Eine Million neue Heilige

Am 23. April wird die Armenische Kirche alle Völkermordopfer als Märtyrer anerkennen und heiligsprechen. Am gleichen Tag wollen die Kirchen in Deutschland bei einem ökumenischen Gottesdienst im Berliner Dom an den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren erinnern.

Es wird eine Rekord-Heiligsprechung: Alle rund eine Million Opfer des Völkermords an den Armeniern werden am 23. April von der armenisch-apostolischen Kirche als Märtyrer für ihren Glauben und das Vaterland anerkannt. Weder die katholische noch die orthodoxe Kirche hat je so eine große Zahl von Menschen kollektiv heiliggesprochen. Anlass ist der 100. Jahrestag des Beginns des Massenmordes an den Armeniern im Osmanischen Reich. Am 24. April 1915 hatten Einheiten der Geheimpolizei in Istanbul mehr als 200 armenische Intellektuelle verhaftet und nach Anatolien deportiert, wo die meisten getötet wurden. Insgesamt wird die Zahl der Todesopfer zwischen 1915 und 1917 auf 300.000 bis 1,5 Millionen geschätzt. Die großen Unterschiede bei den Zahlen hängen auch mit ungenauen Bevölkerungsstatistiken zusammen. Die Kirche nennt selbst keine Zahl, wie- viele Menschen heiliggesprochen werden.

Für die armenisch-apostolische Kirche ist die Feier auch aus einem anderen Grund bedeutsam: Seit rund 400 Jahren hat sie keine Person mehr für heilig erklärt. Das Verfahren und die Zeremonie mussten deshalb erst wieder neu festgelegt werden. Bei dem dreistündigen Gottesdienst in der Hauptkathedrale der armenisch-apostolischen Kirche in Etschmiadsin rund 20 Kilometer westlich der Hauptstadt Eriwan wird gleich zweimal Bezug auf den 100. Jahrestag genommen, wie Bischof Bagrat Galstyan ankündigte. Die Heiligsprechungsmesse soll um 19.15 Uhr enden und so an das Jahr 1915 erinnern. Zum Abschluss der Zeremonie würden außerdem genau 100 Mal die Glocken der Kathedrale geläutet, ebenso in weltweit allen armenisch-apostolischen Kirchen.

Bisher feierte die altorientalische Kirche jedes Jahr am 24. April eine Seelenmesse für die Völkermordopfer. Am selben Tag besuchte das Kirchenoberhaupt Katholikos-Patriarch Karekin II. regelmäßig gemeinsam mit den höchsten Repräsentanten des Staates das „Schwalbenfestung“ genannte Genozidmahnmal auf einem Hügel in Eriwan.

Zu der Heiligsprechung hat die armenisch-apostolische Kirche neben den Oberhäuptern der orthodoxen Nationalkirchen auch Papst Franziskus eingeladen. Eine Antwort aus dem Vatikan stehe noch aus, heißt es. Franziskus wird am 12. April im Petersdom eine Messe im armenischen Ritus feiern. Laut Medienberichten will er dabei an das Leid der christlichen Armenier im Osmanischen Reich, dem Vorgänger der heutigen türkischen Republik, während des Ersten Weltkriegs erinnern. Im Juni 2013 hatte Franziskus die Massaker in einer privaten Äußerung als den „ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Die Türkei hatte dagegen offiziell Protest eingelegt.

Oliver Hinz, KNA

Gedenkgottesdienst in Berlin

Bei einem ökumenischen Gottesdienst im evangelischen Berliner Dom wollen die Kirchen in Deutschland am 23. April an den Völkermord an den Armeniern vor 100 Jahren im Osmanischen Reich erinnern. Wie die deutsche Diözese der armenisch-apostolischen Kirche auf Anfrage mitteilte, sollen daran neben ihrem Erzbischof Karekin Bekdjian der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, teilnehmen. 2005 hatte der damalige EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber bei einem ökumenischen Gottesdienst Scham für die Gleichgültigkeit der damaligen deutschen Reichsregierung geäußert und das armenische Volk um Verzeihung gebeten und an Bundesregierung und Bundestag appelliert, „sich zur deutschen Mitschuld zu bekennen“.

KNA

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