die von der verstorbenen Künstlerin und Ordensfrau Tisa von der Schulenburg (Schwester Paula), dem Oberhausener Künstler Adolf Radecki sowie Auszubildenden und ihren Ausbildern des Bergwerks Prosper-Haniel geschaffen wurden, gelten als einzigartig in ihrer Art und Präsentation. Jede Station besteht aus einer Kupfertafel mit einer Darstellung der Leidensgeschichte Christi und einem Element aus der Arbeitswelt des Bergbaus. Ergänzt werden sie durch Schrifttafeln mit Aussagen bekannter Persönlichkeiten der Kirche.

Für den Erhalt des Haldenkreuzwegs nach dem Ende des Steinkohlebergbaus hat sich der Verein „Karfreitagskreuzweg auf der Halde e.V.“ konstituiert, in dem sich das Bistum Essen, die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) im Bistum Essen sowie die Stadtdechanten aus Bottrop und Oberhausen gemeinsam engagieren. Hauptförderer des Vereins ist die RAG-Stiftung.

Rund 800 Männer, Frauen und Kinder waren zur Halde der 2018 als letztes deutsches Steinkohlenberg geschlossenen Zeche Prosper Haniel gekommen, um gemeinsam mit Overbeck den Kreuzweg zu gehen, der in einzigartiger Weise die Leidensgeschichte Jesu mit der Geschichte des Bergbaus verbindet. Diese enge Verbindung von Religion und Bergbau betonte auch RAG-Stiftungsvorstand Bärbel Bergerhoff-Wodopia in ihrer Begrüßung: „Die Verbindung der ehemaligen Bergleute mit ihrem Bergwerk und ihrer Halde ist ungebrochen.“ Seit 28 Jahren sei der Kreuzweg am Karfreitag „ein Ankerpunkt für die Menschen im Revier“. Den Erhalt des Kreuzwegs auf der Halde werde die RAG-Stiftung auch weiterhin finanziell unterstützen, so Bergerhoff-Wodopia.

Im Gottesdienst auf dem Halden-Plateau betonte Bischof Overbeck, dass der Ukraine-Krieg nicht nur eine politische, sondern auch eine kirchliche Dimension habe: „Das unsägliche Verhalten des russischen Patriarchen und nicht weniger in der russisch-orthodoxen Kirche, die diesen Krieg scheinbar vorbehaltlos unterstützen und ihn für ihre Zwecke als einen Krieg gegen die so genannte westliche Verkommenheit auszunutzen versuchen, machen mich sprachlos.“ Zugleich gehe es bei dem russischen Angriff „um einen Krieg der Ideen, über die Art und Weise wie wir leben wollen“: In einem demokratischen Rechtsstaat mit der Zusicherung der Freiheit des Menschen als Person – oder in einem gewaltsamen, nicht von Gewaltenteilung bestimmten politischen Modell.

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Overbeck plädiert für widerständige Menschlichkeit

Overbeck lud dazu ein, „in ökumenischer Verbundenheit mit allen Christinnen und Christen an diesem Karfreitag für die Bekehrung aller zu einem Leben ohne Gewalt zu beten, zu einem Leben in Solidarität und in Verbundenheit und Mitgefühl miteinander“. Er plädiert für eine „widerständige Menschlichkeit”, für Mitgefühl, Achtsamkeit füreinander, Nächstenliebe und Demut, die sich mit einer tatkräftigen Widerständigkeit verbinden, „wenn unsägliches Leid geschieht und die Menschenwürde mit Füßen getreten wird”, so Overbeck. „Dann zeigt sich eine Wahrheit, die fast körperlich spüren lässt: Dieses Leid darf nicht sein. Dieses Leid ist unter keinen Umständen zu rechtfertigen.”

Es brauche Widerstand, um gegen jene Kräfte und Mächte anzugehen, die ein solches Leid verursachten. „Darum müssen wir immer wieder ,Ja’ sagen zu widerständiger Menschlichkeit, die dem Recht des Stärkeren widersteht und zur Stärke des Rechts beiträgt." Sowohl die vielfältige, sehr konkrete Unterstützung, die aus der Rhein-Ruhr-Region in Richtung Ukraine transportiert worden sei und noch werde, als auch die Aufnahme der vielen aus der Ukraine geflüchteten Menschen im Ruhrgebiet seien starke Zeichen dieser widerständigen Menschlichkeit, für die er sehr dankbar sei, so Overbeck.

Die Predigt von Bischof Franz-Josef Overbeck im Wortlaut

Pressestelle Bistum Essen

Zwölfling 16
45127 Essen